Beschlussvorschlag:
Der
Jugendhilfeausschuss beschließt die beigefügte Vereinbarung zum
„Tätigkeitsauschluss einschlägig vorbestrafter Personen gem. § 72 a SGB VIII“
und beauftragt die Verwaltung, diese Vereinbarung mit den örtlich ansässigen
Freien Trägern der Jugendhilfe sowie sonstigen Trägern, die Leistungen der
Kinder- und Jugendhilfe in Meerbusch erbringen, abzuschließen. Bei auswärtigen
Trägern werden die im jeweiligen Jugendamtsbereich abgeschlossenen
Vereinbarungen anerkannt.
Sachverhalt:
Das Gesetz zur Stärkung eines aktiven
Schutzes von Kindern und Jugendlichen (Bundeskinderschutzgesetz – BkiSchG) ist
am 01.01.2012 in Kraft getreten. Ziel dieses Gesetzes ist eine Verbesserung des
Kinderschutzes. Erreicht werden soll dieses Ziel im Wesentlichen durch den
Ausbau von Prävention und Intervention, sowie durch die Stärkung aller Akteure,
die mit dem Wohlergehen von Kindern befasst sind.
Der Jugendhilfeausschuss wurde in der
Sitzung am 14.03.2012 über die gesetzlichen Neuerungen informiert.
Im bisherigen § 72 a SGB VIII war der
Ausschluss einschlägig Vorbestrafter von Tätigkeiten in der Kinder- und
Jugendhilfe schon seit 2008 für alle hauptamtlich Beschäftigten in der
Jugendhilfe geregelt. (z.B. Personal in Kindertages-, Beratungs-,
Jugendfreizeit- und Erziehungseinrichtungen). Im neuen § 72 a wird hier eine
Erweiterung auf den Personenkreis der neben- und ehrenamtlich in der Kinder-
und Jugendhilfe tätigen Personen, die Kinder und Jugendliche beaufsichtigen,
betreuen, erziehen oder ausbilden oder einen vergleichbaren Kontakt haben,
vorgenommen. §72a Abs.3 regelt dies für die Träger der öffentlichen Jugendhilfe
(Jugendamt) und §72a Abs. 4 für die Freien Träger der Jugendhilfe und Vereine,
indem das Jugendamt verpflichtet wird, durch Vereinbarungen sicherzustellen,
dass auch keine neben- oder ehrenamtlich in der Kinder- und
Jugendhilfe tätigen Personen, die wegen einer kindeswohlgefährdenden Straftat
rechtskräftig verurteilt worden sind, beschäftigt werden. Eine Liste der nach
SGB VIII § 72 a relevanten Straftaten ist Bestandteil der Vereinbarung (siehe
Anlage).
In dieser Vereinbarung werden die freien
Träger zur Einforderung und Prüfung eines erweiterten Führungszeugnisses gem. §
30a Bundeszentralregistergesetz (BZRG) für diesen Personenkreis verpflichtet.
Hierzu gehören in Meerbusch
insbesondere Ehrenamtler, die in den Jugendverbänden, Jugendabteilungen von
Vereinen und Verbänden oder Organisationen tätig werden. Damit zählen z.B. die
Betreuer bei den Jungschützen, der Jugendfeuerwehr, den Sportvereinen aber auch
dem Ehrenamtforum dazu, soweit minderjährige von ihnen betreut/ beaufsichtigt
werden und der Träger mit seinem
Angebot eine Leistung/Aufgabe der Kinder- und Jugendhilfe anbietet oder
wahrnimmt (§ 2 SGB VIII). In der Regel ist keine Jugendarbeit
i.S. des SGB VIII: private Jugendreisen; Sporttraining im engeren Sinne,
Musikunterricht/Probe/Auftritt; kirchliche Bildung wie Konfirmandenunterricht,
rein schulische Veranstaltungen und ähnliche Angebote.
Die Gesetzesbegründung benennt als
weiteres Abgrenzungskriterium die Finanzierung:
„Erfasst
werden hierbei nur diejenigen Leistungen, die auch von der öffentlichen
Jugendhilfe finanziert werden.“
Dies trifft immer dann zu, wenn das
entsprechende Angebot zumindest anteilig durch das Jugendamt bzw. aus Mitteln
der Kinder- u. Jugendförderpläne (Stadt, Land oder Bund) gefördert wird. Das
Landesjugendamt empfiehlt die Vorlage eines erweiterten Führungszeugnisses
auch, wenn die Angebote aus anderen öffentlichen Mitteln finanziert werden.
Die
Grundlage des erweiterten Führungszeugnisses findet sich in § 30a BZRG.
Es kann danach für Personen erteilt werden, die beruflich, ehrenamtlich oder in sonstiger Weise mit
Kindern und Jugendlichen tätig sind. Es enthält zum einen den Inhalt
eines einfachen Führungszeugnisses, zum anderen sind bei Verurteilungen wegen
einer in § 72a SGB VIII genannten Straftat auch die minderschweren
Erstverurteilungen, enthalten. Bei den so genannten Bagatellverurteilungen
handelt es sich um Geldstrafen unter 90 Tagessätzen und Freiheitsstrafen unter
3 Monaten. Dies gilt auch für rechtskräftige Verurteilungen in Jugendstrafverfahren.
Das bedeutet, dass eine Eintragung in das erweiterte Führungszeugnis für
rechtskräftige Verurteilungen wegen der in § 72a SGB VIII genannten
einschlägigen Straftaten unabhängig von der Höhe des verhängten Strafmaßes
erfolgt. Das gilt auch bei Verurteilungen Jugendlicher.
Die ehrenamtlich tätige Person stellt persönlich den Antrag auf
Ausstellung eines erweiterten Führungszeugnisses bei der zuständigen
Meldebehörde. Mit Antragstellung ist eine Aufforderung der Organisation/des
Vereins vorzulegen, in der die Person tätig ist/sein möchte. Die Organisation
muss schriftlich bestätigen, dass der Antragsteller berechtigt ist, ein erweitertes Führungszeugnis zu verlangen
und dass es sich dabei um eine ehrenamtliche
Tätigkeit handelt, bei der aus Billigkeitsgründen gemäß § 12
Justizverwaltungskostenordnung von der Erhebung der Gebühr abgesehen wird.
Zur Umsetzung des § 72 a Abs. 4 liegen auf Bundes- und Landesebene
Empfehlungen vor. In diesen Empfehlungen wird einerseits ein Prüfschema
empfohlen, anhand dessen jede einzelne Tätigkeit dahingehend geprüft und
beurteilt werden soll, ob sie aufgrund ihrer Art, Intensität und Dauer des
Kontaktes zu Kindern und Jugendlichen die Einsichtnahme in ein erweitertes
Führungszeugnis erfordert und andererseits wird die Einholung eines erweiterten
Führungszeugnisses im Regelfall empfohlen.
Exemplarisch wurden in Meerbusch von je
einer Jugendeinrichtung und einem Jugendverband verschiedene Tätigkeiten anhand
des vorgegebenen Prüfschemas bewertet. Dabei kam nach
Einschätzung des Freien Trägers nur bei einer Tätigkeit heraus, dass
die Vorlage eines erweiterten Führungszeugnisses nicht erforderlich ist. Hierbei handelt es sich um eine
„Schulungssituation“ in der mind. zwei
Betreuer immer einer Gruppe gegenüber stehen.
Das Landesjugendamt Rheinland hat im Verlauf
einer Tagung zur Thematik des §72a am 09.04.2013 auf die Vorgehensweise des
Bayrischen Landesjugendamtes verwiesen und diese als möglichen Weg dargestellt.
„Im
Regelfall entstehen bei der Wahrnehmung auch von neben- und ehrenamtlichen
Aufgaben im Wirkungskreis der Kinder- und Jugendhilfe sehr schnell Situationen,
die wegen der Vertrauensstellung oder des intensiven Kontakts zu den
Minderjährigen ausgenutzt werden könnten. Von daher wird empfohlen, im
Regelfall ein erweitertes FZ einzuholen.“
(Fachliche
Empfehlungen zur Handhabung des § 72a SGB VIII – Beschluss des
Landesjugendhilfeausschusses Bayern vom 12.03.2013)
Umsetzung § 72 a
Abs. 4 SGB VIII im Rhein-Kreis Neuss:
Die ebenfalls von den
Landesjugendämtern empfohlene Verständigung auf Kreisebene, um eine möglichst
einheitliche Praxis vor Ort zu gewährleisten, konnte erreicht werden.
Die Jugendämter des Rhein-Kreises
Neuss haben sich auf einen gemeinsamen Vereinbarungsinhalt verständigt, sowie
einen Leitfaden zur weitergehenden Information für die freien Träger erstellt.
Der Leitfaden wird auf der Internetseite der Stadt Meerbusch hinterlegt. Damit
auch die besonders große Gruppe der Sportvereine einbezogen ist, wurde der
Kreissportbund an den Beratungen beteiligt.
Der Stadtjugendring Meerbusch
wurde in mehreren Sitzungen, zuletzt in seiner Sitzung vom 02.07.2013 über den
Sachstand informiert und einbezogen.
Die Jugendämter im Rhein-Kreis
Neuss schlagen die folgende Vorgehensweise vor:
Alle ehren- oder nebenamtlich
Tätigen ab einem Alter von 14 Jahren (Strafmündigkeit) müssen vor Aufnahme der
Tätigkeit und danach in regelmäßigen Abständen (spätestens alle 5 Jahre) ein
erweitertes Führungszeugnis vorlegen. Das erweiterte Führungszeugnis darf bei
Vorlage nicht älter als drei Monate sein. Die Vorlage und Einsichtnahme erfolgt
bei dem Träger, für den der Ehrenamtler tätig sein möchte. Der Träger ist auch
für die Einhaltung der Frist der Wiedervorlage des erweiterten
Führungszeugnisses zuständig.
Einzelfallentscheidungen, wann das
erweiterte Führungszeugnis aufgrund eines nahezu ausgeschlossenen
Gefährdungspotentials der Tätigkeit oder aufgrund sehr kurzfristiger Einsätze nicht vorgelegt werden muss, obliegen
der Entscheidung des Freien Trägers und sind möglich. Keine pädagogischen
Tätigkeiten und damit insofern nicht infrage kommend sind z.B. die Arbeit in
der Küche (Koch, Küchenhelfer, Essensausgabe), Hausmeister u. ä. technische
Tätigkeiten, Reinigung, Materialverleih, Fahrdienste....soweit nicht andere Kriterien
zutreffen, die für eine Vorlage eines erweiterten Führungszeugnisses sprechen.
¨ Durch
diese Vorgehensweise werden alle in der Jugendhilfe Tätigen – unabhängig davon,
ob sie haupt- ehren- oder nebenamtlich beschäftigt werden – gleich behandelt.
Diese Vereinheitlichung stellt eine Erleichterung in der Umsetzung des § 72 a
SGB VIII dar und befreit davon, dass bestimmte Personengruppen „unter Verdacht“
gestellt werden.
¨ Im
Regelfall entstehen bei der Aufgabenwahrnehmung in der Kinder- und Jugendhilfe
auch im ehrenamtlichen Bereich Situationen, die aufgrund ihrer Nähe, Intensität
und/ oder der besonderen Vertrauensstellung zu Kindern und Jugendlichen
ausgenutzt werden könnten. Von daher ist die Vorlage eines erweiterten
Führungszeugnisses als Regelfall einzustufen. Insbesondere
Übernachtungsaktionen oder Fahrten gehören zu den Grundzügen der Kinder- und
Jugendarbeit. Nach allen vorliegenden Empfehlungen erfordern Aktionen mit
Übernachtung immer die Vorlage eines erweiterten Führungszeugnisses.
¨ Für die
einzelnen Träger bietet diese Vorgehensweise eine erhebliche Vereinfachung, da
ansonsten jede einzelne Tätigkeit zeitaufwendig geprüft und bewertet und jede
neu hinzukommende Aufgabe ebenfalls einer Prüfung unterzogen werden müsste.
¨ Insbesondere
für ehrenamtlich tätige Vereins- oder Verbandsvorstände stellt diese
Vorgehensweise eine erhebliche Entlastung dar, befreit sie von der
Verantwortung der Einzelfallprüfung und ggfs. „falschen“ Bewertungen von
Tätigkeiten und ermöglicht den flexiblen ggf. spontanen Einsatz des
Ehrenamtlers.
¨
Die Vorlage eines erweiterten Führungszeugnisses
ist ein zusätzlicher Baustein in einem Gesamtkonzept der Prävention zum Schutz
vor Kindeswohlgefährdung.
Seitens des Landesjugendamtes wird
empfohlen, städtische Fördergelder nur noch an Träger auszuzahlen, die eine
Vereinbarung unterzeichnet haben.
„Erfolgt die Finanzierung auf
dem Wege der Förderung nach § 74 SGB VIII sollten die Verpflichtungen aus § 72a
SGB VIII Teil der Förderbescheide, -richtlinien oder -vereinbarungen
sein“.(Script des LVR Landesjugendamt
Rheinland / Steinbüchel und Tintner, vom 9.4.2013)
Die
Einsichtnahme in das erweiterte Führungszeugnis und deren Dokumentation:
Die datenschutzrechtliche Regelung in §
72a Abs. 5 SGB VIII setzt der Dokumentation sehr enge Grenzen. Durch diese
Dokumentation wäre aber im Falle einer notwendigen Beweisführung nicht
nachweisbar, dass ein erweitertes Führungszeugnis eingesehen wurde und dass es keine
Eintragungen enthielt. Die Jugendämter im Rhein-Kreis Neuss haben sich daher
darauf verständigt, die Abgabe einer Einverständniserklärung zur Erhebung und Speicherung weiterer
Daten zu empfehlen. Ein exemplarischer Vordruck der Einverständniserklärung ist Bestandteil der Vereinbarung.
In der Vereinbarung wird den Trägern
ebenfalls die Erstellung eines Präventionsschutzkonzeptes empfohlen. In den
meisten Dachverbänden bestehen bereits überörtliche Präventionskonzepte, die
auch auf die kommunale Ebene Anwendung finden können. Das Jugendamt wird die
Träger bei Bedarf bei der Erstellung und Umsetzung des
Präventionsschutzkonzeptes gerne Beraten und Unterstützen.
Finanzielle
Auswirkung:
Die Führungszeugnisse für die Ehrenamtler werden derzeit vom
Bundeszentralregister kostenfrei ausgestellt. Es wird jedoch zu zusätzlichem
Verwaltungsaufwand in den Bürgerbüros kommen.
Alternativen:
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