Mit dem am 29.06.2012 beschlossene Pflege-Neuausrichtungs-Gesetz (PNG)
reagiert die Bundesregierung auf den demografischen Wandel und die damit
verbundenen Herausforderungen der Pflegeversicherung in der Zukunft. Am 29. Oktober 2012 ist das
Pflege-Neuausrichtungs-Gesetz im Bundesgesetzblatt verkündet worden. Bereits am
Tag nach der Verkündung sind zahlreiche Verbesserungen für pflegebedürftige
Menschen und ihre Angehörigen in Kraft getreten, wie beispielsweise die
Förderung neuer Wohnformen und die Verpflichtung der Pflegekassen zu mehr
Service und Beratung. Ab dem 1. Januar 2013 erhalten insbesondere demenziell
erkrankte Menschen auch höhere Leistungen, und es gibt die Möglichkeit einer
flexibleren Inanspruchnahme von Leistungen. Erstmals wird der Aufbau einer
zusätzlichen privaten Pflegevorsorge gefördert.
Eine
Zuständigkeit der Stadt ist nicht gegeben; wegen der besonderen Bedeutung der
Problematik werden gleichwohl die wesentlichen Neuerungen im Überblick
dargestellt:1)
·
Im Sinne einer besseren Beratung
werden die Pflegekassen verpflichtet die Versicherten und ihre Angehörigen über
die Leistungen der Pflegekassen sowie über die Leistungen und Hilfen anderer
Träger, in für sie verständlicher Weise zu unterrichten.
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Zur Sicherstellung einer frühzeitigen
Beratung müssen die Pflegekassen Antragstellern zukünftig einen Beratungstermin
innerhalb von zwei Wochen unter Nennung eines Ansprechpartners anbieten.
Die Beratung soll auf Wunsch des Versicherten in der häuslichen Umgebung oder
in der Einrichtung, in der der Versicherte lebt, erfolgen. Können Pflegekassen
diese Leistung zeitgerecht nicht selber erbringen, dann müssen sie ihm einen Beratungsgutschein
für die Inanspruchnahme der erforderlichen Beratung durch einen anderen
qualifizierten Dienstleister zur Verfügung stellen.
·
Die Rechte der Pflegebedürftigen und
ihrer Angehörigen gegenüber Pflegekassen und Medizinischem Dienst werden
gestärkt. Der Spitzenverband Bund der Pflegekassen wird verpflichtet, für die
Medizinischen Dienste verbindliche Servicegrundsätze zu erlassen. Dieser
„Verhaltenscodex“ soll sicherstellen, dass ein angemessener und respektvoller
Umgang mit den Pflegebedürftigen Standard ist. Antragsteller sind zudem darauf
hinzuweisen, dass sie einen Anspruch darauf haben, das MDK-Gutachten zugesandt
zu bekommen. Sie erhalten zudem automatisch eine Auskunft, ob die
Durchführung einer Rehabilitationsmaßnahme angezeigt ist. So soll dem so
wichtigen Grundsatz „Rehabilitation vor Pflege“ Ausdruck verliehen werden.
1) Quelle: http://www.bmg.bund.de
·
Zeitnahe Entscheidungen sind für
Pflegebedürftige und Antragsteller von großer Bedeutung. Wenn innerhalb von
vier Wochen keine Begutachtung erfolgt, wird die Pflegekasse deshalb
verpflichtet, dem Versicherten mindestens drei Gutachter zur Auswahl zu
benennen, damit es auch ohne den MDK vorangehen kann. Wenn die Pflegekassen Begutachtungsentscheidungen
nicht fristgerecht treffen, dann haben sie künftig dem Antragsteller für
jede begonnene Woche der Fristüberschreitung 70 Euro als erste
Versorgungsleistung zur Verfügung zu stellen.
·
Bereits heute gilt: Die Pflegekassen
können subsidiär finanzielle Zuschüsse für Maßnahmen zur Verbesserung des
individuellen Wohnumfeldes des Pflegebedürftigen gewähren, beispielsweise
für technische Hilfen im Haushalt. Die Zuschüsse dürfen einen Betrag in Höhe
von 2.557 Euro je Maßnahme nicht übersteigen. Bisher wurde eine Maßnahme nur
einmal gefördert, auch wenn sie mehreren Pflegebedürftigen zu Gute kam. Künftig
kann der Zuschuss bis zu viermal 2.557 Euro, also bis zu 10.228 Euro,
betragen, wenn mehrere Pflegebedürftige zusammen wohnen. Dies kommt vor
allem ambulant betreuten Wohngruppen für Pflegebedürftige zu Gute. Die Erhebung
eines einkommensabhängigen Eigenanteils entfällt zukünftig.
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Um es Pflegebedürftigen zu ermöglichen,
so leben zu können, wie sie das möchten, werden Wohnformen zwischen der
ambulanten und stationären Betreuung zusätzlich gefördert. Unter
bestimmten Umständen gibt es für solche Wohngruppen je Pflegebedürftigen
200 Euro zusätzlich, um dem höheren Organisationsaufwand gerecht werden zu
können. Darüber hinaus ist ein zeitlich befristetes Initiativprogramm zur
Gründung ambulanter Wohngruppen vorgesehen mit einer Förderung von 2.500
Euro pro Person (maximal 10.000 Euro je Wohngruppe) für notwendige
Umbaumaßnahmen in der gemeinsamen Wohnung. Insgesamt steht für die Förderung
eine Summe von 30 Millionen Euro zur Verfügung.
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Wichtig ist die Stabilisierung und
Stärkung der Situation der pflegenden Angehörigen, die mit ihrem Einsatz
für eine gute Betreuung der Pflegebedürftigen sorgen und manchmal mit der
Situation überfordert sind. In der Krankenversicherung wird deshalb
ausdrücklich betont, dass bei anstehenden Vorsorge- und
Rehabilitationsmaßnahmen die besonderen Belange pflegender Angehöriger
berücksichtigt werden. Sie erhalten zudem leichter die Möglichkeit, eine
Auszeit zu nehmen. Künftig wird das Pflegegeld zur Hälfte weitergezahlt,
wenn Sie eine Kurzzeit- oder Verhinderungspflege für ihren Pflegebedürftigen in
Anspruch nehmen. Zudem können auch Einrichtungen des Müttergenesungswerks oder
gleichartige Einrichtungen stärker als bisher in die Versorgung pflegender
Angehöriger mit Vorsorge- und Rehabilitationsleistungen einbezogen werden,
soweit sie dazu geeignet sind.
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Ab 01.01.2013 gibt es in der ambulanten
Versorgung auch höhere Leistungen für Demenzkranke. In der Stufe 0
erhalten Demenzkranke neben den zuvor schon beziehbaren 100 bzw. 200 Euro für
zusätzliche Betreuungsleistungen erstmals Pflegegeld oder Pflegesachleistungen.
In den Pflegestufen 1 und 2 wird der bisherige Betrag aufgestockt. Menschen
ohne Pflegestufe (Pflegestufe 0) erhalten monatlich ein Pflegegeld von 120 Euro
oder Pflegesachleistungen von bis zu 225 Euro. Pflegebedürftige in Pflegestufe
I erhalten ein um 70 Euro höheres Pflegegeld von 305 Euro oder um 215 Euro
höhere Pflegesachleistungen bis zu 665 Euro. Pflegebedürftige in Pflegestufe II
erhalten ein um 85 Euro höheres Pflegegeld von 525 Euro oder um 150 Euro höhere
Pflegesachleistungen von bis zu 1.250 Euro (siehe auch Anlage 1).
·
Im Vorgriff auf den neuen
Pflegebedürftigkeitsbegriff bieten ambulante Pflegedienste künftig neben der
Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung auch gezielt Betreuungsleistungen
an. Auch Pflegebedürftige, die nicht an Demenz erkrankt sind, können auf sie
ausgerichtete Betreuungsleistungen als Sachleistungen in Anspruch nehmen.
·
Flexibilisierung
der Leistungsinanspruchnahme:
Pflegebedürftige und ihre Angehörigen können neben den bis dato
verrichtungsbezogenen Leistungskomplexen auch bestimmte Zeitvolumen für die
Pflege wählen. Sie können dann zusammen mit den Pflegediensten entscheiden,
welche Leistungen in diesem Zeitkontingent erbracht werden sollen.
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In einem Modellvorhaben wird geprüft,
ob neben den heutigen Pflegediensten auch Betreuungsdienste vorgehalten
werden können, die ihr Leistungsangebot auf Demenzkranke spezialisieren.
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Künftig wird es möglich sein, auch
in teilstationären Pflegeeinrichtungen der Tages- und Nachtpflege zusätzliche
Betreuungskräfte einzusetzen, die vollständig von der Pflegeversicherung
finanziert werden.
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Eine rentenversicherungsrechtliche
Absicherung erfordert eine Mindestpflegeaufwendung von 14 Stunden pro
Woche. Zum Ausgleich von Härtefällen muss dieser Pflegeaufwand zukünftig nicht
allein für einen Pflegebedürftigen getätigt werden, sondern kann auch durch die
Pflege von zwei oder mehr Pflegebedürftigen erreicht werden.
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Für Selbsthilfegruppen in der
Pflegeversicherung werden 10 Cent pro Versicherten und Jahr, also
insgesamt 8 Millionen Euro jährlich, von der Pflegeversicherung,
bereitgestellt. Klargestellt wird zudem, dass auch für ehrenamtliche
Unterstützung als ergänzendes Engagement bei allgemeinen Pflegeleistungen in
zugelassenen stationären Pflegeeinrichtungen Aufwandentschädigungen gezahlt
werden können.
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Um die medizinische Versorgung in
den Pflegeheimen zu verbessern, wird dafür gesorgt, dass mehr
Vereinbarungen zwischen Heimen und Ärzten bzw. Zahnärzten geschlossen werden,
die auch die Zusammenarbeit mit dem Pflegepersonal regeln. Bessere finanzielle
Anreizmöglichkeiten sollen dafür sorgen, dass verstärkt Haus- bzw. Heimbesuche
durch den Arzt bzw. Zahnarzt erfolgen. Die Pflegeheime haben darüber zu
informieren, wie die ärztliche bzw. zahnärztliche Versorgung sowie die
Versorgung mit Arzneimitteln bei ihnen organisiert ist.
Die Erhöhung des Beitragssatzes zur gesetzlichen Pflegeversicherung um 0,1 % Beitragssatzpunkte zum 1. Januar 2013 ermöglicht eine Finanzierung der Leistungsverbesserungen bis Ende 2015. Darüber hinaus wird mit dem Pflege-Neuausrichtungs-Gesetz die freiwillige private Vorsorge erstmals staatlich gefördert. Dies hat das Bundeskabinett am 6. Juni 2012 beschlossen und mit der Durchführungsverordnung vom 28. November 2012 das Verfahren festgelegt, mit dem künftig die staatliche Förderung der privaten Pflegevorsorge gewährt wird. Die Förderung der privaten Pflege-Vorsorge unterstützt die Menschen dabei, für den Fall der Pflegebedürftigkeit eigenverantwortlich vorzusorgen. Die staatliche Zulage von 60 Euro im Jahr soll auch Menschen mit geringerem Einkommen den Abschluss einer Pflege-Zusatzversicherung ermöglichen. Die Versicherungsunternehmen dürfen keinen Antragsteller aufgrund möglicher gesundheitlicher Risiken ablehnen; Risikozuschläge und Leistungsausschlüsse sind nicht erlaubt, damit möglichst viele Menschen die staatliche Förderung in Anspruch nehmen können. Die konkreten Auswirkungen des PNG auf die Leistungen im Rahmen der Hilfe zur Pflege nach dem SGB XII können derzeit noch nicht beurteilt werden. Anträge bezüglich der seit 01.01.2013 erhöhten Pflegeleistungen liegen nicht vor.
In Vertretung
Angelika Mielke-Westerlage
Erste Beigeordnete