Betreff
FHiM - Frühe Hilfen in Meerbusch / Rahmenkonzept
Vorlage
FB2/450/2012
Art
Beschlussvorlage

Beschlussvorschlag:

 

Der Ausschuss nimmt das Rahmenkonzept „Frühe Hilfen in Meerbusch – FHiM“ zustimmend zur Kenntnis und beauftragt die Verwaltung mit dessen Umsetzung.

 

 


Sachverhalt:

 

Am 1. Januar 2012 ist das neue Bundeskinderschutzgesetz in Kraft getreten. Mit dem Gesetz ist die Zielsetzung verbunden, den Kinderschutz in Deutschland zu verbessern. In den verschiedenen Regelungsbereichen des Gesetzes soll Kinderschutz zukünftig umfassender und aktiver gewährt werden. Dazu gehören die so genannten „Frühen Hilfen und verlässliche Netzwerke“ für werdende Eltern und die nachhaltige Stärkung des Einsatzes von Familienhebammen und Netzwerken.

 

Zur Umsetzung der gestellten Aufgaben wurde zwischen Bund und Ländern eine finanzielle Unterstützung mit einer Bundesinitiative ab 2012 ausgehandelt. Das Bundeskabinett hat am 27. Juni 2012 die „Bundesinitiative frühe Hilfen und Familienhebammen“ beschlossen. Hier können unter anderem Frühe Hilfen, der Einsatz von Familienhebammen und auch ehrenamtliche Strukturen in den Frühen Hilfen gefördert werden. Eine Koordinierungsstelle, die beim nationalen Zentrum Frühe Hilfen (NZFH) eingerichtet wird, unterstützt die Koordinierung sowie die Erprobung und Evaluation der Bundesinitiative. Das Bundesfamilienministerium stellt für den Ausbau 30 Millionen Euro im Jahr 2012 zur Verfügung. Diese Summe erhöht sich bis zum Jahr 2015 auf 51 Millionen Euro jährlich. Nach Ablauf dieser Befristung wird der Bund zur Sicherstellung der Netzwerke „Frühe Hilfen und der psychosozialen Unterstützung von Familien durch Familienhebammen“ einen Fonds einrichten, für den er jährlich 51 Millionen Euro zur Verfügung stellen wird (SV-8-0708 – Bundeskinderschutzgesetz).

 

Die Verteilung der Mittel auf die Länder erfolgt nach einem Verteilerschlüssel, der sich jeweils zu 1/3 nach dem Königsteiner Schlüssel (*), der unter 3- jährigen im SGB II-Leistungsbezug und der Anzahl der unter 3-jährigen berechnet.

 

( * Königsteiner Schlüssel regelt die Aufteilung des Länderanteils bei gemeinsamen Finanzierungen. Für 2012 wird das Steueraufkommen 2010 und die Bevölkerungszahl 2010 zugrunde gelegt.)

 

Für Nordrhein-Westfalen (NRW) ergeben sich somit Mittel in Höhe von:

2012          6,2 Mio. Euro,

2013          9,0 Mio. Euro und

ab 2014   10,3 Mio. Euro

 

Nach Mitteilung des Landschaftsverbandes Rheinland (Rundschreiben 43/10/2012, v. 25.09.2012), ist für NRW vorgesehen, einen Rahmen vorzugeben, der von den örtlichen Kommunen in ihrer Gestaltungsfreiheit ausgefüllt werden kann. Gefördert werden Maßnahmen, die nach dem 01.01.2012 initiiert worden sind oder erfolgreiche Modellversuche, die als Regelangebot ausgebaut werden sollen.

 

Es wird zwischen 3 Förderbereichen unterschieden:

 

1.      Netzwerke mit Zuständigkeit für Frühe Hilfen,

2.      Familienhebammen und vergleichbare Berufe im Gesundheitswesen im Kontext „Früher

         Hilfen“ und

3.      Ehrenamtsstrukturen und eingebundene Ehrenamtliche im Kontext „Früher Hilfen“.

 

Die für NRW zugeteilten Mittel sollen, nach Abzug der Mittel für die Koordinierungsstelle und für die Durchführung von Qualifizierungen, auf die öffentlichen Jugendhilfeträger nach dem Verteilerschlüssel - Anteil der Kinder im Alter von 0-3 Jahren im SGB II- Bezug - aufgeteilt werden.

 

Für Meerbusch ergeben sich nach Angaben des Landesjugendamtes folgende Fördermittel:

2012      8.302 Euro

2013    11.668 Euro

 

Das Antragsverfahren kann beginnen, sobald der Bund die Mittel freigibt. Allerdings müssen die Zuschüsse in dem Jahr verausgabt werden, für das sie beantragt worden sind.

 

Die Stadt Meerbusch verfügt im Rahmen der „Frühen Hilfen“ bereits über verschiedene Ansätze, die weiter entwickelt und ergänzt werden sollen.

 

       Eltern- und Baby-Besuchsdienst,

      „Runder Tisch Kinderätzte“.

 

Ziel ist es, in den nächsten Jahren eine Fachstelle für „Frühe Hilfen in Meerbusch“ zu implementieren und für den Sozialraum verfügbare Netzwerke aufzubauen.

 

Auf Grundlage des nachstehend beschriebenen Rahmenkonzeptes sollen die Fördermittel nunmehr  beim Land beantragt werden.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Frühe Hilfen in Meerbusch (FHiM)

 

 

Zu klein kann ich doch gar nicht sein

 

 

Frühe Hilfen sind früh, den Zeitpunkt und die Art der Hilfen betreffend und früh, das

Alter der Kinder betreffend.

 

¨       Die Fachstelle „Frühe Hilfen in Meerbusch – FHiM“ bietet jungen Eltern mit Babys und Kleinkindern bis zum Eintritt in den Kindergarten Rat und fachliche Hilfen. Dadurch sollen die Eltern befähigt werden, Probleme mit ihren Kindern besser bewältigen und lösen zu können und damit einer Eskalation von ausufernden Symptomen und erfolglosen Bemühungen vorzubeugen.

 

¨       Schwierige Entwicklungsphasen von Kindern können umso leichter wieder aufgelöst werden, je früher die Situation erkannt und verbessert wird. Darin liegt eine große Chance für Mütter, Väter und vor allem für die Kinder.

 

¨       Frühe Hilfen können in belasteten Familien Erziehungskompetenzen fördern und Fehlentwicklungen vermeiden. Dies gelingt umso erfolgreicher, je besser die Fachkräfte und die unterschiedlichen Hilfeangebote vernetzt sind.

 

¨       Frühe Hilfen sind niederschwellige präventive Maßnahmen (mit Zugang ohne Antragstellung)

 

¨       Leistungen der Krankenkassen sind grundsätzlich vorrangig.

 

 

Grundlagen

Eine Vielzahl von wissenschaftlich gesicherten Erkenntnissen zeigt die Bedeutsamkeit frühkindlicher Beziehungserfahrungen. Sichere emotionale Bindungen in den ersten Lebensjahren sind Voraussetzung für eine gelingende emotionale, soziale und kognitive Entwicklung eines Kindes.

 

Eine sichere Bindung entwickelt ein Kind, wenn die wichtigen Bezugspersonen die Bedürfnisse des Kindes erkennen und zuverlässig und feinfühlig wahrnehmen. Gerade in den ersten Lebensjahren prägen der Umgang mit Kindern und ein kind- und altersgerechtes Lernumfeld die Entwicklung der kindlichen Persönlichkeit entscheidend. In dieser Zeit wird durch die Erziehung in der Familie das Fundament für die geistigen und körperlichen Fähigkeiten des Kindes gelegt, die es ihm ermöglicht, seinen individuellen Lebensweg in die Selbstständigkeit und Unabhängigkeit zu gehen. Von daher hat die frühe Förderung elterlicher Beziehungs- und Erziehungskompetenzen einen außerordentlichen präventiven und wichtigen Stellenwert. Die Frühen Hilfen haben eine präventive Orientierung und wollen riskante Entwicklungen bereits vor oder in ihrer Entstehung erkennbar machen, -„indem tragfähige Kooperationsbeziehungen mit Familien aufgebaut und Elternkompetenzen gestärkt werden. Neben alltagspraktischer Unterstützung wollen Frühe Hilfen insbesondere einen Beitrag zur Förderung der Erziehungs-, Beziehungs- und Bindungskompetenz von (werdenden) Müttern und Vätern leisten“- (Nationales Zentrum Frühe Hilfen. Arbeitsdefinition „Frühe Hilfen“ 07.11.2008).

 

 

Zielgruppe :

Zielgruppen der Frühen Hilfen sind werdende Eltern und Eltern von Kleinkindern in der Regel bis zum Eintritt in die Kindertagesbetreuung. Es wird davon ausgegangen, dass in dieser Phase Kinder besonders schutzbedürftig und Eltern offen für Rat und praktische Hilfen sind sowie über hinreichende eigene Fähigkeiten und Motivation verfügen, ihre, ggfls. auch schwierigen, Lebensbedingungen zu meistern.

 

Darüber hinaus zielt das Konzept auf Personen und Familien mit besonderem Unterstützungsbedarf in belastenden Lebenslagen. Risiken sollen antizipiert und frühzeitige Hilfen durch gezielte Maßnahmen ermöglicht werden.

 

In einem Netzwerk, das Kleinkindern und Eltern von Kleinkindern Schutz und Hilfe bietet, sollen Einrichtungen aus Jugendhilfe, Gesundheitshilfe und freien Trägern eingebunden sein, die Kontakt zu Müttern und Familien mit Kleinkindern haben. Derzeit sind das:

 

  • Fachbereich Soziale Hilfen, Jugend (insbesondere ASD)
  • Gesundheitsamt
  • Arbeiterwohlfahrt mit dem Mütterzentrum
  • Wohlfahrtsverbände, Kirchengemeinden 
  • Erziehungs-, Jugend und Familienberatung
  • Frauenärzte/-ärztinnen , Kinderärzte/-ärztinnen
  • Jugendhilfeträger
  • Hebammen
  • Schwangerschaftsberatungsstellen
  • Frühförderstellen
  • .....

 

Dieses Netzwerk bietet Schutz und Hilfe, damit sich Alltagsschwierigkeiten für Eltern und Kleinkinder nicht zu gravierenden Problemen entwickeln. Wenn Schwierigkeiten aber doch entstehen, soll dieses  Netz die Sicherheit bieten, dass eine gute Lösung gefunden wird.

 

 

Im Fokus der Frühen Hilfen stehen in erster Linie Schwangere, Mütter, (werdende) Eltern und ihre Kleinstkinder, die aufgrund der körperlichen Situation bzw. der gesellschaftlichen und familiären Rahmenbedingungen physisch, psychisch und/oder sozial Belastungen ausgesetzt sind, deren pathogene Bedeutung bekannt ist. Angesprochen werden diese Familien insbesondere bei Entwicklungsrisiken, bei sozialer Benachteiligung, wie Arbeitslosigkeit und Armut, bei individueller Belastung und Überforderung, in schwierigen Lebenssituationen, mit psychosozialen Problemen, früher Schwangerschaft und Elternschaft und Migrationshintergrund. Die Mitarbeiterinnen der Frühen Hilfen bieten werdenden Eltern und Familien mit Kindern ab Geburt bis zum Eintritt in die Kindertagesbetreuung rasche und unbürokratische Hilfe. Ihre Leistungen sind somit niedrigschwellig und können gerade solche Familien, die sonst von sich aus keine Hilfe in Anspruch nehmen, erreichen. Die Hilfe soll schon im Vorfeld problematischer Entwicklungen stattfinden, wenn die Familie noch durchaus in der Lage ist, selbstbestimmt  für das Kind zu handeln. Dabei werden Eltern sensibilisiert und unterstützt, die Bedürfnisse ihrer Kinder wahrzunehmen und adäquat darauf zu reagieren. Die FHiM-Mitarbeiterin ist die Lotsin durch diese Lebensphase und arbeitet in einem interdisziplinären Netz der verschiedenen Hilfsangebote. Die Hilfe ist auf ca. ein halbes Jahr begrenzt.

 

Die Arbeit mit den Familien könnte auch in Zusammenarbeit mit dem Ehrenamtsforum, durch z.B. Familienpaten, möglich werden. Dabei fungieren die Mitarbeiterinnen der FHiM als Mentoren der ehrenamtlichen Helfer. Ziel ist, speziell für die Zielgruppe ein ehrenamtliches Helfernetz aufzubauen, indem die Familienpaten junge Familien und Alleinerziehende bei der Alltagsbewältigung über einen bestimmten Zeitraum begleiten bzw. ihr mit ihrem Erfahrungsschatz unterstützend zur Seite stehen. Sie sind z.B. Ansprechpartner dort, wo Großeltern, Nachbarn oder Verwandte fehlen. Dabei stehen die Beschäftigung mit den Kindern sowie deren soziale Einbindung in ihr Lebensumfeld im Mittelpunkt. Sie geben bei Bedarf praktische Hilfestellungen, wie die Begleitung bei Behördengängen oder Arztbesuchen, die Unterstützung beim Ausfüllen von Formularen oder bei Gesprächen mit Lehrern, Nachbarn o. ä..

 

 

Umsetzung

Bisher werden in Meerbusch alle Eltern nach der Geburt eines Kindes angeschrieben und ihnen wird ein „Begrüßungsbesuch“ angeboten. Gut 80 % der angeschriebenen Eltern nehmen den Besuchstermin an. Der seit 2008 bestehende Eltern- und Babybesuchsdienst hat sich in Meerbusch zwischenzeitlich, auch in der besonderen Ausrichtung durch Fachkräfte aus dem Gesundheitswesen, bewährt. Junge Eltern fragen häufig bereits vor dem Besuch schon um die Dienstleistung „Babybegrüßungsbesuch“ nach. Derzeit ist der Besuch einmalig und nur im Einzelfall soweit die Ressourcen bestehen wird ein Zweitbesuch absolviert.

 

Bei erkennbarem Bedarf sollen die Mitarbeiterinnen zukünftig mehrmals die Familien aufsuchen und eine unterstützende Begleitung der Eltern und Kinder leisten (unbürokratisch, niederschwellig, ohne Antragsverfahren etc.). Dadurch sollen die jungen Familien im Alltag besser unterstützt und schwierige Situationen können frühzeitig entschärft und eine Eskalation vermieden werden. Zudem sollen die vorhandenen Ressourcen der Familie gefördert werden. Die FHiM-Mitarbeiterin leitet die Familie durch die ersten sechs Monate und hilft, die ggf. erforderliche Unterstützung weiterer Fachstellen zu koordinieren bzw. zu initieren.

 

Dazu ist es erforderlich, ein Netzwerk zu etablieren. Der bereits bestehende „Runde Tisch Kinderärzte“ wird um Gynäkologen, in Meerbusch tätige Hebammen, Gesundheitsamt, Jugendamt – ASD, Schwangerschaftsberatungsstellen sowie Erziehungsberatungsstelle erweitert und zukünftig regelmäßig zusammen kommen. Die Netzwerkkoordination wird im Jugendamt sichergestellt.

 

Um den Eltern eine sehr einfach erreichbare, wohnortnahe Beratung und Begleitung anzubieten, soll in Familienzentren in den Stadtteilen Lank, Osterath und Büderich jeweils regelmäßig ein Beratungsangebot gemacht werden. Dabei werden auch die in den Familienzentren bestehenden „Eltern-Kind Café“- Angebote genutzt.

 

Eltern sollen sich dort in zwangloser Runde treffen und austauschen und den Rat der Kinderkrankenschwester oder Hebamme einholen können. Gerade junge Eltern sind häufig unsicher im Umgang mit dem Kind – der früher oftmals übliche Ratschlag der Mutter oder Großmutter innerhalb der (Groß-) Familie fehlt. Das Angebot wird offen für alle (werdenden) Eltern gestaltet.

Hier können die Mitarbeiterinnen des FHiM als erste Ansprechpartnerinnen zur Verfügung stehen, ggfs. selbst im Rahmen mehrmaliger Hausbesuche die Familie unterstützen oder an andere Fachstellen verweisen.

 

Durch die oben beschriebene Weiterentwicklung des bestehenden Angebots Früher Hilfen sind etwa 10 Wochenstunden zusätzlich für die individuelle Familienbetreuung und die regelmäßigen Sprechstunden in den Familienzentren erforderlich. Durch Aufstockung der bisher für den Eltern- und Babybesuchsdienst zur Verfügung stehenden 39 Wochenstunden um 10 Stunden und die Verteilung auf drei Mitarbeiterinnen (1 Hebamme mit 19,5 Std., 1 Kinderkrankenschwester als Rückkehrerin aus der Elternzeit, 1 Kinderkrankenschwester als Elternzeitvertreterin mit je 14,75 Stunden), kann die Arbeit mit den bereits vorhandenen Mitarbeiterinnen sichergestellt werden.

 

Die erforderliche Netzwerkkoordination wird innerhalb des Fachbereiches durch Verlagerung von Aufgaben sicher gestellt.

 

Der hier beschriebene Ansatz und das bestehende Angebot ist in einem regelmäßigen Fachdiskurs der Netzwerkakteure zu überprüfen und fortzuschreiben.

Dem Jugendhilfeausschuss wird darüber berichtet.

 

 

 


Finanzielle Auswirkung:

 

Die Stadt Meerbusch kann über die „Bundesinitiative Netzwerk Frühe Hilfen und Familienhebammen“ 11.668 € für das Jahr 2013 zugewiesen bekommen. Die Förderung des Bundes ist langfristig angelegt und soll auch in den Folgejahren erfolgen. Dem Land Nordrhein- Westfalen werden im Jahr 2013 rd. 9 Mio. €, ab dem Jahr 2014 rd. 10,3 Mio. € dauerhaft zugewiesen.

 

Der zugewiesene Förderbetrag des Bundes wäre für die Stundenaufstockung auskömmlich.

 

 


Alternativen: