Beschlussvorschlag:
Der Ausschuss nimmt das Rahmenkonzept „Frühe Hilfen in Meerbusch – FHiM“ zustimmend zur
Kenntnis und beauftragt die Verwaltung mit dessen Umsetzung.
Sachverhalt:
Am 1. Januar 2012 ist das neue
Bundeskinderschutzgesetz in Kraft getreten. Mit dem Gesetz ist die Zielsetzung
verbunden, den Kinderschutz in Deutschland zu verbessern. In den verschiedenen
Regelungsbereichen des Gesetzes soll Kinderschutz zukünftig umfassender und
aktiver gewährt werden. Dazu gehören die so genannten „Frühen Hilfen und
verlässliche Netzwerke“ für werdende Eltern und die nachhaltige Stärkung des
Einsatzes von Familienhebammen und Netzwerken.
Zur Umsetzung der gestellten Aufgaben wurde
zwischen Bund und Ländern eine finanzielle Unterstützung mit einer
Bundesinitiative ab 2012 ausgehandelt. Das Bundeskabinett hat am 27. Juni 2012
die „Bundesinitiative frühe Hilfen und Familienhebammen“ beschlossen. Hier
können unter anderem Frühe Hilfen, der Einsatz von Familienhebammen und auch
ehrenamtliche Strukturen in den Frühen Hilfen gefördert werden. Eine
Koordinierungsstelle, die beim nationalen Zentrum Frühe Hilfen (NZFH)
eingerichtet wird, unterstützt die Koordinierung sowie die Erprobung und Evaluation
der Bundesinitiative. Das Bundesfamilienministerium stellt für den Ausbau 30
Millionen Euro im Jahr 2012 zur Verfügung. Diese Summe erhöht sich bis zum Jahr
2015 auf 51 Millionen Euro jährlich. Nach Ablauf dieser Befristung wird der
Bund zur Sicherstellung der Netzwerke „Frühe Hilfen und der psychosozialen
Unterstützung von Familien durch Familienhebammen“ einen Fonds einrichten, für
den er jährlich 51 Millionen Euro zur Verfügung stellen wird (SV-8-0708 –
Bundeskinderschutzgesetz).
Die Verteilung der Mittel auf die Länder
erfolgt nach einem Verteilerschlüssel, der sich jeweils zu 1/3 nach dem
Königsteiner Schlüssel (*), der unter 3- jährigen im SGB II-Leistungsbezug und
der Anzahl der unter 3-jährigen berechnet.
( * Königsteiner Schlüssel regelt die
Aufteilung des Länderanteils bei gemeinsamen Finanzierungen. Für 2012 wird das
Steueraufkommen 2010 und die Bevölkerungszahl 2010 zugrunde gelegt.)
Für Nordrhein-Westfalen (NRW) ergeben sich
somit Mittel in Höhe von:
2012 6,2 Mio. Euro,
2013 9,0 Mio. Euro und
ab 2014 10,3 Mio. Euro
Nach Mitteilung des Landschaftsverbandes
Rheinland (Rundschreiben 43/10/2012, v. 25.09.2012), ist für NRW vorgesehen,
einen Rahmen vorzugeben, der von den örtlichen Kommunen in ihrer
Gestaltungsfreiheit ausgefüllt werden kann. Gefördert werden Maßnahmen, die
nach dem 01.01.2012 initiiert worden sind oder erfolgreiche Modellversuche, die
als Regelangebot ausgebaut werden sollen.
Es wird zwischen 3 Förderbereichen
unterschieden:
1. Netzwerke
mit Zuständigkeit für Frühe Hilfen,
2.
Familienhebammen und vergleichbare Berufe im Gesundheitswesen im Kontext
„Früher
Hilfen“ und
3.
Ehrenamtsstrukturen und eingebundene Ehrenamtliche im Kontext „Früher Hilfen“.
Die für NRW zugeteilten Mittel sollen, nach
Abzug der Mittel für die Koordinierungsstelle und für die Durchführung von
Qualifizierungen, auf die öffentlichen Jugendhilfeträger nach dem
Verteilerschlüssel - Anteil der Kinder im Alter von 0-3 Jahren im SGB II- Bezug
- aufgeteilt werden.
Für Meerbusch ergeben sich nach Angaben des
Landesjugendamtes folgende Fördermittel:
2012
8.302 Euro
2013
11.668 Euro
Das Antragsverfahren kann beginnen, sobald
der Bund die Mittel freigibt. Allerdings müssen die Zuschüsse in dem Jahr
verausgabt werden, für das sie beantragt worden sind.
Die Stadt Meerbusch verfügt im Rahmen der
„Frühen Hilfen“ bereits über verschiedene Ansätze, die weiter entwickelt und
ergänzt werden sollen.
Eltern-
und Baby-Besuchsdienst,
„Runder
Tisch Kinderätzte“.
Ziel ist es, in den nächsten Jahren eine
Fachstelle für „Frühe Hilfen in Meerbusch“ zu implementieren und für den
Sozialraum verfügbare Netzwerke aufzubauen.
Auf Grundlage des nachstehend beschriebenen
Rahmenkonzeptes sollen die Fördermittel nunmehr
beim Land beantragt werden.
Frühe Hilfen in Meerbusch (FHiM)
„Zu klein kann ich doch gar nicht sein“
Frühe Hilfen sind früh, den Zeitpunkt und die Art der Hilfen betreffend und früh, das
Alter der Kinder betreffend.
¨ Die Fachstelle „Frühe Hilfen in Meerbusch –
FHiM“ bietet jungen Eltern mit Babys und Kleinkindern bis zum Eintritt in den
Kindergarten Rat und fachliche Hilfen. Dadurch sollen die Eltern befähigt
werden, Probleme mit ihren Kindern besser bewältigen und lösen zu können und
damit einer Eskalation von ausufernden Symptomen und erfolglosen Bemühungen
vorzubeugen.
¨ Schwierige Entwicklungsphasen von Kindern
können umso leichter wieder aufgelöst werden, je früher die Situation erkannt
und verbessert wird. Darin liegt eine große Chance für Mütter, Väter und vor
allem für die Kinder.
¨ Frühe Hilfen können in belasteten Familien
Erziehungskompetenzen fördern und Fehlentwicklungen vermeiden. Dies gelingt
umso erfolgreicher, je besser die Fachkräfte und die unterschiedlichen
Hilfeangebote vernetzt sind.
¨ Frühe Hilfen sind niederschwellige präventive
Maßnahmen (mit Zugang ohne Antragstellung)
¨ Leistungen der Krankenkassen sind
grundsätzlich vorrangig.
Grundlagen
Eine Vielzahl von wissenschaftlich
gesicherten Erkenntnissen zeigt die Bedeutsamkeit frühkindlicher
Beziehungserfahrungen. Sichere emotionale Bindungen in den ersten Lebensjahren
sind Voraussetzung für eine gelingende emotionale, soziale und kognitive
Entwicklung eines Kindes.
Eine sichere Bindung entwickelt ein Kind,
wenn die wichtigen Bezugspersonen die Bedürfnisse des Kindes erkennen und
zuverlässig und feinfühlig wahrnehmen. Gerade in den ersten Lebensjahren prägen
der Umgang mit Kindern und ein kind- und altersgerechtes Lernumfeld die
Entwicklung der kindlichen Persönlichkeit entscheidend. In dieser Zeit wird
durch die Erziehung in der Familie das Fundament für die geistigen und
körperlichen Fähigkeiten des Kindes gelegt, die es ihm ermöglicht, seinen
individuellen Lebensweg in die Selbstständigkeit und Unabhängigkeit zu gehen.
Von daher hat die frühe Förderung elterlicher Beziehungs- und
Erziehungskompetenzen einen außerordentlichen präventiven und wichtigen
Stellenwert. Die Frühen Hilfen haben eine präventive Orientierung und wollen
riskante Entwicklungen bereits vor oder in ihrer Entstehung erkennbar machen,
-„indem tragfähige Kooperationsbeziehungen mit Familien aufgebaut und
Elternkompetenzen gestärkt werden. Neben alltagspraktischer Unterstützung
wollen Frühe Hilfen insbesondere einen Beitrag zur Förderung der Erziehungs-,
Beziehungs- und Bindungskompetenz von (werdenden) Müttern und Vätern leisten“-
(Nationales Zentrum Frühe Hilfen. Arbeitsdefinition „Frühe Hilfen“ 07.11.2008).
Zielgruppe
:
Zielgruppen der Frühen Hilfen sind werdende
Eltern und Eltern von Kleinkindern in der Regel bis zum Eintritt in die
Kindertagesbetreuung. Es wird davon ausgegangen, dass in dieser Phase Kinder
besonders schutzbedürftig und Eltern offen für Rat und praktische Hilfen sind
sowie über hinreichende eigene Fähigkeiten und Motivation verfügen, ihre,
ggfls. auch schwierigen, Lebensbedingungen zu meistern.
Darüber hinaus zielt das Konzept auf
Personen und Familien mit besonderem Unterstützungsbedarf in belastenden
Lebenslagen. Risiken sollen antizipiert und frühzeitige Hilfen durch gezielte
Maßnahmen ermöglicht werden.
In einem Netzwerk, das
Kleinkindern und Eltern von Kleinkindern Schutz und Hilfe bietet, sollen
Einrichtungen aus Jugendhilfe, Gesundheitshilfe und freien Trägern eingebunden
sein, die Kontakt zu Müttern und Familien mit Kleinkindern haben. Derzeit sind
das:
- Fachbereich
Soziale Hilfen, Jugend (insbesondere ASD)
- Gesundheitsamt
- Arbeiterwohlfahrt
mit dem Mütterzentrum
- Wohlfahrtsverbände,
Kirchengemeinden
- Erziehungs-,
Jugend und Familienberatung
- Frauenärzte/-ärztinnen
, Kinderärzte/-ärztinnen
- Jugendhilfeträger
- Hebammen
- Schwangerschaftsberatungsstellen
- Frühförderstellen
- .....
Dieses Netzwerk bietet Schutz
und Hilfe, damit sich Alltagsschwierigkeiten für Eltern und Kleinkinder nicht
zu gravierenden Problemen entwickeln. Wenn Schwierigkeiten aber doch entstehen,
soll dieses Netz die Sicherheit bieten,
dass eine gute Lösung gefunden wird.
Im Fokus der Frühen Hilfen stehen in erster
Linie Schwangere, Mütter, (werdende) Eltern und ihre Kleinstkinder, die
aufgrund der körperlichen Situation bzw. der gesellschaftlichen und familiären
Rahmenbedingungen physisch, psychisch und/oder sozial Belastungen ausgesetzt
sind, deren pathogene Bedeutung bekannt ist. Angesprochen werden diese Familien
insbesondere bei Entwicklungsrisiken, bei sozialer Benachteiligung, wie
Arbeitslosigkeit und Armut, bei individueller Belastung und Überforderung, in
schwierigen Lebenssituationen, mit psychosozialen Problemen, früher
Schwangerschaft und Elternschaft und Migrationshintergrund. Die
Mitarbeiterinnen der Frühen Hilfen bieten werdenden Eltern und Familien mit
Kindern ab Geburt bis zum Eintritt in die Kindertagesbetreuung rasche und
unbürokratische Hilfe. Ihre Leistungen sind somit niedrigschwellig und können
gerade solche Familien, die sonst von sich aus keine Hilfe in Anspruch nehmen,
erreichen. Die Hilfe soll schon im Vorfeld problematischer Entwicklungen
stattfinden, wenn die Familie noch durchaus in der Lage ist, selbstbestimmt für das Kind zu handeln. Dabei werden Eltern
sensibilisiert und unterstützt, die Bedürfnisse ihrer Kinder wahrzunehmen und
adäquat darauf zu reagieren. Die FHiM-Mitarbeiterin ist die Lotsin durch diese
Lebensphase und arbeitet in einem interdisziplinären Netz der verschiedenen
Hilfsangebote. Die Hilfe ist auf ca. ein halbes Jahr begrenzt.
Die Arbeit mit den Familien könnte auch in
Zusammenarbeit mit dem Ehrenamtsforum, durch z.B. Familienpaten, möglich
werden. Dabei fungieren die Mitarbeiterinnen der FHiM als Mentoren der
ehrenamtlichen Helfer. Ziel ist, speziell für die Zielgruppe ein ehrenamtliches
Helfernetz aufzubauen, indem die Familienpaten junge Familien und
Alleinerziehende bei der Alltagsbewältigung über einen bestimmten Zeitraum begleiten
bzw. ihr mit ihrem Erfahrungsschatz unterstützend zur Seite stehen. Sie sind
z.B. Ansprechpartner dort, wo Großeltern, Nachbarn oder Verwandte fehlen. Dabei
stehen die Beschäftigung mit den Kindern sowie deren soziale Einbindung in ihr
Lebensumfeld im Mittelpunkt. Sie geben bei Bedarf praktische Hilfestellungen,
wie die Begleitung bei Behördengängen oder Arztbesuchen, die Unterstützung beim
Ausfüllen von Formularen oder bei Gesprächen mit Lehrern, Nachbarn o. ä..
Umsetzung
Bisher werden in Meerbusch alle Eltern nach der Geburt eines Kindes
angeschrieben und ihnen wird ein „Begrüßungsbesuch“ angeboten. Gut 80 % der
angeschriebenen Eltern nehmen den Besuchstermin an. Der seit 2008 bestehende
Eltern- und Babybesuchsdienst hat sich in Meerbusch zwischenzeitlich, auch in
der besonderen Ausrichtung durch Fachkräfte aus dem Gesundheitswesen, bewährt.
Junge Eltern fragen häufig bereits vor dem Besuch schon um die Dienstleistung
„Babybegrüßungsbesuch“ nach. Derzeit ist der Besuch einmalig und nur im Einzelfall
soweit die Ressourcen bestehen wird ein Zweitbesuch absolviert.
Bei erkennbarem Bedarf sollen die Mitarbeiterinnen zukünftig mehrmals
die Familien aufsuchen und eine unterstützende Begleitung der Eltern und Kinder
leisten (unbürokratisch, niederschwellig, ohne Antragsverfahren etc.). Dadurch
sollen die jungen Familien im Alltag besser unterstützt und schwierige
Situationen können frühzeitig entschärft und eine Eskalation vermieden werden.
Zudem sollen die vorhandenen Ressourcen der Familie gefördert werden. Die
FHiM-Mitarbeiterin leitet die Familie durch die ersten sechs Monate und hilft,
die ggf. erforderliche Unterstützung weiterer Fachstellen zu koordinieren bzw.
zu initieren.
Dazu ist es erforderlich, ein Netzwerk zu etablieren. Der bereits
bestehende „Runde Tisch Kinderärzte“ wird um Gynäkologen, in Meerbusch tätige
Hebammen, Gesundheitsamt, Jugendamt – ASD, Schwangerschaftsberatungsstellen
sowie Erziehungsberatungsstelle erweitert und zukünftig regelmäßig zusammen
kommen. Die Netzwerkkoordination wird im Jugendamt sichergestellt.
Um den Eltern eine
sehr einfach erreichbare, wohnortnahe Beratung und Begleitung anzubieten, soll
in Familienzentren in den Stadtteilen Lank, Osterath und Büderich jeweils
regelmäßig ein Beratungsangebot gemacht werden. Dabei werden auch die in den
Familienzentren bestehenden „Eltern-Kind Café“- Angebote genutzt.
Eltern sollen sich
dort in zwangloser Runde treffen und austauschen und den Rat der
Kinderkrankenschwester oder Hebamme einholen können. Gerade junge Eltern sind
häufig unsicher im Umgang mit dem Kind – der früher oftmals übliche Ratschlag
der Mutter oder Großmutter innerhalb der (Groß-) Familie fehlt. Das Angebot
wird offen für alle (werdenden) Eltern gestaltet.
Hier können die
Mitarbeiterinnen des FHiM als erste Ansprechpartnerinnen zur Verfügung stehen,
ggfs. selbst im Rahmen mehrmaliger Hausbesuche die Familie unterstützen oder an
andere Fachstellen verweisen.
Durch die oben
beschriebene Weiterentwicklung des bestehenden Angebots Früher Hilfen sind etwa
10 Wochenstunden zusätzlich für die individuelle Familienbetreuung und die
regelmäßigen Sprechstunden in den Familienzentren erforderlich. Durch
Aufstockung der bisher für den Eltern- und Babybesuchsdienst zur Verfügung
stehenden 39 Wochenstunden um 10 Stunden und die Verteilung auf drei
Mitarbeiterinnen (1 Hebamme mit 19,5 Std., 1 Kinderkrankenschwester als
Rückkehrerin aus der Elternzeit, 1 Kinderkrankenschwester als
Elternzeitvertreterin mit je 14,75 Stunden), kann die Arbeit mit den bereits
vorhandenen Mitarbeiterinnen sichergestellt werden.
Die erforderliche
Netzwerkkoordination wird innerhalb des Fachbereiches durch Verlagerung von
Aufgaben sicher gestellt.
Der hier beschriebene
Ansatz und das bestehende Angebot ist in einem regelmäßigen Fachdiskurs der
Netzwerkakteure zu überprüfen und fortzuschreiben.
Dem
Jugendhilfeausschuss wird darüber berichtet.
Finanzielle
Auswirkung:
Die Stadt Meerbusch
kann über die „Bundesinitiative Netzwerk Frühe Hilfen und Familienhebammen“ 11.668 € für das Jahr 2013 zugewiesen
bekommen. Die Förderung des Bundes ist langfristig angelegt und soll auch in
den Folgejahren erfolgen. Dem Land Nordrhein- Westfalen werden im Jahr 2013 rd.
9 Mio. €, ab dem Jahr 2014 rd. 10,3 Mio. € dauerhaft zugewiesen.
Der zugewiesene
Förderbetrag des Bundes wäre für die Stundenaufstockung auskömmlich.
Alternativen: