Betreff
Kinder-und Jugendstärkungsgesetz - KJSG / Weiterentwicklung des SGB VIII und deren Auswirkungen
Vorlage
FB2/0506/2021
Art
Informationsvorlage

Sachverhalt:

 

Das Gesetz zur Stärkung von Kindern und Jugendlichen (Kinder- und Jugendstärkungsgesetz -KJSG) sieht gesetzliche Änderungen in fünf Bereichen vor. Die Überschriften sind: Schützen, Stärken, Helfen, Unterstützen und Beteiligen. Das neue KJSG ist im Bundesgesetzblatt 2021, Teil 1 Nr. 29 vom 09.06.2021 verkündet worden.

 

Mit dem KJSG soll eine Verbesserung des Hilfesystems zur Stärkung der Familien und zum Schutz vor Kindeswohlgefährdungen sowie durch weitere Reformschritte erreicht werden. Dabei handelt es sich bei dem KJSG um ein Artikelgesetz.

 

Gemäß Art.10 des KJSG trat das Gesetz unmittelbar am Tag nach der Verkündung im BGBl (ohne Übergangsregelungen!) in Kraft, also am 10.06.2021. Zusätzlich zu 61 Änderungen im SGB VIII sind z.B. auch zahlreiche Änderungen in weiteren Sozialgesetzbüchern, dem Bürgerlichen Gesetzbuch und dem Jugendgerichtsgesetz zu verzeichnen.

 

Folgende Schwerpunkte werden im Gesetz deutlich:

 

1.         Ein besserer Kinder- und Jugendschutz soll durch

·           den verbesserten Schutz von Kindern und Jugendlichen in Einrichtungen und in Aus-        landsmaßnahmen

·           mehr Kooperation der verantwortlichen Akteure vor Ort

                erreicht werden.

 

2.              Eine Stärkung von Kindern und Jugendlichen, die in Pflegefamilien oder in Einrichtungen der

  Hilfen zur Erziehung aufwachsen, soll durch

·           die Reduzierung der Kostenbeteiligung junger Menschen mit eigenem Einkommen und                 Verbesserung der Unterstützung der Menschen mit stationärer Jugendhilfeerfahrung, die           die Einrichtungen verlassen (sogenannte Care Leaver),

·           mehr Stabilität und Kontinuität durch verbesserte Beratungsangebote und die Stärkung                 der Pflegefamilien,

·           die Stärkung der Kontrollrechte der Jugendämter bei den stationären Hilfen zur
          Erziehung

                                erreicht werden.

 

3.                  Die Stärkung der Prävention vor Ort durch

·           die Erweiterung niedrigschwelliger Hilfeangebote,

·           die Kombination unterschiedlicher Hilfen zur Erziehung

·           und die Modernisierung der Familienförderung.

 

4.            Die Stärkung der Beteiligungsrechte junger Menschen und ihrer Eltern durch

·           einen uneingeschränkten Beratungsanspruch für Kinder und Jugendliche sowie die verpflichtende Einrichtung von Ombudsstellen,

·           die Stärkung der Selbstvertretung und Selbsthilfe,

·           externe Beschwerdemöglichkeiten in Einrichtungen der Erziehungshilfe und die Gewährleistung von Beschwerdemöglichkeiten für Pflegekinder,

·           Klarstellung der Beteiligung nichtsorgeberechtigter Elternteile an der Hilfeplanung und Aufklärung des Kindes oder Jugendlichen und seiner Eltern bei der Inobhutnahme sowie

·           Sicherstellung adressatenorientierter Beteiligung von Kindern, Jugendlichen und Eltern.

 

5.            Verbesserungen bei der Inklusion in der Kinder- und Jugendhilfe durch die Einführung einer Lotsenfunktion und eine verbesserte Kooperation von Sozial- und Jugendämtern sowie verbindliche Weichenstellung für „Hilfen aus einer Hand“ für Kinder und Jugendliche mit/ohne Behinderungen in drei Reformstufen mit:

·           Verankerung des Leitgedankens einer inklusiven Kinder- und Jugendhilfe im SGB VIII und           Schnittstellenbereinigung ab 2021,

·           Einführung von Verfahrenslotsen zur Beratung zu Leistungen der Kinder- und Jugend-
          hilfe sowie zur Orientierung an den Schnittstellen zu anderen Leistungssystemen (2024 –              2028); die Träger der öffentlichen Kinder-und Jugendhilfe können aber auch schon vor   dem 1. Januar 2024 Verfahrenslotsen zur Verbesserung der Inklusion einsetzen.

·           Geplant ist ab 2028 eine vorrangige Zuständigkeit der Träger der öffentlichen Jugend-
          hilfe auch für Kinder mit körperlicher und/oder geistiger Behinderung.

 

 

Die Änderungen und Erweiterungen der Aufgaben durch die SGB VIII-Reform mit dem neuen KJSG beinhalten neben den Verbesserungen in der Kinder- und Jugendhilfe einen erhöhten finanziellen und personellen (kommunalen) Mehrbedarf, auch wenn dieser im Gesetzgebungsverfahren nicht ausreichend dargestellt wurde. Im Rahmen der Stellungnahmen zum Gesetzentwurf wurde auch von den kommunalen Spitzenverbänden auf die einseitige kommunale Verantwortung für die absehbaren finanziellen Mehraufwendungen hingewiesen. Eine genaue Schätzung ist schwierig, da sich die konkreten Auswirkungen erst in der wirksamen Umsetzung des Gesetzes zeigen werden. Allerdings sieht das Gesetz in §79 vor, dass das Jugendamt zur Planung und Bereitstellung einer bedarfsgerechten Personalausstattung ein Verfahren zur Personalbemessung zu nutzen hat. Zur Umsetzung dieser Vorgabe finden aktuell Gespräche mit der Personalverwaltung statt.

 

Die Weiterentwicklung der Inklusion in der Kinder- und Jugendhilfe wird hoffentlich zu mehr und einfacher erreichbaren Eingliederungshilfen aus einer Hand beitragen, aber wird neben der Umschichtung der bisherigen Finanzierungsströme von den Kreisen bzw. dem Land hin zu den kommunalen Jugendämtern, voraussichtlich weitere Aufwendungen bedeuten.

 

Viele Weichenstellungen z.B. bei den verbesserten Angeboten für junge Erwachsene nach dem Verlassen der stationären Jugendhilfe, der Reduktion der Kostenheranziehung, der Ausbau der Beratungsstrukturen und die Inklusion in der Kinder-und Jugendhilfe werden unmittelbar zu einem Anstieg der Ausgaben in den Hilfen zur Erziehung und zu Personalmehrbedarf führen. Zur Realisierung der verbesserten Beratungs-und Unterstützungsangebote werden die Planungs- und Beratungsleistungen sowie Fortbildungen in der Jugendhilfe intensiviert werden müssen.

 

Die Bundesregierung geht in ihrem Gesetzentwurf von einer finanziellen Mehrbelastung der Länder und Kommunen in Höhe von knapp 114 Mio. Euro pro Jahr aus, die Spitzenverbände rechnen eher mit 200 Mio. Euro. Ein Ausgleich dieser erwarteten finanziellen Belastung ist bisher leider nicht vorgesehen. Die kommunalen Spitzenverbände haben daher einen vollständigen Ausgleich der kommunalen Mehrbelastungen gefordert.

 

Die Verwaltung des Jugendamtes wird, in der Umsetzung und Anwendung des Gesetzes, notwendige Veränderungen in die Arbeitsanweisungen, Prozessabläufe und das pädagogische Handeln sukzessive einarbeiten. Z.B. bei der Einrichtung von Beschwerdestellen (Ombudsstellen) werden wir uns im RKN bzw. mit dem Landesjugendamt um Synergien bemühen. Die erforderliche Ausstattung von Diensten ist zu analysieren und im Sinne des Gesetzes neu auszugestalten bzw. im Stellenplan zu berücksichtigen. Aus-und Fortbildungen müssen auf das neue KJSG ausgerichtet und Rahmenbedingungen ggfls. neu definiert werden. Aufgrund der Veränderungen in verschiedenen Gesetzen sind auch leistungsübergreifende Sachzusammenhänge sowie die Zusammenarbeit mit freien Trägern und anderen Professionen im Rahmen des Netzwerkes Jugendhilfe zu überprüfen und ggf. neu auszurichten.

 

Die Verwaltung wird dem Jugendhilfeausschuss als Bestandteil des Jugendamtes über die Umsetzung des Gesetzes regelmäßig informieren.

 

 


In Vertretung

 

gez.

 

Frank Maatz

Erster Beigeordneter

 

 

Anlagen: Synopse des DIJuF zum KJSG