Betreff
Neues Förderverfahren von Kindern mit Behinderung in Tageseinrichtungen
Vorlage
FB2/232/2014
Art
Informationsvorlage

 

Das 2001 in Kraft gesetzte Sozialgesetzbuch IX betont die Zielsetzung, Kinder mit Behinderung wohnortnah und möglichst gemeinsam mit Kindern ohne Behinderung zu fördern. § 4 SGB IX führt aus, dass „Leistungen für behinderte oder von Behinderung bedrohte Kinder so geplant und gestaltet werden, dass nach Möglichkeit Kinder nicht von ihrem sozialen Umfeld getrennt und gemeinsam mit nicht behinderten Kindern betreut werden können.“ Die Konvention der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen geht einen Schritt weiter und erwartet die Planung und Gestaltung im Sinne der Inklusion.

 

Weitere gesetzliche Rahmenbedingungen:

 

  • Nach § 1 Abs. 1 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII) hat jeder junge Mensch ein Recht

auf Förderung seiner Entwicklung und auf Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und

gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit. Jugendhilfe soll zur Verwirklichung dieses Rechts

junge Menschen in ihrer individuellen und sozialen Entwicklung fördern und dazu beitragen,

Benachteiligungen zu vermeiden oder abzubauen. Die Förderung der integrativen Erziehung

erfolgt mit dem Ziel, den Kindern eine möglichst normale Teilhabe am gesellschaftlichen

Leben, d.h., eine gleichberechtigte Teilnahme an Angeboten der frühkindlichen Bildung und

Erziehung, zu ermöglichen.

 

  • § 22 a Abs. 4 SGB VIII „Kinder mit und ohne Behinderung sollen, sofern der Hilfebedarf dies

zulässt, in Gruppen gemeinsam gefördert werden. Zu diesem Zweck sollen die Träger der

öffentlichen Jugendhilfe mit den Trägern der Sozialhilfe bei der Planung, konzeptionellen

Ausgestaltung und Finanzierung des Angebots zusammenarbeiten.“

 

 

  • § 8 Kinderbildungsgesetz (KiBiz) „Kinder mit Behinderungen und Kinder, die von einer

Behinderung bedroht sind, sollen nach Möglichkeit gemeinsam mit Kindern ohne

Behinderung gefördert werden. Die besonderen Bedürfnisse von Kindern mit Behinderungen

und von Kindern, die von einer Behinderung bedroht sind, sind bei der pädagogischen Arbeit

zu berücksichtigen.“

 

 

Die Aufgabe der gemeinsamen Erziehung von Kindern mit und ohne Behinderung genießt auch unter KiBiz einen hohen Stellenwert.

 

Der Landschaftsverband Rheinland hat seit 1983 bei der Förderung von Kindern mit Behinderungen das Betreuungssystem der integrativen Gruppe bevorzugt. Somit findet im Rheinland – mit Ausnahme der Plätze der Einzelintegration – bisher überwiegend eine gruppenbezogene Finanzierung statt. Diese Form der gemeinsamen Erziehung erreicht bis heute eine hohe Akzeptanz, so dass ca. 800 integrative Gruppen in Tageseinrichtungen für Kinder im Rheinland geführt werden.

 

In den derzeitigen integrativen Gruppen werden 15 Kinder betreut, davon 5 Kinder mit und 10 Kinder ohne Behinderung. Zusätzlich zur Gruppenerzieherin und der Kinderpflegerin werden im Regelfall eine sprachtherapeutische Kraft und eine bewegungstherapeutische Kraft mit jeweils halbem Stundenumfang durch den Landschaftsverband Rheinland zusätzlich voll refinanziert. Aufgrund des gestiegenen Bedarfs sind die Landschaftsverbände allgemein bereit, maximal 6 Kinder mit Behinderung und 9 Kinder ohne Behinderung in einer integrativen Gruppe betreuen zu lassen.

 

Die Förderung der Einzelintegration ist seit dem 01.08.2008 durch das KiBiz ermöglicht. In einer Gruppe für Kinder von 3 Jahren bis zur Einschulung (Gruppenform III) können 1 bis 2 Kinder mit Behinderung ab dem 3. Lebensjahr im Rahmen der Einzelintegration aufgenommen werden. Aus pädagogischen Gründen und um eine Vereinzelung zu vermeiden, sollten 2 Kinder mit Behinderung in einer Einrichtung zusammen gefördert und gebildet werden. Die Pauschalen für die Kinder mit Behinderung (3,5 facher Satz der Gruppe IIIb) müssen lt. § 8 KiBiz für die besonderen Bedürfnisse dieser Kinder eingesetzt werden. Das bedeutet konkret: weitere Fachkraftstunden zur Unterstützung der Kinder und ggf. zur Reduzierung der Gruppenstärke. Seit 2010 werden in Meerbusch in verschiedenen Kindertageseinrichtungen behinderte Kinder im Rahmen der Einzelintegration betreut.

 

Die Finanzierung von heilpädagogischen Betreuungsplätzen als Einrichtungen nach dem SGB XII (Sozialhilfe), erfolgt vollständig außerhalb von KiBiz und vollständig ohne kommunale Beteiligung.

 

 

Plätze in integrativen Tageseinrichtungen für Kinder und in Form der Einzelintegration in Regelkindergärten

 

Datensammlung Kinder mit Behinderung Stand 1/2014

 

 

 

Integrative Gruppen

20

 

 

Ev. Kita Krähennest

 

eine integrative Gruppe GF III vom 01.09.1998
bis 31.07.2000 (5 behinderte, 10 nicht beh. Kinder)

 

zwei integrative Gruppen GF III seit 01.08.2000

10

 

 

Städt. FZ Fronhof

 

eine integrative Gruppe GF III seit 01.09.2004

5

 

 

Kita Neubau - Lebenshilfe in  Lank

 

bisher ist eine integrative Gruppe vorgesehen

5

 

 

Einzelintegration (erhöhte KP + 5.000,00 €)

2

Anmerkung: Es kommt häufig vor, dass die Sonderpauschale von den Trägern nicht beantragt wird, da eine Platzreduzierung nicht realisiert werden kann oder soll.

Einzelintegration (nur erhöhte KP)

4

 

 

offene Fälle mit Kita-Platz, Verfahren läuft noch

4

 

 

offene Fälle ohne Kita-Platz, Verfahren läuft noch

1

 

 

Kinder in Tagepflege

5

 

 

SUMME

36

Anmerkung:
Es kommt vor, dass die erhöhte KP von den Trägern nicht beantragt wird, da es nicht möglich ist, qualifiziertes Fachpersonal zu finden.

 

 

Für die aktuell 15 integrativen Plätze in Kindertageseinrichtungen erhält die Stadt Meerbusch

den trägerspezifischen Landeszuschuss nach KiBiz – unter Zugrundelegung des 3,5fachen

Satzes der Kindpauschale IIIb – sowie eine begleitende Finanzierung aus Sozialhilfemitteln

des LVR. Diese begleitende Finanzierung beinhaltet die Übernahme des therapeutischen

Mehraufwandes integrativer Gruppen, bestehend aus

  • 50 % des Trägeranteils
  • 50 % des Jugendamtanteils
  • ggfls. eine ergänzende Finanzierung der freigestellten Leitung
  • Verpflegungskosten der Kinder mit Behinderung
  •  Elternbeiträge der Kinder mit Behinderung
  •  den notwendigen Fahrtkosten.
  • sowie  100 % der therapeutischen Personalkosten

 

Der Landschaftsverband Rheinland hat Aufwendungen für therapeutisches Personal in bestehenden integrativen Gruppen, wie er betont,  bisher auf freiwilliger Basis getragen, um einen Anreiz für die Eltern zu schaffen, ihr Kind in einer integrativen Kindertagesstätte statt in einer heilpädagogischen Einrichtung nach SGB XII anzumelden.

 

Für die Kostenübernahme von therapeutischen Leistungen sind jedoch die Krankenkassen grundsätzlich zuständig. Die Voraussetzungen hierfür haben sich durch die am 1. Juli 2011 in Kraft getretene Heilmittelrichtlinie wesentlich geändert. Die Richtlinie sieht eine Beteiligung der Krankenkassen an den Kosten der Therapie in Einrichtungen vor und dies auch außerhalb therapeutischer Praxen und ohne Verordnung eines Hausbesuches. Zudem können gesetzliche Krankenkassen Kindertageseinrichtungen nun als Orte der Leistungserbringung anerkennen. Somit wird die jeweilige Kindertageseinrichtung theoretisch in die Lage versetzt, direkt mit den Krankenkassen abzurechnen. Um den flächendeckenden Ausbau mit integrativen Kindertageseinrichtungen voranzutreiben, hat der LVR bislang an der Übernahme dieser therapeutischen Leistungen festgehalten.

 

Das neue Förderverfahren

 

Der Landesjugendhilfeausschuss Rheinland (LJHA) und der Landschaftsausschuss des LVR (LA) haben beschlossen, ab dem Kindergartenjahr 2014/15 die bisherigen Komponenten des - die Landesförderung ergänzenden - freiwilligen LVR-Fördersystems zu ersetzen, und zwar durch ein System von „Kindpauschalen“, das eine auf das einzelne Kind ausgerichtete und möglichst wohnortnahe Förderung ermöglichen soll. Um den Übergang in die neue Finanzierung zu erleichtern, werden im Kindergartenjahr 2014/2015 die Kosten für therapeutische Leistungen noch in Verbindung mit der Kindpauschale vom LVR übernommen. Zum Kindergartenjahr 2015/2016 wird sich der LVR aus der Finanzierung der therapeutischen Leistungen zurückziehen.

 

Im Bedarfsfall kann der Träger auch Therapeutinnen / Therapeuten bzw. Motopädinnen / Motopäden als Fachkraft aus der LVR-Kindpauschale finanzieren.

 

Die Fahrtkostenübernahme für Kinder mit Behinderung wird bis zum Sommer 2015 sukzessive auslaufen. Die Übernahme des  Jugendamtsanteils wird sukzessive abgebaut und 2015 entfallen. Die anteilige Finanzierung der Leitungsfreistellung wird nur noch für Einrichtungen mit maximal zwei Gruppen übernommen.

 

Die Pauschalen sollen im Kindergartenjahr 2014/15 den pädagogischen Mehraufwand der Träger sowie die benötigten Therapien decken. Ab dem Kindergartenjahr 2015/16 sollen dann die Krankenkassen die Therapien bezahlen, der LVR übernimmt nur die pädagogischen Mehrkosten für integrative Kinder. Eltern von integrativen Kindern müssen künftig die regulären Kindergartenbeiträge an die Träger entrichten. Bislang war der Besuch der Kita für die Eltern von behinderten Kindern kostenfrei.

 

Die Finanzierungskomponenten der derzeitigen LVR-Förderung (Gruppenpauschale, Leitungsfreistellung für kleinere Kitas, Einzelintegration und Elternbeiträge) werden zur Finanzierung der Kindpauschale umgewidmet.  Mit der künftigen Förderpauschale von 5000 Euro pro Kind, mit einer Behinderung soll sich der pädagogische Standard in den Gruppen durch zusätzliche Fachkraftstunden deutlich verbessern.

Die Kindpauschale des LVR soll bei fünf Kindern mit Behinderung die Finanzierung einer zusätzlichen halben Fachkraftstelle ermöglichen, damit soll der pädagogische Standard über einen höheren Personalschlüssel verbessert werden. In der Pauschale sind auch Mittel für die Qualifizierung des Personals und die Beratung von Eltern enthalten.

 

Nach der Vorstellung des LVR sollen künftig externe Fachleute nach individueller ärztlicher Verordnung, wie in den Fällen der Einzelintegration auch, die therapeutischen Stunden übernehmen. In Zukunft müssen Eltern nach drei Monaten eine neue Verordnung beim Arzt einholen, was zusätzlichen Aufwand für die Eltern aber auch die Kita-Verwaltung bedeutet. Nur wenn die Anschlussverordnung rechtzeitig vorliegt kann eine kontinuierliche Förderung gesichert werden. Kassenfinanziert würden zudem nur die Therapeuten, die eine entsprechende Zulassung haben. Motopäden hätten diese Zulassung nicht. Nicht-medizinische Therapeuten müssten über die Kindspauschale bezahlt werden.

 

Es bleibt zu hoffen, dass es zu Rahmenverträgen mit den Krankenkassen kommt, die eine alltagstaugliche Umsetzung ermöglichen und den unvermeidlichen zusätzlichen Aufwand für die Träger und Eltern möglichst gering halten.

 

Doch nicht nur im Bereich der Betreuung in Kindertageseinrichtungen ist die Umsetzung des Inklusionsgedankens noch weiterzuentwickeln. Nachdem nunmehr der Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz ab dem vollendeten ersten Lebensjahres eines Kindes besteht, ist auch eine entsprechende Betreuung in Tagespflege zu ermöglichen. Hiesige „Erfahrungen“ zeigen je nach Art und Umfang der Behinderung des jeweiligen Kindes einen unterschiedlichen zusätzlichen Aufwand.  Die betreffenden Tagespflegepersonen lassen z.B. einen ihrer lt. Pflegeerlaubnis vorhandenen Betreuungsplätze zur Kompensation des höheren Betreuungs- und Förderaufwandes für ein Kind mit Behinderung unbelegt.

 

Nach Auffassung des Meerbuscher Jugendamtes ist der Ausgleich für den erhöhten Betreuungsaufwand im Rahmen der Eingliederungshilfe seitens des zuständigen Rehabilitationsträgers auszugleichen. Für Kinder die noch nicht die Schule besuchen, ist – unabhängig von der Art ihrer Behinderung gem. § 27 Gesetz zur Ausführung des Kinder- und Jugendhilfegesetzes AG-KJHG- NRW - grundsätzlich der Sozialhilfeträger für die Gewährung von Eingliederungshilfeleistungen zuständig.

 

Diese Sichtweise wurde in einem gem. Treffen mit allen Tagesmüttern und dem Verein für Tagesmütter als Kooperationspartner in der Vermittlung am 21.01.2014 besprochen. Im diesem Rahmen wurde vereinbart, dass die Eltern für ihre behinderten Kindern in Tagespflege einen entsprechender Antrag auf Gewährung von Eingliederungshilfe nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) stellen sollten und dieser entsprechend an die zuständige Behörde (Kreissozialamt) weitergeleitet wird. In einer ersten Rücksprache mit der Fachberatung des LVR für die Tagespflege wurde diese Vorgehensweise als zielführend bestätigt. Die Entscheidung bleibt dann abzuwarten.

 


In Vertretung

 

 

 

Angelika Mielke-Westerlage

Erste Beigeordnete