Das 2001 in Kraft gesetzte Sozialgesetzbuch IX betont die Zielsetzung,
Kinder mit Behinderung wohnortnah und möglichst gemeinsam mit Kindern ohne
Behinderung zu fördern. § 4 SGB IX führt aus, dass „Leistungen für behinderte
oder von Behinderung bedrohte Kinder so geplant und gestaltet werden, dass nach
Möglichkeit Kinder nicht von ihrem sozialen Umfeld getrennt und gemeinsam mit
nicht behinderten Kindern betreut werden können.“ Die Konvention der Vereinten
Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen geht einen Schritt
weiter und erwartet die Planung und Gestaltung im Sinne der Inklusion.
Weitere gesetzliche Rahmenbedingungen:
- Nach § 1 Abs. 1 Achtes Buch
Sozialgesetzbuch (SGB VIII) hat jeder junge Mensch ein Recht
auf Förderung seiner Entwicklung und auf
Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und
gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit.
Jugendhilfe soll zur Verwirklichung dieses Rechts
junge Menschen in ihrer individuellen und
sozialen Entwicklung fördern und dazu beitragen,
Benachteiligungen zu vermeiden oder
abzubauen. Die Förderung der integrativen Erziehung
erfolgt mit dem Ziel, den Kindern eine
möglichst normale Teilhabe am gesellschaftlichen
Leben, d.h., eine gleichberechtigte Teilnahme
an Angeboten der frühkindlichen Bildung und
Erziehung, zu ermöglichen.
- § 22 a Abs. 4 SGB VIII „Kinder mit und
ohne Behinderung sollen, sofern der Hilfebedarf dies
zulässt, in Gruppen gemeinsam gefördert
werden. Zu diesem Zweck sollen die Träger der
öffentlichen Jugendhilfe mit den Trägern der
Sozialhilfe bei der Planung, konzeptionellen
Ausgestaltung und Finanzierung des Angebots
zusammenarbeiten.“
- § 8 Kinderbildungsgesetz (KiBiz) „Kinder
mit Behinderungen und Kinder, die von einer
Behinderung bedroht sind, sollen nach
Möglichkeit gemeinsam mit Kindern ohne
Behinderung gefördert werden. Die besonderen
Bedürfnisse von Kindern mit Behinderungen
und von Kindern, die von einer Behinderung
bedroht sind, sind bei der pädagogischen Arbeit
zu berücksichtigen.“
Die Aufgabe der gemeinsamen Erziehung von
Kindern mit und ohne Behinderung genießt auch unter KiBiz einen hohen
Stellenwert.
Der Landschaftsverband Rheinland hat seit 1983 bei der Förderung von
Kindern mit Behinderungen das Betreuungssystem der integrativen Gruppe
bevorzugt. Somit findet im Rheinland – mit Ausnahme der Plätze der
Einzelintegration – bisher überwiegend eine gruppenbezogene Finanzierung statt.
Diese
Form der gemeinsamen Erziehung erreicht bis heute eine hohe Akzeptanz, so dass
ca. 800 integrative Gruppen in Tageseinrichtungen für Kinder im Rheinland
geführt werden.
In den derzeitigen integrativen Gruppen
werden 15 Kinder betreut, davon 5 Kinder mit und 10 Kinder ohne Behinderung.
Zusätzlich zur Gruppenerzieherin und der Kinderpflegerin werden im Regelfall
eine sprachtherapeutische Kraft und eine bewegungstherapeutische Kraft mit
jeweils halbem Stundenumfang durch den Landschaftsverband Rheinland zusätzlich
voll refinanziert. Aufgrund des gestiegenen Bedarfs sind die
Landschaftsverbände allgemein bereit, maximal 6 Kinder mit Behinderung und 9
Kinder ohne Behinderung in einer integrativen Gruppe betreuen zu lassen.
Die Förderung der Einzelintegration ist seit
dem 01.08.2008 durch das KiBiz ermöglicht. In einer Gruppe für Kinder von 3
Jahren bis zur Einschulung (Gruppenform III) können 1 bis 2 Kinder mit
Behinderung ab dem 3. Lebensjahr im Rahmen der Einzelintegration aufgenommen
werden. Aus pädagogischen Gründen und um eine Vereinzelung zu vermeiden,
sollten 2 Kinder mit Behinderung in einer Einrichtung zusammen gefördert und
gebildet werden. Die Pauschalen für die Kinder mit Behinderung (3,5 facher Satz
der Gruppe IIIb) müssen lt. § 8 KiBiz für die besonderen Bedürfnisse dieser
Kinder eingesetzt werden. Das bedeutet konkret: weitere Fachkraftstunden zur
Unterstützung der Kinder und ggf. zur Reduzierung der Gruppenstärke. Seit 2010
werden in Meerbusch in verschiedenen Kindertageseinrichtungen behinderte Kinder
im Rahmen der Einzelintegration betreut.
Die Finanzierung von heilpädagogischen
Betreuungsplätzen als Einrichtungen nach dem SGB XII (Sozialhilfe), erfolgt
vollständig außerhalb von KiBiz und vollständig ohne kommunale Beteiligung.
Plätze in integrativen Tageseinrichtungen
für Kinder und in Form der Einzelintegration in Regelkindergärten
Datensammlung Kinder mit Behinderung Stand
1/2014 |
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Integrative Gruppen |
20 |
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Ev. Kita Krähennest |
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eine integrative Gruppe GF III vom
01.09.1998 |
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zwei integrative Gruppen GF III seit
01.08.2000 |
10 |
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Städt. FZ Fronhof |
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eine integrative Gruppe GF III seit
01.09.2004 |
5 |
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Kita Neubau - Lebenshilfe in Lank |
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bisher ist eine integrative Gruppe
vorgesehen |
5 |
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Einzelintegration (erhöhte KP + 5.000,00
€) |
2 |
Anmerkung: Es kommt häufig vor, dass die
Sonderpauschale von den Trägern nicht beantragt wird, da eine
Platzreduzierung nicht realisiert werden kann oder soll. |
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Einzelintegration (nur erhöhte KP) |
4 |
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offene Fälle mit Kita-Platz, Verfahren
läuft noch |
4 |
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offene Fälle ohne Kita-Platz, Verfahren
läuft noch |
1 |
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Kinder in Tagepflege |
5 |
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SUMME |
36 |
Anmerkung: |
Für die aktuell 15 integrativen Plätze in Kindertageseinrichtungen
erhält die Stadt Meerbusch
den trägerspezifischen Landeszuschuss nach KiBiz – unter Zugrundelegung
des 3,5fachen
Satzes der Kindpauschale IIIb – sowie eine begleitende Finanzierung aus
Sozialhilfemitteln
des LVR. Diese begleitende Finanzierung beinhaltet die Übernahme des
therapeutischen
Mehraufwandes integrativer Gruppen, bestehend aus
- 50 % des
Trägeranteils
- 50 % des
Jugendamtanteils
- ggfls. eine
ergänzende Finanzierung der freigestellten Leitung
- Verpflegungskosten
der Kinder mit Behinderung
- Elternbeiträge der Kinder mit Behinderung
- den notwendigen Fahrtkosten.
- sowie 100 % der therapeutischen Personalkosten
Der Landschaftsverband Rheinland hat
Aufwendungen für therapeutisches Personal in bestehenden integrativen Gruppen,
wie er betont, bisher auf freiwilliger
Basis getragen, um einen Anreiz für die Eltern zu schaffen, ihr Kind in einer
integrativen Kindertagesstätte statt in einer heilpädagogischen Einrichtung
nach SGB XII anzumelden.
Für die Kostenübernahme von
therapeutischen Leistungen sind jedoch die Krankenkassen grundsätzlich
zuständig. Die Voraussetzungen hierfür haben sich durch die am 1. Juli 2011 in
Kraft getretene Heilmittelrichtlinie wesentlich geändert. Die Richtlinie sieht
eine Beteiligung der Krankenkassen an den Kosten der Therapie in Einrichtungen
vor und dies auch außerhalb therapeutischer Praxen und ohne Verordnung eines
Hausbesuches. Zudem können gesetzliche Krankenkassen Kindertageseinrichtungen
nun als Orte der Leistungserbringung anerkennen. Somit wird die jeweilige
Kindertageseinrichtung theoretisch in die Lage versetzt, direkt mit den
Krankenkassen abzurechnen. Um den flächendeckenden Ausbau mit integrativen
Kindertageseinrichtungen voranzutreiben, hat der LVR bislang an der Übernahme
dieser therapeutischen Leistungen festgehalten.
Das neue Förderverfahren
Der Landesjugendhilfeausschuss Rheinland (LJHA) und der
Landschaftsausschuss des LVR (LA) haben beschlossen, ab dem Kindergartenjahr
2014/15 die bisherigen Komponenten des - die Landesförderung ergänzenden -
freiwilligen LVR-Fördersystems zu ersetzen, und zwar durch ein System von
„Kindpauschalen“, das eine auf das einzelne Kind ausgerichtete und möglichst
wohnortnahe Förderung ermöglichen soll. Um den Übergang in die neue Finanzierung
zu erleichtern, werden im Kindergartenjahr 2014/2015 die Kosten für
therapeutische Leistungen noch in Verbindung mit der Kindpauschale vom LVR
übernommen. Zum Kindergartenjahr 2015/2016 wird sich der LVR aus der Finanzierung
der therapeutischen Leistungen zurückziehen.
Im Bedarfsfall kann der Träger auch
Therapeutinnen / Therapeuten bzw. Motopädinnen / Motopäden als Fachkraft aus
der LVR-Kindpauschale finanzieren.
Die Fahrtkostenübernahme für Kinder mit Behinderung wird bis zum Sommer
2015 sukzessive auslaufen. Die Übernahme des
Jugendamtsanteils wird sukzessive abgebaut und 2015 entfallen. Die
anteilige Finanzierung der Leitungsfreistellung wird nur noch für Einrichtungen
mit maximal zwei Gruppen übernommen.
Die Pauschalen sollen im Kindergartenjahr 2014/15 den pädagogischen
Mehraufwand der Träger sowie die benötigten Therapien decken. Ab dem
Kindergartenjahr 2015/16 sollen dann die Krankenkassen die Therapien bezahlen, der
LVR übernimmt nur die pädagogischen Mehrkosten für integrative Kinder. Eltern
von integrativen Kindern müssen künftig die regulären Kindergartenbeiträge an
die Träger entrichten. Bislang war der Besuch der Kita für die Eltern von
behinderten Kindern kostenfrei.
Die Finanzierungskomponenten der
derzeitigen LVR-Förderung (Gruppenpauschale, Leitungsfreistellung für kleinere
Kitas, Einzelintegration und Elternbeiträge) werden zur Finanzierung der
Kindpauschale umgewidmet. Mit der
künftigen Förderpauschale von 5000 Euro pro Kind, mit einer Behinderung soll
sich der pädagogische Standard in den Gruppen durch zusätzliche
Fachkraftstunden deutlich verbessern.
Die Kindpauschale des LVR soll bei fünf
Kindern mit Behinderung die Finanzierung einer zusätzlichen halben
Fachkraftstelle ermöglichen, damit soll der pädagogische Standard über einen
höheren Personalschlüssel verbessert werden. In der Pauschale sind auch Mittel
für die Qualifizierung des Personals und die Beratung von Eltern enthalten.
Nach der Vorstellung des LVR sollen künftig externe Fachleute nach
individueller ärztlicher Verordnung, wie in den Fällen der Einzelintegration
auch, die therapeutischen Stunden übernehmen. In Zukunft müssen Eltern nach
drei Monaten eine neue Verordnung beim Arzt einholen, was zusätzlichen Aufwand
für die Eltern aber auch die Kita-Verwaltung bedeutet. Nur wenn die
Anschlussverordnung rechtzeitig vorliegt kann eine kontinuierliche Förderung
gesichert werden. Kassenfinanziert würden zudem nur die Therapeuten, die eine
entsprechende Zulassung haben. Motopäden hätten diese Zulassung nicht.
Nicht-medizinische Therapeuten müssten über die Kindspauschale bezahlt werden.
Es bleibt zu hoffen, dass es zu Rahmenverträgen mit den Krankenkassen
kommt, die eine alltagstaugliche Umsetzung ermöglichen und den unvermeidlichen
zusätzlichen Aufwand für die Träger und Eltern möglichst gering halten.
Doch nicht nur im Bereich der Betreuung in Kindertageseinrichtungen ist
die Umsetzung des Inklusionsgedankens noch weiterzuentwickeln. Nachdem nunmehr
der Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz ab dem vollendeten ersten
Lebensjahres eines Kindes besteht, ist auch eine entsprechende Betreuung in
Tagespflege zu ermöglichen. Hiesige „Erfahrungen“ zeigen je nach Art und Umfang
der Behinderung des jeweiligen Kindes einen unterschiedlichen zusätzlichen
Aufwand. Die betreffenden
Tagespflegepersonen lassen z.B. einen ihrer lt. Pflegeerlaubnis vorhandenen
Betreuungsplätze zur Kompensation des höheren Betreuungs- und Förderaufwandes
für ein Kind mit Behinderung unbelegt.
Nach Auffassung des Meerbuscher Jugendamtes ist der Ausgleich für den
erhöhten Betreuungsaufwand im Rahmen der Eingliederungshilfe seitens des
zuständigen Rehabilitationsträgers auszugleichen. Für Kinder die noch nicht die
Schule besuchen, ist – unabhängig von der Art ihrer Behinderung gem. § 27
Gesetz zur Ausführung des Kinder- und Jugendhilfegesetzes AG-KJHG- NRW -
grundsätzlich der Sozialhilfeträger für die Gewährung von
Eingliederungshilfeleistungen zuständig.
Diese Sichtweise wurde in einem gem. Treffen mit allen Tagesmüttern und
dem Verein für Tagesmütter als Kooperationspartner in der Vermittlung am
21.01.2014 besprochen. Im diesem Rahmen wurde vereinbart, dass die Eltern für
ihre behinderten Kindern in Tagespflege einen entsprechender Antrag auf
Gewährung von Eingliederungshilfe nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB
XII) stellen sollten und dieser entsprechend an die zuständige Behörde
(Kreissozialamt) weitergeleitet wird. In einer ersten Rücksprache mit der Fachberatung
des LVR für die Tagespflege wurde diese Vorgehensweise als zielführend
bestätigt. Die Entscheidung bleibt dann abzuwarten.
In Vertretung
Angelika Mielke-Westerlage
Erste Beigeordnete