Beschlussvorschlag:
Der Jugendhilfeausschuss empfiehlt dem Rat der Stadt, die als Anhang beigefügte Satzung über die Förderung von Kindern in der Kindertagespflege zu beschließen.
Sachverhalt:
Die Kindertagespflege stellt eine gleichwertige Alternative zur Kindertagesstätte dar. Wegen der familienähnlichen Betreuungsform ist sie besonders für Kinder unter drei Jahren geeignet. Vor dem Hintergrund des Rechtsanspruches auf einen Betreuungsplatz auch für unter dreijährige Kinder ist die Tagespflege ein unverzichtbarer Bestandteil des Betreuungsangebotes und wurde insbesondere in den vergangenen beiden Jahren stark ausgebaut. Ziel der Verwaltung ist es, durch Ausbildung weiterer Tagespflegepersonen das Platzangebot im Kindergartenjahr 2013/14 von aktuell 190 Plätzen auf 240 Plätze zu steigern.
Im Anmeldeverfahren für das neue Kindergartenjahr hat sich nunmehr die Problematik ergeben, dass Eltern von 65 Kindern, die einen Betreuungsplatz in der Tagespflege haben und deren Kinder bis zum 1.11.2013 das 3. Lebensjahr nicht vollendet haben, ihr Kind zur Betreuung in einer Kindertagestätte angemeldet haben.
Als Grund für die Anmeldung für einen Kita-Platz wird von Eltern angegeben, dass eine Gleichwertigkeit des Angebotes insofern nicht gegeben ist, als von Tagespflegepersonen neben den an die Stadt geleisteten Zahlungen Zuzahlungen gefordert werden, so dass der Betreuungsplatz teurer sei als der Betreuungsplatz in Einrichtungen.
Die Praxis der Zuzahlungen seitens der Eltern trotz öffentlicher Finanzierung des Tagespflegeplatzes ist seit Jahren eine landesweite Problematik, die letztlich daraus resultiert, dass die gesetzlichen Rahmenbedingungen des Kinderbildungsgesetzes lückenhaft sind. Vor dem Hintergrund der erforderlichen Erfüllung des Rechtsanspruches haben ihre Auswirkung an Bedeutung zugenommen, da zu erwarten ist, dass Eltern einen vom Jugendamt angebotenen Platz ablehnen, wenn eine Zuzahlung verlangt wird bzw. neben der öffentlichen Förderung auch die Erstattung der Zuzahlung verlangen.
Insofern ist es erforderlich, durch eine Satzung die Tagespflege und die Vergütung von Tagespflegepersonen zu regeln.
Die Rahmenbedingungen für die Kindertagespflege stellen sich derzeit wie folgt dar:
- Gem. § 43 SGB VIII
bedarf eine Person, die bis zu 5 fremde Kinder gleichzeitig und mehr als
15 Std./Woche über einen Zeitraum von mehr als 3 Monaten betreut einer
Pflegeerlaubnis.
- Die Pflegeerlaubnis erteilt das Jugendamt bei Vorliegen der persönlichen und räumlichen Voraussetzungen.
- Zum Nachweis der persönlichen Voraussetzungen gehört eine Grundqualifizierung mit 45 Unterrichtseinheiten und ein 1. Hilfe-Kurs, dessen Kosten zu 100% von der Stadt erstattet werden. Die gewünschte Aufbauqualifizierung umfasst weitere 115 Std., die Kurskosten werden zu 50% erstattet.
- Anzahl der Tagespflegepersonen am 30.4.2013: 78
- Anzahl der betreuten Kinder am 30.4.2013: 164
Derzeitige öffentliche Sach- und Förderleistung der Stadt:
- Tagespflegepersonen
mit Grundqualifizierung erhalten eine Förderleistung von
435,00 €/Kind bei einem Betreuungsumfang von 40 Std. - Tagespflegepersonen mit Aufbauqualifizierung 696,00 €/Kind bei einem Betreuungsumfang von 40 Std.
- bei einem Betreuungsumfang von 8 Std./Tag fünf mal in der Woche können 300 € /Kind/Monat als Betriebskostenpauschale steuerlich geltend gemacht werden
- Essensgeld kann zusätzlich von den Eltern erhoben werden
- Erstattung von 100% der Aufwendungen für Beiträge zu einer Unfallversicherung, 50% der Aufwendungen der Alterssicherung und der Kranken- und Pflegeversicherung durch die Stadt
- Bezuschussung von Kurskosten der Weiterbildung
- Investitionskostenzuschuss pro Platz 500 €
- Investitionskostenzuschuss bei Umbaumaßnahmen max. 5.110 €/Platz
- Erstattung der Sach- und Förderleistung bei Urlaub und Krankheit bis max. 6 Wochen jährlich
Aufwendungen/Erlöse der Stadt im Bereich Tagespflege
- Zahlungen an Tagespflegepersonen RE 2012: 995.000 €, Ansatz 2013: 1.160.000 €
- Zuschuss Tagesmütterverein: RE 2012 33.321 €, Ansatz 2013: 42.000 €
- Personalkosten MA Pflegeerlaubnis und Vermittlung sowie Erhebung Elternbeiträge und Zahlbarmachung der Fördervergütung: 111.000 € (ohne Leitungsanteile)
- Elternbeiträge RE 2012: 311.000 €, Ansatz 2013: 323.000 €
- Landeszuweisung RE 2012: 82.000 €, Ansatz 2013: 112.000 €
- Differenz Aufwendungen ./. Erlöse RE 2012: 746.321 € , auf Basis Ansatz 2013: 878.000 €.
Die Tagespflegepersonen werden vom Gesetzgeber wie selbständige
Dienstleister behandelt und müssen ihre erlangten Vergütungen wie bereits
dargestellt nach § 18 EStG versteuern. Die Stadt bzw. in ihrem Auftrag der
Tagesmütterverein fungieren hinsichtlich der Tagespflegekinder als Vermittlerin
zwischen Tagespflegeperson und Eltern. Zwischen den beiden letztgenannten
Parteien wird anschließend ein Betreuungsvertrag geschlossen, der als
Dienstvertrag (§§ 611 ff. BGB) einzustufen ist. Diese rechtliche Bewertung
ergibt sich aus der Figur des „nebenberuflich Selbständigen“, die eigens für
den Bereich der Tagespflege konstruiert wurde. Und auch wenn die Stadt
verpflichtet ist, Sozialabgaben für Tagespflegepersonen abzuführen, bleiben
diese bei der Ausübung ihrer Tätigkeit autonom. Auch wenn die Stadt selbst
keine direkte Vertragspartnerin ist, verwaltet sie sozusagen den Pool an zu
betreuenden Kindern, den sie den Tagespflegepersonen überhaupt erst zugänglich
macht.
Als Ursache für Zuzahlungen wird bundesweit von der Gruppe der
Tagespflegepersonen immer wieder angeführt, dass vielfach von Kommunen keine
„leistungsgerechte“ Vergütung erfolge.
Legt man diese Zahlungen der Stadt Meerbusch zugrunde, ist derzeit für
eine qualifizierte Tagespflegeperson, bei einer Stundenbelastung von 45
Wochenstunden, eine monatliche Maximalvergütung von 783,00 € brutto pro Kind
möglich. Bei maximal fünf zu betreuenden Kindern ergibt sich folglich eine
monatliche Maximalvergütung von 3.915,00 € zzgl. Sozialversicherungsleistungen.
I.d.R. wird diese Größenordnung aber nicht erreicht, weil nicht 5 Kinder mit 45
Stunden betreut werden. Die höchste Förderleistung die aktuell an eine
Tagesmutter gezahlt wird, beträgt 3.518 €/monatlich.
Zur Frage der leistungsgerechten Vergütung sind verschiedene Studien
erstellt worden. Im Sommer
2012 ist im Auftrag des Bundesverbandes für Kindertagespflege eine
Studie von Sell und Kukula vorgestellt worden. Danach erhalten nach
DJI-Standard über 160 Stunden ausgebildete Tagespflegeperson in NRW ein
Durchschnittsstundensatz von 4,07 €, der Bundesdurchschnitt liegt bei 3,55 € in
den neuen, 3,72 € in den alten Bundesländern. Die Kosten der Ausbildung
übernehmen wie in Meerbusch aber nur 25% der Kommunen.
Im Rahmen einer Umfrage hat die Stadt die aktuelle Vergütung, Stand Mai 2013, von Nachbarstädten erfragt. Die nachstehende Tabelle weist zum Vergleich den Sachaufwand und Förderleistung bei einer Betreuungsleistung von 40 Std./Woche in absteigender Reihenfolge aus.
|
Monatliche Zahlung |
Monatliche Zahlung |
Zuzahlung |
Vergütung bei Betreuung durch Kinderfrau
oder nahen Verwandten |
Vergütung bei Urlaub- und Krankheitszeiten |
Stadt Dortmund |
520,00 € |
782,68 € |
untersagt |
keine Angabe |
keine Angabe |
Stadt Monheim |
|
Sachleistung 1,80 €/Std./Kind |
untersagt |
Kinderfrauen nicht aufgeführt, |
Urlaub bis zu 25 Kalendertage / Jahr |
Stadt Neuss |
695,68 € |
782,64 € |
untersagt |
keine Angabe |
keine Angabe |
Stadt Ratingen |
520,00 € |
763,00 € |
|
Kinderfrau |
Urlaub oder Krankheit von bis zu 30 Tagen
im Jahr |
|
Monatliche Zahlung |
Monatliche Zahlung |
Zuzahlung |
Vergütung bei Betreuung durch Kinderfrau
oder nahen Verwandten |
Vergütung bei Urlaub- und Krankheitszeiten |
Stadt Willich |
434,80 € |
730,46 € |
|
Kinderfrau - wie Tagesmutter, |
Urlaub - 30 Tage / Jahr |
Stadt Düsseldorf |
640,00 € |
720,00 € |
|
Verwandtenbetreuung 400 €, |
keine Angabe |
Stadt Meerbusch |
435,00 € |
696,00 € |
|
keine Unterscheidung |
Urlaub und Erkrankung |
Rhein-Kreis Neuss |
688,00 € |
|
keine Angabe |
6 Wochen Urlaub / Jahr |
|
Stadt |
573,94 € |
660,90 € |
|
keine Angabe |
keine Angabe |
Stadt Kaarst |
583,11 € |
629,33 € |
|
Kinderfrau |
Urlaub bzw. Krankheit |
Stadt Grevenbroich |
552,00 € |
621,00 € |
|
keine Kinderfrauen, |
Vergütung von Ausfallzeiten bis zu max. 6
Wochen / Jahr |
Stadt Dormagen |
450,00 € |
500,00 € |
untersagt |
Kinderfrauen nicht aufgeführt, |
Urlaub 4 Wochen |
Im Durchschnitt aller befragten Kommunen liegt die Vergütung an Tagespflegepersonen mit Aufbauqualifikation bei 4,005 €/Std./Kind, mit Grundqualifikation bei 3,109 €/Std./Kind (ohne RK Neuss und Monheim). Innerhalb des Rhein-Kreises Neuss zahlt nur die Stadt Neuss eine höhere Vergütung als die Stadt Meerbusch.
Private Zuzahlungen durch Eltern untersagen heute bereits die Städte Dortmund, Dormagen, Monheim und Neuss.
Im Gegensatz zu dem Modell der privatrechtlichen Einflussnahme der
Städte Dortmund und Dormagen,
hat die Stadt Monheim in Zusammenarbeit mit dem Landesjugendamt eine
öffentlich-rechtliche Satzungslösung entwickelt, die seit dem 1.1.2013 in Kraft
ist.
Mit Hilfe dieser Satzung gestaltet die Stadt als Satzungsgeberin die
Rahmenbedingungen, innerhalb derer die selbständig tätige Tagespflegeperson
öffentlich geförderte Betreuungsverhältnisse begründen kann, sofern sie die
nach § 23 Abs. IIa SGB VIII „leistungsgerechte“ Entlohnung seitens der Stadt
erhalten möchte. Naturgemäß bedeutet das im Umkehrschluss nicht, dass eine
Tagespflegeperson mit Blick auf die Wahlfreiheit der Eltern nach § 5 Abs. I SGB
VIII nicht auch rein privatrechtlich innerhalb des Stadtgebietes tätig werden
könnte, losgelöst von besagten SGB-Leistungen.
Damit erreicht die Stadt das Ziel, mittels Satzung die nach §§ 90 ff.
SGB VIII fälligen Beiträge sozialverträglich zu deckeln und zu verhindern, dass
im Bereich öffentlicher Förderung privatrechtlich weitere Zuzahlungen von
Eltern abverlangt werden können. Damit wird die Beitragsstabilität gesichert
und der Ausschluss zahlungsschwacher Eltern von der öffentlichen Tagespflege
verhindert.
In keiner der Kommunen – Dortmund, Dormagen, Monheim und Neuss – hat die Untersagung dazu geführt, dass sich Tagespflegepersonen aus der öffentlich-finanzierten Tagespflege zurückgezogen haben.
Für die Stadt Meerbusch schlägt
die Unterzeichnerin ebenfalls den Erlass einer Satzung gem.
Anlage 1 vor, in der u.a. auch die Zuzahlung untersagt wird.
Anlässlich der vorgeschlagenen satzungsrechtlichen Regelung zum Verbot
einer Zuzahlung einerseits und dem Ergebnis der Abfrage der Vergütungshöhe bei
Nachbarkommunen anderseits stellt sich die Überlegung, die zuletzt zum
1.01.2010 erfolgte Festsetzung des Stundensatzes auf 2,50 € bzw.
4,00 € anzupassen.
Vorgeschlagen wird eine Erhöhung auf 2,70 € für Tagespflegepersonen mit
Grundqualifizierung und 4,20 € mit Weiterqualifizierung; des Weiteren sollte
eine Differenzierung erfolgen für Kinderfrauen bzw. Verwandtenbetreuung.
Die Verwaltung schlägt folgende monatlichen Beträge für die Erstattung
des Sachaufwandes und der Förderleistung vor:
|
Kinderfrauen / Verwandtenbetreuung |
Kinderfrauen / Verwandtenbetreuung |
Grund-qualifizierung |
Aufbau-qualifizierung |
5 bis 10 Wstd. |
78,00 € |
122,00 € |
117,00 € |
183,00 € |
bis 15 Wstd. |
117,00 € |
183,00 € |
176,00 € |
274,00 € |
bis 20 Wstd. |
157,00 € |
243,00 € |
235,00 € |
365,00 € |
bis 25 Wstd. |
196,00 € |
304,00 € |
293,00 € |
457,00 € |
bis 30 Wstd. |
235,00 € |
365,00 € |
352,00 € |
548,00 € |
bis 35 Wstd. |
274,00 € |
426,00 € |
411,00 € |
639,00 € |
bis 40 Wstd. |
313,00 € |
487,00 € |
470,00 € |
730,00 € |
bis 45 Wstd. |
352,00 € |
548,00 € |
528,00 € |
822,00 € |
Die Vorstellungen der Verwaltung
wurden dem Verein für Tagesmütter e.V. in einem Termin am
16. Mai 2013 erläutert. Die Vereinsvorsitzende und Geschäftsführerin hatten zum
Gespräch auch Tagesmütter mitgebracht, die ihr Bestreben nach einer deutlichen
Erhöhung der städt. Zahlungen auch im Hinblick darauf, dass die angebotenen
Plätze nicht regelmäßig auch entsprechend dem angebotenen Betreuungsumfang
besetzt seien, darstellten. Die Unterzeichnerin ist mit dem Verein so
verblieben, dass dieser eine Stellungnahme abgibt, die dem Ausschuss zur
Beschlussfassung zur Kenntnis gebracht wird. Diese lag zum Zeitpunkt der
Drucklegung noch nicht vor.
Finanzielle
Auswirkung:
Die Erhöhung führt zu Mehrkosten
von rd. 50.000 € jährlich, für das Jahr 2013 bei einer Erhöhung zum 1.08. zu
Mehrkosten von rd. 21.000 €. Nach derzeitigem Stand wird verwaltungsseitig
davon ausgegangen, dass die Mehrkosten für 2013 im Rahmen des Budgets
aufgefangen werden können.