I.
Allgemeines
Mit Urteil vom 18.07.2012 (1 BvL 10/10, BvL 2/11) hat das
Bundesverfassungsgericht entschieden,
dass die Regelungen in Form der Geldleistungen nach dem
Asylbewerberleistungsgesetz mit dem Grundrecht auf Gewährleistung eines
menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art.
20 Abs. 1 GG unvereinbar sind. Trotz erheblicher Preissteigerungen in
Deutschland wurden die Geldleistungen seit 1993 nicht verändert und sind daher
vom Gericht als evident unzureichend eingestuft worden.
Der Bundesgesetzgeber ist damit verpflichtet, unverzüglich für den
Anwendungsbereich des AsylbLG eine Neuregelung zur Sicherung des
menschenwürdigen Existenzminimums zu schaffen. Bis zum Inkrafttreten dieser
neuen Regelung hat das Bundesverfassungsgericht eine Übergangsregelung
getroffen, die auf das Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz des Sozialgesetzbuches
zurückgreift.
Die Umsetzung der Übergangsregelung ist für die Gemeinden zwingend und
erfolgt für die Leistungszeiträume ab 01. August 2012. Darüber hinaus wurde für
den Leistungszeitraum ab Januar 2011 eine Rückwirkung ausschließlich für die
Fälle vorgegeben, in denen Bescheide über Grundleistungen für den Zeitraum ab
01.01.2011 noch nicht bestandskräftig geworden sind.
II.
Änderungen
Grundsätzlich kennt das derzeit gültige Asylbewerberleistungsgesetz
zwei Gruppen von Leistungsempfängern. Zum einen die Bezieher von
Grundleistungen nach § 3 AsylbLG und zum anderen die Bezieher der so genannten
Analogleistungen nach dem SGB XII gemäß § 2 AsylbLG.
Voraussetzung für den Bezug der Analogleistungen ist ein 48-monatiger
Bezug von Grundleistungen und der Ausschluss einer rechtsmissbräuchlichen
Beeinflussung des bisherigen Aufenthaltes durch den Leistungsbezieher. Die
Bezieher der höheren Analogleistungen sind von dem Urteil des
Bundesverfassungsgerichts nicht betroffen, da sie bereits Leistungen in
entsprechender Höhe des SGB XII erhalten.
Den Beziehern von Grundleistungen nach § 3 AsylbLG
können im Rahmen der Leistungsgewährung, bis auf den Barbetrag (Taschengeld) in
Höhe von 40,90 €, Sachleistungen gewährt werden.
Der Rat der Stadt
Meerbusch hat im Jahr 1997 aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung
beschlossen, die Grundleistungen nach § 3 AsylbLG insgesamt in Form von
Geldleistungen auszuzahlen.
Nachstehend aufgeführt sind die bis Juli 2012 geltenden Regelsätze:
Regelsätze |
Geld- bzw. Sach-leistung |
Barbetrag |
Gesamt |
Haushaltsvorstand |
184,07 € |
40,90 € |
224,97 € |
Haushaltsang.
ab 14 |
158,50 € |
40,90 € |
199,40 € |
7 - 13 |
158,50 € |
20,45 € |
178,95 € |
0 - 6 |
112,48 € |
20,45 € |
132,93 € |
Bis zum Erlass einer gesetzlichen
Neuregelung hat das BVerfG eine Übergangsregelung getroffen, nach der die
Grundleistungen in Anlehnung an das Regelbedarfs-Ermittlungsgesetzes (RBEG) zu
bemessen sind. Dabei finden folgende Verbrauchsausgaben Berücksichtigung:
Abteilung 1 |
Nahrungsmittel,
alkoholfreie Getränke |
Abteilung 3 |
Bekleidung
und Schule |
Abteilung 4 |
Wohnen,
Energie und Wohnungsinstandhaltung |
Abteilung 5 |
Innenausstattung,
Haushaltsgeräte und -gegenstände |
Abteilung 6 |
Gesundheitspflege |
Abteilung 7 |
Verkehr |
Abteilung 8 |
Nachrichtenübermittlung |
Abteilung 9 |
Freizeit,
Unterhaltung, Kultur |
Abteilung
10 |
Bildung |
Abteilung
11 |
Beherbergungs-
und Gaststättendienstleistungen |
Abteilung
12 |
Andere
Waren und Dienstleistungen |
Anders als im Regelbedarf in der Sozialhilfe
sind die Bedarfe der Abt. 5 - Innenausstattung, Haushaltsgeräte und
-gegenstände - nicht berücksichtigt worden, da der Hausrat nach § 3 AsylbLG
nicht zu den Grundleistungen gehört, sondern wie Unterkunft und Heizung
zusätzlich zu gewähren ist. Ebenso wurde festgestellt, dass Leistungen im
Rahmen des AsylbLG (außer dem Barbetrag) grundsätzlich weiterhin als
Sachleistungen gewährt werden können. Leistungen, die als Sachleistungen
erbracht werden, bleiben bei der Berechnung der Geldleistungen
unberücksichtigt.
Zur Bestimmung der Höhe der Geldbeträge des
§ 3 AsylbLG trennt das Bundesverfassungsgericht die Leistungen zur Sicherung
des physischen Existenzminimums (vgl. § 3 Abs.2 Satz 2 AsylbLG) von den
Leistungen zur Sicherung des soziokulturellen Existenzminimums (vgl. § 3 Abs 1
Satz 4 AsylbLG).
Die Leistungen zur Sicherung des
soziokulturellen Existenzminimums (Abteilungen 7 - Verkehr, 8 –
Nachrichtenübermittlung, 9 – Freizeit, Unterhaltung, Kultur, 10 – Bildung, 11 –
Beherbergungs- und Gaststättendienstleistung und 12 – andere Waren und
Dienstleistungen) sind entsprechend des bisherigen Betrages zur Deckung
persönlicher Bedürfnisse des täglichen Lebens (sogenanntes Taschengeld)
weiterhin grundsätzlich als Geldbetrag auszuzahlen.
Wurden
im Bereich der Leistungen zur Sicherung des physischen Existenzminimums
(Abteilungen 1 – Nahrungsmittel, alkoholfreie Getränke, 3 – Bekleidung, Schuhe,
4 – Wohnen, Energie, Wohninstandhaltung und 6 – Gesundheitspflege) bisher
Sachleistungen gewährt, ist eine Weitergewährung in Sachleistungsform
grundsätzlich zulässig, es können aber auch weiterhin Geldleistungen gewährt
werden.
Zudem sind künftig anstelle der in § 3 AsylbLG genannten Personenkreise
die Regelbedarfsstufen 1 bis 6 des Gesetzes zur Ermittlung der Regelbedarfe
entsprechend anzuwenden. Die zukünftig zu gewährenden Regelsätze stellen sich
demnach wie folgt dar:
Regelbedarfsstufen |
Soziokulturelles Existenzminimum /
Barbetrag |
Physisches Existenzminimum |
Gesamt |
bisheriger
Regelsatz |
Erhöhung |
1 Haushaltsvorstand |
134,00 € |
212,00 € |
346,00 € |
224,97 € |
121,03 € = ca. 54% |
2 Partner |
120,00 € |
191,00 € |
311,00 € |
199,40 € |
111,60 € = ca. 56 % |
3
ohne Haushalt |
107,00 € |
170,00 € |
277,00 € |
199,40 € |
77,60 € = ca. 39 % |
4 15 – 17 J. |
79,00 € |
192,00 € |
271,00 € |
199,40 € |
71,60 € = ca. 36 % |
5 7 – 14 J. |
86,00 € |
152,00 € |
238,00 € |
178,95 € |
59,05 € = ca. 33 % |
6 0 - 6
J. |
78,00 € |
127,00 € |
205,00 € |
132,93 |
72,07 € = ca. 54 % |
III. Auswirkungen
Derzeit
beziehen in der Stadt Meerbusch rd. 70 Personen Grundleistungen nach § 3
AsylbLG. Diese sind überwiegend in den städt. Übergangswohnheimen in
Meerbusch-Büderich, Cranachstr.2 und in Meerbusch-Lank, Am Heidbergdamm 2
untergebracht. Die dort gewährten Sachleistungen wie Strom,
Instandhaltungskosten werden von den jeweiligen Regelsätzen in Abzug gebracht.
Auf der Grundlage der sich derzeit in Leistung befindlichen Personenzahl von 70
Personen ist von monatlichen Mehrkosten in Höhe von ca. 7.000 € auszugehen.
Erstmalig
werden die erhöhten Regelsätze mit den Leistungen für September 2012 (einschl.
einer Nachzahlung für den August 2012) ausgezahlt.
Für
die rückwirkenden Zahlungen bis 01.01.2012 muss jeder Leistungsfall einer
Einzelfallprüfung unterzogen werden, da eine Nachzahlung nur erfolgt, wenn kein
bestandskräftiger Bescheid für den entsprechenden Monat vorliegt. Die hierfür
anfallenden Mehrkosten können aus diesem Grund noch nicht eingeschätzt werden.
IV. Erstattung der Mehrkosten
Die
Gemeinden erhalten für die gewährten Leistungen nach dem
Asylbewerberleistungsgesetz einschließlich Unterbringung und Betreuung eine
pauschale Landeszuweisung auf der Grundlage des Gesetzes über die Zuweisung und
Aufnahme ausländischer Flüchtlinge (FlüAG). Die Pauschale wird jährlich
angepasst und betrug für die Stadt Meerbusch im Jahr 2012: 159.464 €.
Auf
Grund der durch das Bundesverfassungsgericht festgelegten Übergangsregelung
entstehenden Mehrkosten ist das Innenministerium des Landes NRW derzeit bemüht
für künftige Abrechnungszeiträume eine Anpassung der Pauschale zu erreichen.
In Vertretung
gez.
Angelika Mielke-Westerlage
Erste Beigeordnete