„Immer weniger Sozialwohnungen, drastisch steigende Baukosten und eine hohe Nachfrage sind eine gefährliche Mischung“, sagte Städtetags-Präsident und Oberbürgermeister von Münster, Markus Lewe (CDU), laut Mitteilung. „Der Wohnungsbau legt gerade eine Vollbremsung hin, weil es sich derzeit für niemanden rechnet, neue Häuser oder Wohnungen zu bauen.“

 

Mit Neubau allein ließe sich das Problem des Wohnraummangels nicht lösen, auch Bestandswohnungen müssten in den Blick genommen werden. Laut Städtetag leben etwa 15 Prozent der Menschen in Städten in zu kleinen, überbelegten Wohnungen. Gleichzeitig leben vor allem ältere Menschen in sehr großen Wohnungen. Für sie lohne sich ein Tausch mit neuen Mietverträgen nicht. Hier müssten neue innovative Instrumente her.

 

Wohnen gehört zu den entscheidenden sozialen und materiellen Grundbedürfnissen menschlicher Existenz und nimmt erheblichen Einfluss auf die Lebensqualität. Die Unterstützung von Haushalten mit geringem Einkommen, die sich am Markt nicht angemessen mit Wohnraum versorgen können, ist Aufgabe des Sozialstaates. Wesentliche Instrumente der deutschen Wohnungspolitik stellen die soziale Wohnraumförderung und die Gewährung von Wohngeld zur Sicherstellung der Mietzahlungsfähigkeit dar.

 

Von der vorgenannten Problematik ist auch Meerbusch betroffen. Um hier nach Lösungsansätzen und möglichen Strategien zu suchen, wurde von einigen Parteien ein Sonderausschuss zu diesem Themenkreis beantragt. Aktuell stellt sich die Situation in Meerbusch wie folgt dar:

 

In Nordrhein-Westfalen gibt es immer weniger Sozialwohnungen. Der Bestand ist von Ende 2021 bis Ende 2022 um knapp 7.000 auf etwa 435.000 gesunken. Die Gründe hierfür sind vielfältig. Neu bewilligt wurden in 2022 in NRW 3.631 Sozialwohnungen. Das sind 853 weniger als ein Jahr davor. Trotzdem befinden sich damit im bevölkerungsreichsten Bundesland NRW nach Angaben des Landesbauministeriums immer noch 40 Prozent aller bundesweit verfügbaren Sozialwohnungen. Bei Sozialwohnungen sind die Mieten staatlich reguliert. Nur Menschen, bei denen die Behörden einen besonderen Bedarf sehen, dürfen dort wohnen. Das gilt allerdings nur für eine bestimmte Zeit (Bindung), danach können die Wohnungen normal am Markt vermietet werden. Die Dauer dieser Bindung ist in den Ländern unterschiedlich geregelt. In NRW gibt es auch ein Förderangebot der Landesregierung, das die Verlängerung von Bindungen vorsieht. Weil aber in der Vergangenheit zu wenig neu gebaut wurde, schrumpft die Zahl der Sozialwohnungen seit Jahren.

 

Insgesamt gibt es in der Stadt Meerbusch 688 Sozialwohnungen. Diese verteilen sich auf 268 Wohneinheiten in Büderich, 113 Wohneinheiten in Lank, sowie 212 Wohneinheiten in Osterath. Auf Strümp entfallen 89 Wohneinheiten und in Bösinghoven sind es nur 6 Wohneinheiten. Die Einzelaufstellung ist dieser Vorlage in Form einer Tabelle als Anlage beigefügt.

 

Im Jahr 2018 wurden ausschließlich in Lank 18 geförderte Wohnungen gebaut und fertiggestellt. 2019 dann 12 Wohnungen in Osterath und 5 Wohnungen in Büderich. Das Jahr 2020 zeichnete sich dann durch eine deutlich höhere Anzahl an geschaffenen geförderten Wohnungen aus. Dabei wurden in Büderich insgesamt 59 Wohnungen bezugsfertig, in Lank 15 und in Osterath weitere 32. In 2021 wurden 12 Wohnungen und in 2022 dann 17 Wohneinheiten ausschließlich in Osterath fertiggestellt. Im Jahr 2023 wurden 24 Wohnungen in Strümp bezugsfertig. Insgesamt wurden also seit 2018 in Meerbusch 194 geförderte Wohnungen gebaut.

 

Zwar hat die Stadt festgelegt, dass für alle städtischen Grundstücke, auf denen es um die Schaffung von Wohnraum geht, ab 20 Wohneinheiten eine Quote von mindestens 30% für den Anteil von sozialem Wohnraum einzuhalten ist, ansonsten ist die Einflussnahme aber relativ begrenzt, da sich Bauherren finden müssen die daran Interesse haben, in diesem Segment zu bauen. Das ist momentan relativ schwierig, da enorm gestiegene Baukosten gegenüber relativ niedrigen Mieteinnahmen im geförderten Wohnungsbau stehen. Die Mietenobergrenzen haben sich aufgrund der Preisbindung seit 2011 nur geringfügig erhöht und liegen mit 6,50 €/m² in Meerbusch (Mietniveau 4) deutlich unterhalb von frei finanzierten Angeboten. Das macht den sozialen Wohnungsbau aktuell ziemlich unattraktiv für Investoren. Zudem werden freie Baulandflächen gerade in Ballungsräumen immer knapper und teurer. Hier werden jedoch mittlerweile auch andere Konzepte - wie z.B. die Aufstockung von Gebäuden – verfolgt.

 

In Planung befinden sich im Bereich des geförderten Wohnraumes in Meerbusch aktuell noch der Kalverdonk und das Areal Böhler II, wobei hier noch keine konkreten Zahlen über die Anzahl der geförderten Wohnungen benannt werden können. Für Lank sind im Rahmen der Richtlinie zur Förderung der Modernisierung von Wohnraum 48 Wohneinheiten geplant und für Büderich ca. 60 Wohnungen.

 

Absehbar wird jedoch ein deutlich höherer Bedarf an preisgünstigem Wohnraum in den nächsten Jahren gegeben sein, als die bis jetzt in Planung befindlichen Angebote abdecken können.

 

Neben den Leistungsberechtigten nach dem SGB II (Grundsicherung für Arbeitssuchende) und nach dem 3. und 4. Kapitel des SGB XII (Hilfe zum Lebensunterhalt, Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung) sind auch die Wohngeldempfänger zum unmittelbaren Kreis der Bedarfsträger für sozial geförderten Wohnraum zu nennen. Unter Berücksichtigung der angestiegenen Mieten in jüngster Vergangenheit bei gleichzeitiger Stagnation der Einkommen, ist allerdings davon auszugehen, dass darüber hinaus noch erheblich mehr Haushalte Probleme haben dürften, angemessenen und gleichzeitig bezahlbaren Wohnraum zu finden.

 

Laut Wohnungsmarktbericht der NRW Bank für 2022 werden wie in den Vorjahren für Geflüchteten und Asylberechtigten überwiegend schlechte bis sehr schlechte Chancen attestiert, sich mit adäquatem und bezahlbarem Wohnraum zu versorgen. Viele Haushalte leben trotz Anerkennung ihres Flüchtlingsstatus noch als „Fehlbeleger“ in Sammelunterkünften. Des Weiteren werden zum ersten Mal seit mehreren Jahren die Chancen für Rollstuhlnutzer und ältere Menschen sehr unterschiedlich von den Experten eingeschätzt. Während es die Rollstuhlnutzer auf dem Wohnungsmarkt besonders schwer haben, gelingt es älteren Menschen nach Einschätzung der Experten leichter eine – zumindest barrierearme – Wohnung zu finden.

 

Ähnlich schwierig wie im Vorjahr wird die Situation von Familien mit mehreren Kindern eingeschätzt. Auch hier sehen über 70 Prozent der befragten Fachleute schlechte Chancen, eine angemessene Wohnung zu finden. Das kann ein Indiz dafür sein, dass nicht genug bezahlbare große Wohnungen vorhanden sind beziehungsweise neu gebaut werden. Tatsächlich zeigt die Bautätigkeitsstatistik, dass Neubauwohnungen im Mittel kleiner werden. Als unverändert schlecht stufen die Fachleute auch die Versorgungschancen von Haushalten ein, die über ein niedriges Einkommen verfügen.

 

Einen auf Meerbusch runter gebrochenen Wohnungsmarktbericht der NRW Bank ist ebenfalls als Anlage zur Vorlage beigefügt.

 

Aktuell sind in Meerbusch 203 anerkannte Flüchtlinge in den Unterkünften, die dort nicht mehr wohnen müssten, weil sie in regulären Wohnraum umziehen könnten. All diese Personen haben grundsätzlich einen Anspruch auf einen Wohnberechtigungsschein, sofern sie nicht einer Erwerbstätigkeit nachgehen und über ausreichendes Einkommen verfügen. Erschwerend kommt bei den Flüchtlingen hinzu, dass die allermeisten eine dreijährige Wohnsitzauflage für Meerbusch haben und somit darauf angewiesen sind, hier vor Ort eine Wohnung zu finden. Dies gestaltet sich besonders für große Familien sehr schwierig, da es gerade an großen Wohnungen fehlt.

 

Grundsätzlich haben außerdem alle Transferleistungsbezieher einen Anspruch auf einen Wohnberechtigungsschein und damit auch auf geförderten Wohnraum. Im Zeitraum vom 01.08.2022 – 31.07.2023 wurden 257 Wohnberechtigungsscheine in Meerbusch beantragt. Davon haben 165 Haushalte keine Wohnung gefunden bzw. sind nicht umgezogen. Diese Zahlen sind jedoch nicht valide, da ein Wohnberechtigungsschein NRW-weit beantragt werden kann und auch NRW-weit eingesetzt werden kann. Heißt in der Praxis, dass ein in Meerbusch beantragter WBS in Wuppertal eingesetzt werden kann und ein in Moers beantragten WBS in Meerbusch zum Einsatz kommen kann. Das kann nicht nachvollzogen werden.

 

Hinzu kommt die Frage der Altersarmut, die gerade für Meerbusch schwer zu beantworten ist. Auf der einen Seite ist Meerbusch in statistischen Durchschnitt eine der reichsten Gemeinden in NRW und damit ist natürlich auch ein Teil der Senioren betuchter. Andererseits jedoch sinkt das Rentenniveau immer noch ab. Das trifft insbesondere die Geringverdiener. Außerdem geht jetzt die Generation in Rente, für die das Jobcenter keine Rentenbeiträge mehr abgeführt hat, so dass dort eine Rentenlücke besteht. Dies führt ebenfalls zu einem geringen Rentenanspruch. Durch die Einführung der Grundrente hat es bisher keine entscheidenden Entlastungen gegeben. Eigenen Berechnungen zur Folge, betrug in Meerbusch das Durchschnittsalter im Jahre 2021 45,3 Jahre, somit liegt es merklich über dem für das Land NRW ermittelten Durchschnittswert.

 

Damit sind in Meerbusch neben den Flüchtlingen (hier insbesondere alleinstehende Männer und Großfamilien), den Transferleistungsbeziehern auch die Senioren eine Gruppe, die auf preisgünstigen Wohnraum angewiesen ist. Dabei ist es von eminenter Wichtigkeit einen bedarfsorientierten geförderten Wohnungsbau zu betreiben. In Meerbusch fehlt es zum Beispiel deutlich an geeigneten Wohnungen für Großfamilien sowie an bezahlbaren, seniorengerechten, barrierearmen Wohnungen (ggf. mit Service) nach dem Beispiel Paul-Klee-Straße.

 

Ein klug konstruierter öffentlicher Wohnungsbau fördert sozial ausgewogene Wohnquartiere und verhindert so Segregation. Er schließt ebenso den Bau der notwendigen Infrastruktur ein und zielt darauf ab, Städte für alle Menschen gleichermaßen lebenswert zu gestalten. Er erzeugt also keine sozialen Ghettos, wie es im sozialen Wohnungsbau der 1970er Jahre üblich war.

 

Die aktuelle Forschung zeigt, dass die positiven Auswirkungen einer gelungenen Wohnraumförderung auf die betroffenen Personen und die Gesamtwirtschaft erheblich sind. Letztlich lohnt sich öffentlicher Wohnungsbau auch für den Staat. Über höheres Wachstum, mehr Beschäftigung und erhöhte Staatseinnahmen finanziert er sich mittel- bis langfristig selbst. Berechnungen auf Basis moderner makroökonomischer Modelle zeigen, dass bereits nach 13 Jahren die öffentlichen Wohnbauinvestitionen fiskalische Überschüsse erzielen würden, die zur Schuldentilgung beitragen könnten. Klug konstruierter öffentlicher Wohnungsbau kann sich also doch für alle Beteiligten lohnen.

 

In der Praxis hat sich diese Einsicht teilweise schon durchgesetzt und in den letzten Jahren sind in vielen deutschen Städten neue Wohnquartiere mit ausgewogener sozialer Mischung entstanden. Häufig diskutiert werden auch immer wieder mögliche „Fehlbelegungen“ von geförderten Wohnungen. Dies ist kein wirkliches Problem, denn häufig sind diese sogar gewollt, um gut funktionierende Nachbarschaften und eine soziale Durchmischung nicht zu zerstören.

 

Die oftmals aktuell propagierten Wohnungstauschbörsen, bei denen ältere Menschen aus ihren großen Wohnungen in kleinere umziehen und somit Platz für Familien schaffen, werden häufig nicht adäquat genutzt. Der „Tausch“ eines alten, oftmals günstigen Mietvertrages für die große Wohnung gegen einen neuen, oftmals teureren Mietvertrag für eine deutlich kleinere Wohnung ist wenig attraktiv. Zudem möchten ältere Menschen meist ihr gewohntes Umfeld und die gewachsene Nachbarschaft nicht verlassen, da sie ihnen Sicherheit und Vertrautheit vermittelt.

 

Den Daten zufolge, die das Land im Rahmen der Sozialberichterstattung bei Kommunen und freien Wohlfahrtsverbänden erhebt, ist die Zahl der Wohnungslosen auch im vergangenen Jahr weiter gestiegen. Im Juni 2020 waren 50.000 Menschen als wohnungslos registriert. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Statistik nur Personen erfasst, die sich in einer Unterbringung befinden oder in Kontakt zu Beratungsstellen der Wohnungshilfen standen. Personen, die unmittelbar von Wohnungslosigkeit bedroht sind, werden ebenso wenig registriert wie Menschen, die ausschließlich auf der Straße leben und keine Hilfe in Anspruch nehmen.

 

Die Bauwirtschaft – insbesondere der Wohnungsbau – zeigte sich von der Pandemie lange Zeit völlig unbeeindruckt und war 2020 und 2021 eine wichtige Stütze der Konjunktur. Der Wohnungsneubau erreichte 2020 und 2021 Rekordergebnisse. Der Schwerpunkt lag im Geschosswohnungsbau, insbesondere bei kleineren Wohnungen, und im geförderten Mietwohnungsbau. Allerdings haben sich die Rahmenbedingungen für Investitionen in den Wohnungsbau in 2022 deutlich verschlechtert. Unter den Folgen eingeschränkter Lieferketten, Preissteigerungen in allen Bereichen, Verzögerungen bei Bauprojekten und der Rezessionserwartung leidet auch das Investitionsklima. Insgesamt ist damit die Suche nach bezahlbarem Wohnraum nicht einfacher geworden: Die Angebotsmieten setzten auch in den Corona-Jahren ihren Anstieg fort. Hinzu kommt: Haushalte, die von Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit betroffen waren, dürften spürbare Einkommenseinbußen erlitten haben. Auch war die Wohnraumversorgung von Geflüchteten, Rollstuhlnutzern oder großen Familien nach wie vor schwierig – und das bereits vor der Ankunft der ersten Geflüchteten aus der Ukraine im Jahr 2022, was die angespannte Situation zusätzlich verschärft hat. Die Wohnungslosigkeit ist erneut gestiegen. Bereits seit Ende 2021 verteuern sich die Energiepreise und damit die Strom- und Heizkosten auch für diejenigen Haushalte, die nicht umziehen. Hier gilt es geeignete, zielführende Strategien und Lösungsansätze zu finden und zu entwickeln.

 


In Vertretung

 

gez.

 

Peter Annacker

Dezernent