Betreff
Erarbeitung einer Innenentwicklungsstrategie, hier: Bausteine und weiteres Verfahren
Vorlage
FB4/0627/2023
Art
Informationsvorlage

Sachverhalt:

 

 

Historie zur Vorlage:

 

-      FB4/0624/2017: Integriertes Stadtentwicklungskonzept Meerbusch 2030 Beschluss über das Räumliche Leitbild und die Strategischen Leitlinien

(Mehrheitlicher Beschluss im HFWA und APL vom 22. Juni 2017 und Rat vom 29. Juni 2017)

-      FB6/0621/2017: Aktive Grundstückspolitik zur Entwicklung von Siedlungsflächen

(Mehrheitlicher Beschluss im HFWA und APL vom 22. Juni 2017 und Rat vom 29. Juni 2017)

-      FB4/0742/2018: Wohnbaulandentwicklung Meerbusch 2030 – Wohnraumbedarfsanalyse Meerbusch und vorausschauende Baulandentwicklung

(Auf der Tagesordnung im HFWA und APL vom 15. Februar 2018 (Vorberatung), Rat vom 22. Februar 2018 (Zurückstellung), HFWA und APL vom 17. April 2018 (Vorberatung und Rat vom 26. April 2018 (Mehrheitlicher Beschluss + unterschiedliche Anträge)

-      FB4/1542/2022: Bürgerantrag nach § 24 GO NRW vom 28. März 2022 bzgl. Baulandkataster und Standortprüfung

(Mehrheitlicher Beschluss im APL vom 22. September 2022)

-      FB4/0610/2023: Fortschreibung Strategiekonzept Wohnen Meerbusch

(Informationsvorlage im APL vom 02. Februar 2023)

 

 

1.   Ausgangslage / Anlass

 

Die im Ausschuss für Planung und Liegenschaften am 02. Februar 2023 vorgestellte Aktualisierung der Fortschreibung des Strategiekonzept Wohnen Meerbusch (vgl. FB4/0610/2023) widmete sich schwerpunktmäßig Potenzialflächen in der Außenentwicklung.

Unter dem Kontext einer nachhaltigen, ressourcenschonenden Siedlungsentwicklung in Meerbusch muss neben der Außenentwicklung insbesondere ein Augenmerkt auf die Aktivierung von Flächenpotenzialen im Innenbereich gelegt werden. Alle durch die Innenentwicklung realisierten Vorhaben reduzieren den Druck auf den Außenbereich und wirken einem weiteren „Flächenfraß“ aktiv entgegen.

 

Die Innenentwicklung nimmt somit einen essenziellen Stellenwert zum sparsamen Umgang mit Grund und Boden ein und bildet damit den zentralen Anhaltspunkt des im Baugesetzbuch (kurz: BauGB) verankerten Vorrangs der Innenentwicklung vor der Außenentwicklung (vgl. § 1 Abs. 5 BauGB). Die Erreichung der Ziele der Bundesregierung in der im Jahr 2016 formulierten Nachhaltigkeitsstrategie mit dem 30-Hektar-Ziel oder auch die Zielsetzungen des Klimaschutzplanes 2050 des Bundes können ohne eine strategische Innenentwicklung kaum erreicht werden.

 

Ein besonderes Gewicht wird der Wohnbaulandaktivierung im Innenbereich auch vor dem Hintergrund der hohen Wohnungsnachfrage in Meerbusch zugeschrieben. Aber auch die Schaffung von Misch- und Gewerbeflächen kann unter Beachtung der planungsrechtlichen Zulässigkeit im Innenbereich ermöglicht werden. Generell sind sämtliche Möglichkeiten der Innenentwicklung auszuschöpfen, indem vorhandene Ressourcen und Potenziale zur Schaffung lebendiger und nutzungsgemischter Wohn- und Versorgungsstandorte samt der vorhandenen Infrastruktur gestärkt und die Neuinanspruchnahme von Flächen begrenzt werden. Die Innenentwicklung leistet hiermit einen wichtigen Beitrag zum Erhalt der biologischen Vielfalt, der Anpassung an den Klimawandel, für eine hohe Lebensqualität und gesunde Umweltbedingungen für die gesamte Stadtgesellschaft.

 

Zu beachten ist dabei, dass Innenentwicklung nicht auf die reine Nachverdichtung beschränkt wird. Innenentwicklung muss immer auch eine qualitative Komponente beinhalten. Gerade wenn die Bebauung enger zusammenrückt, muss ein Vorhaben auch in qualitativer Hinsicht überzeugen. Die (Wohn-) Qualitäten der Quartiere muss erhalten oder sogar verbessert werden. Dies ist auch vor dem Hintergrund wichtig, dass Innenentwicklung nur dann erfolgreich gestaltet werden kann, wenn diese auf eine Akzeptanz in der Bürgerschaft stößt.

 

 

2.   Potenziale und Herausforderungen in der Innenentwicklung

 

Die Vielfalt an Potenzialen in der Innenentwicklung ist sehr hoch. Um zusätzlichen Wohnraum zu schaffen und gleichzeitig Gewerbeflächen in ihrer Auslastung und Nutzung zu optimieren, müssen sämtliche zur Verfügung stehende Potenziale der Innenentwicklung in Anspruch genommen werden. Das Ziel muss immer die optimale Ausnutzung entsprechender Bau- und Grundstücksflächen vor dem Hintergrund einer nachhaltigen, klimaschonenden Stadtentwicklung sein.

 

Grundsätzlich lassen sich die folgenden Innenentwicklungspotenziale festhalten:

 

Baulücken (Definition: Entwicklung kurzfristig möglich, da Planungsrecht vorhanden)

Hinterliegerbebauung (Schaffung von Planungsrecht erforderlich)

Umnutzung von Hofstellen u.a. ortsbildprägenden Gebäuden

Transformation (Um- und Nachnutzung von sonstigen untergenutzten Gebäuden und Flächen)

Gebäudeaufstockung / Dachausbauten / Anbauten

Beseitigung von Leerständen

Erhalt bestehenden Wohnraums (Verhinderung von Zweckentfremdung)

 

Als bedeutende planerische Leitbilder müssen in diesem Kontext die doppelte und dreifache Innenentwicklung erwähnt werden. Die doppelte Innenentwicklung fokussiert sich darauf, Flächenpotenziale im Innenbereich baulich sinnvoll zu nutzen und Freiflächen zu erhalten bzw. qualifizieren.

Bei der dreifachen Innenentwicklung wird die doppelte Innenentwicklung um die räumliche Dimension der Mobilität erweitert. Im Zentrum steht hier „die Frage, wie Mobilität, Grün- und Freiflächen und das Bauen gemeinsam qualifiziert werden können, um eine hohe Lebensqualität für alle Stadtbewohner*innen zu erreichen.“ [1]

 

Die Innenentwicklung ist ein etabliertes Instrument in der Stadtplanung, speziell, wenn Vorhaben kurzfristig auf Basis des bestehenden Baurechts bzw. durch den § 34 BauGB realisiert werden können. Allerdings sind derartige Potenziale zunehmend rar und die damit einhergehenden Herausforderungen der Aktivierung umso größer. Hierzu zählt, dass sich Vorhaben der Innenentwicklung präzise und sensible in die Bestandsstrukturen einfügen müssen. Über das Bau- und Planungsrecht sind oftmals komplexe Fragestellungen zu klären. Dies betrifft beispielsweise Lösungen für die Erschließung und Versorgung zu finden, die Planung den immissionsschutzrechtlichen Gegebenheiten anzupassen oder auch den naturschutzrechtlichen Ausgleich zu ermöglichen. Daneben steht die Gewinnung und Überzeugung der privaten Eigentümer*innen / Investoren zur Aktivierung möglicher Innenentwicklungspotenziale im Vordergrund. Bei jedem Einzelvorhaben ist die Verkaufs- und Mitwirkungsbereitschaft der jeweiligen Grundstückseigentümer*innen abzuklären. Gleiches gilt für mögliche Gebäudeaufstockungen.

 

Eine Innenentwicklung bedeutet oftmals auch das Auftreten von Interessenskonflikten, die durch Widerstände in der Nachbarschaft oder von sonstigen bürgerschaftlichen Gruppen charakterisiert sind. Die Herausforderung für die Stadt Meerbusch ist es hierbei, die Akzeptanz in der Bürgerschaft und die politische Zustimmung für Vorhaben in der Innenentwicklung zu stärken. Das Beispiel der geplanten Innenentwicklung zwischen Gonellastraße, Pfarrstraße, Fronhofstraße und Rilkestraße in Meerbusch-Lank-Latum (Bebauungsplan Nr. 301) hat das Auftreten derartiger Widerstände auch in Meerbusch verdeutlicht und letztlich zum Scheitern der städtebaulichen Planung geführt.

 

Die vorangegangene Beschreibung der Herausforderungen zeigt, dass die vielfältigen Aufgaben der Innenentwicklung arbeitsintensiv sind und einer starken verwaltungsseitigen Ressourcensteuerung bedürfen.

 

 

3.   Bausteine und weiteres Verfahren

 

 

Baustein 1 | Potenzialflächenermittlung im Innenbereich

 

Die systematische Bestandserfassung aller Innenentwicklungspotenziale stellt die Basis für ein strategisches Arbeiten dar. Die Stadt Meerbusch identifiziert bereits im Auftrag des Landes im Rahmen des Siedlungsflächen-Monitorings auf Basis einer GIS-gestützten Erhebung sämtliche Flächenreserven wie Baulücken und ungeplante Bereich. Hierzu zählen auch Informationen über Flächenreserven in Bebauungsplänen (B-Plänen), dem Flächennutzungsplan (FNP) und dem Regionalplan (RPD). Gleichwohl kann eine Vielzahl der Innenentwicklungspotenziale (siehe Tabelle unter 2.) bislang nicht hinsichtlich ihres Umfangs benannt werden.

Im Ergebnis stehen der Stadtverwaltung somit kontinuierlich Informationen über mögliche Flächenreserven aber auch bereits getätigten Inanspruchnahmen im Stadtgebiet zur Verfügung, die den Grundstock des in Bearbeitung befindlichen Baulückenkatasters bilden. Über ein laufendes Monitoring werden diese Potenziale regelmäßig auf ihre Aktualität überprüft.

 

Bei der Potenzialflächenermittlung darf jedoch nicht der hohe Zeit- und Arbeitsaufwand unerwähnt bleiben. So ist beispielsweise die Erhebung von Aufstockungspotenzialen zu nennen, in dessen Rahmen neben der planungsrechtlichen Beurteilung eine bauordnungsrechtliche Einzelfallprüfung notwendig ist. Auch weitergehende Flächeninformationen sind grundsätzlich zu recherchieren, wie z.B. zur Eigentümerstruktur oder möglichen Flächenrestriktionen. Hier wird die weitere Diskussion um die Innenentwicklungsstrategie zeigen, inwiefern derartige Potenziale unter Berücksichtigung der personellen Kapazitäten der Stadtverwaltung erhoben werden können.

 

 

 

Baustein 2 | Erarbeitungsphase Innenentwicklungsstrategie

 

„Für eine erfolgreiche Innenentwicklung gibt es kein Patentrezept“ [2], so dass einzelfallbezogen auf Basis der jeweiligen Ausgangslage Lösungen gefunden werden müssen. Am Anfang der Erarbeitung einer Innenentwicklungsstrategie steht die Festlegung übergeordneter Ziele, die im laufenden Prozess durch unterschiedliche Wege / Bausteine und unter Anwendung passender planerischer bzw. rechtlicher Instrumente erreicht werden können. Strategisches Arbeiten bedeutet hierbei nicht, dass die Ziele in der Innenentwicklung nur über einen Hauptweg erreicht werden können. So bedarf das Vorgehen im laufenden Prozess stetig einer Evaluierung und möglicherweise Anpassung. Hieraus kann sich die Definition von „Ausweichrouten“ ergeben, sodass man auch bei komplexen Herausforderungen handlungsfähig bleibt.

 

Der Erfolg einer Innenentwicklungsstrategie ist maßgeblich von der Mitbewirkungsbereitschaft aller beteiligten Akteure abhängig. Allen Maßnahmen der Innentwicklung ist gleich, dass sie eine Gemeinschaftsaufgabe von Stadtverwaltung, Kommunalpolitik, Eigentümer*innen, Investoren und weiteren Akteuren der Stadtgesellschaft sind. So muss ein gemeinsamer Weg formuliert werden, wie die Aktivierung von Innenbereichspotenzialen gestärkt werden kann. Ziel ist es, die Akzeptanz und Sensibilisierung gegenüber Bauvorhaben im Innenbereich zu stärken und damit ein aktives Mitwirken innerhalb der Bevölkerung zu forcieren. Nur wenn dies gelingt, können tragfähige und nachhaltige Lösungen unter dem Einsatz passender Werkzeuge für die Innenentwicklung gefunden werden. 

 

 

Baustein 3 | Konzeptphase

 

Unter Berücksichtigung einer vollumfassenden Strategie sind alle im Stadtgebiet identifizierten Potenzialflächen zu betrachten. Hierzu ist das Strategiekonzept „Wohnen Meerbusch“ mit dem Fokus auf Außenbereichsflächen um die neu identifizierten Innenentwicklungspotenziale zu erweitern bzw. zu qualifizieren. Im Ergebnis soll das Konzept einen ganzheitlichen Überblick über alle Flächenpotenziale im Stadtgebiet liefern.

 

Um detaillierter in die Flächendiskussion einsteigen zu können, sind Flächensteckbriefe zu erstellen, die die Grundlage der Innenentwicklungsstrategie darstellen. In diesen Steckbriefen soll sich in Vorbereitung auf das Umsetzungsverfahren verwaltungsübergreifend stärker mit den jeweiligen Flächen im Innen- und Außenbereich auseinandergesetzt werden. Hierzu gehört eine flächenbezogene, vollumfängliche Bewertung hinsichtlich der städtebaulichen, eigentumsrechtlichen, erschließungstechnischen und ökologischen Eignung und Mobilisierbarkeit. In welchem Umfang eine Erstellung der Steckbriefe erfolgen soll, muss die weitergehende Flächendiskussion zeigen.

 

Am Ende dienen die Bewertungsergebnisse als Entscheidungshilfe, um im Dialog zwischen Bevölkerung, Politik und Verwaltung eine Priorisierung der Flächenaktivierung vornehmen zu können.

 

 

Baustein 4 | Umsetzungsphase

 

Die Umsetzungsphase der erarbeiteten Innenentwicklungsstrategie stellt langfristig die größte Herausforderung dar. Grundsätzlich ist die Komplexität der Planung und Abstimmung bei der Innenentwicklung deutlich höher als bei der Außenentwicklung. Im Zuge der Umsetzung besitzt der zielgerichtete Einsatz der planungsrechtlichen Instrumente sowie die Beteiligung- und Mitbewirkungsbereitschaft sämtlicher Schlüsselakteure daher eine hohe Bedeutung.

 

 

Weiteres Verfahren

 

Im nächsten Schritt wird die Verwaltung die Potenzialflächenermittlung weiterbearbeiten und inhaltliche Konkretisierungen zu den Bausteinen einer Innenentwicklungsstrategie vornehmen, die im Dialog mit der Politik weiter ausgearbeitet werden sollen.

 

Nach verwaltungsseitiger Abstimmung, welche Flächen endgültig im Strategiekonzept Wohnen enthalten sein sollen, sowie über die Reihenfolge der Aktivierung ist die Politik über eine Beschlussvorlage erneut einzubinden. Diesbezüglich sind die personellen und finanziellen Ressourcen der Stadt Meerbusch zu berücksichtigen, insbesondere aufgrund der finanziellen Auswirkungen der Baulandentwicklungen und der erforderlichen Koordination der Arbeitsprogramme der Fachbereiche sowie der Haushaltsplanung.

 

Die abschließend festgelegten Flächen bilden, sofern politisch gewollt, dann auch eine weitere Grundlage für eine mögliche Fortschreibung des Flächennutzungsplanes und somit schlussendlich die Basis für eine strategisch optimal ausgerichtete Wohnbauflächenentwicklung der Stadt Meerbusch.

 



[1] Umwelt Bundesamt, 2022. Dreifache Innenentwicklung. Definition, Aufgaben und Chancen für eine umweltorientierte Stadtentwicklung, Seite 5.

[2] Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR), 2019. Strategien der Innenentwicklung, Seite 13.


In Vertretung

 

gez.

 

Andreas Apsel

Erster und Technischer Beigeordneter