Beschlussvorschlag:

 

1.    Der Ausschuss für Planung und Liegenschaften der Stadt Meerbusch nimmt die vorgestellte Vorgehensweise zur Kenntnis.

2.    Der Ausschuss für Planung und Liegenschaften der Stadt Meerbusch stimmt der Erarbeitung des Gestaltungshandbuches „Das Meerbuscher Gestaltungsrezept – Teil 1 Rheingemeinden“ sowie jeweils einer Gestaltungssatzung für jede der drei Rheingemeinden Nierst, Langst-Kierst und Ilverich auf Grundlage der in der Anlage 1 beigefügten Analysepläne zu.

3.    Nach Fertigstellung der Satzungen und ggf. Anpassung vorhandener Gestaltungssatzungen sind gleichartige Erhebungen in weiteren Stadtteilen durchzuführen.

 


Sachverhalt:

 

Kurzzusammenfassung

Durch die steigende Wohnraumnachfrage, die bestehende Flächenknappheit und die hohen Bodenpreise wächst die Bedeutung der Bewahrung des baukulturellen Erbes in Meerbusch. Die städtebauliche Entwicklung der Rheingemeinden Nierst, Langst-Kierst und Ilverich zeigt, wie sehr sich ein Ort verändern kann und wie rasant sich damit der Charakter ändert. In Zeiten, in denen wirtschaftliche Aspekte immer mehr vordergründig zulasten baugestalterischer Aspekte werden, wächst der Blick auf Heimatverbundenheit und Identitätsbildung. Vor diesem Hintergrund wird der Bedarf gesehen, stadtplanerische Instrumente zu nutzen und bspw. Gestaltungssatzungen für die einzelnen Rheingemeinden und/oder ein Gestaltungshandbuch zu erarbeiten.

Eine wesentliche Wirkung der Instrumente wird es sein, maßgebliche Akteure für das Thema Stadtgestaltung zu sensibilisieren und verträgliche architektonische Lösungen zu entwickeln. Das Gesamtbild eines jeden Ortsteils soll bewahrt werden und Alt und Neu sollen miteinander harmonieren. Als Einstieg in die Thematik wurde eine umfassende Bestandsaufnahme der Stadtteile Nierst, Langst-Kierst und Ilverich vorgenommen, um den erhaltenswerten Bestand zu definieren. Auf dieser Grundlage wurde mit Hilfe von historischem Kartenmaterial herausgearbeitet, wo der stadtteilbezogene Ursprung liegt und welche weiteren Entwicklungsphasen es gab. Entscheidend mit Blick auf die Zukunft ist, durch welche baugestalterischen Elemente das bestehende Stadtbild in verträglicher Weise weiterentwickelt werden sollte.

Die Idee des „Meerbuscher Rezeptbuches“ entstand. Dieses basiert auf der These, dass die Einhaltung einiger weniger, wesentlicher Gestaltungskriterien bei gleichzeitig ausreichendem Spielraum für Individualität dazu führt, dass sich ein Baukörper in seine Umgebung einfügt. Wenn die wichtigsten Zutaten stimmen, gelingt der Kuchen. Diese baulichen Hauptkriterien gilt es schriftlich als auch zeichnerisch zu definieren, um den Akteuren eine Hilfestellung zu geben und differenzierte Möglichkeiten für Variationen aufzuzeigen.

Historie zur Vorlage

-      FB4/0454/2021: Information über die inhaltliche und organisatorische Einbettung des Themenbereichs Stadtgestaltung in den FB 4 Stadtplanung und Bauordnung

 

1. Ausgangslage / Anlass

Der Ausschuss für Planung und Liegenschaften der Stadt Meerbusch wurde in seiner Sitzung am 31. Mai 2021 über die inhaltliche und organisatorische Einbettung des Themenbereichs Stadtgestaltung in den FB 4 Stadtplanung und Bauordnung informiert.

Ortsbildprägende Bauwerke, Ensembles, Siedlungsstrukturen und Landschaften schaffen Verbindungen, wirken identitätsstiftend und vermitteln ein Gefühl von Heimat und Wohlbefinden. In einer Zeit voller neuer Herausforderungen rückt die Bedeutung von Baukultur, gerade auch im Zusammenhang mit Stadtgestaltung, vermehrt in den Fokus.

Eine qualitativ hochwertige Stadtgestaltung entspricht neben funktionalen und ökonomischen Anforderungen auch gesellschaftlichen Bedürfnissen. Sie fördert Quartiere und Nachbarschaften, verstärkt die Verbundenheit und Identifikation mit Orten und schafft das Gefühl von Heimat. Fühlt sich der Mensch wohl in seiner Umgebung, wird er diese hüten, werden Nachbarschaften gepflegt, werden solidarische Gemeinschaften gebildet. Diese psychologischen Aspekte scheinen gerade in der heutigen Zeit wichtiger denn je.

Stadtgestaltung im o.g. Sinn entsteht nicht von alleine. Es gibt (ökonomische) Entwicklungen, die eine qualitativ hochwertige Stadtgestaltung beeinträchtigen oder gar verhindern. So haben das Bevölkerungswachstum in Meerbusch, der anhaltende Bau-Boom und die Flächenknappheit mit Auswirkungen auf die Bodenpreise zur Folge, dass immer mehr standardisierte Neubauvorhaben auf kleinen Grundstücken geschaffen werden. Es gibt wenig identifikationsstiftende Momente in Neubaugebieten und einen Mangel an Vielfalt allein im Hinblick auf die ausgewählten Materialien. Aufgrund des hohen Siedlungsdrucks bei entsprechender Flächenknappheit und hohen Bodenpreisen rückt der Aspekt des vermeintlich günstigen Bauens durch private Bauherren als auch Investoren mit Hinweis auf die Wirtschaftlichkeit in den Vordergrund.

Die hohe Nachfrage an bebaubaren Grundstücken in Meerbusch führt zu Verdichtung oder Erweiterung der bebauten Grundfläche der einzelnen Ortsteile. Schaut man sich die städtebauliche Entwicklung der Rheingemeinden vom Ursprung bis heute an, stellt man eine Flächenerweiterung fest, deren Ausbreitung unterschiedliche Bauepochen charakterisieren. Oft sind diese Erweiterungen oder auch Nachverdichtungen geprägt durch typische Bauten der 1950er, 1960er und 1970er Jahren. Einen Großteil bildet aber auch die neuere Bebauung resultierend aus dem Bauboom der letzten 10 Jahre. Die Charakterzüge einzelner Bauepochen fügen sich teilweise ein oder werden als nicht störend wahrgenommen. Es gibt allerdings ebenso Charakterzüge, die als störend wahrgenommen werden, sogar die Nachbarschaft verärgern.

In den Rheingemeinden gibt es potenziell viele Flächen, die ggf. bebaut werden könnten, vor allem wenn der Druck an Wohnbebauung nicht abnehmen will. Das Vorhaben „Wohnbebauung Am oberen Feld“ in Meerbusch-Nierst ist ein gutes Beispiel dafür, was passiert, wenn große Flächen verkauft werden und zuvor landwirtschaftlich betriebene Felder zu Baugrundstücken werden. Für das ca. 20.100 m² große Plangebiet beabsichtigt ein Vorhabenträger nach Abbruch der Hofanlage am Kulenweg 10 die Errichtung von 20 Doppelhäusern mit Erschließungsstraße. Die Nachbarschaft steht den Veränderungen sehr skeptisch gegenüber und fürchtet den Verlust des typischen dörflichen Charakters und vermisst die Übernahme der prägenden baulichen Merkmale bei der geplanten Neubebauung. Ein Konflikt war vorprogrammiert, denn bisher gibt es keine Reglementierung außer dem weitgefassten „Einfügen“ nach § 34 BauGB. So wird ein vorhabenbezogener Bebauungsplan erarbeitet. Wenn es eine Gestaltungssatzung für solche Gebiete geben würde, hätte man von Beginn an alle Akteure bereits über das gewünschte Stadtbild informiert und so das Konfliktpotential minimiert bzw. die Stadt hätte ein rechtliches Instrument für die Durchsetzung der städtebaulichen Ziele.

Um eine verträgliche städtebauliche Entwicklung zu erzielen, die neue Bauprojekte zulässt und dabei das Gesamtbild bewahrt, muss der Ursprung verstanden werden und die identifikationsstiftenden Momente herausgearbeitet werden.

 

2. Herleitung/Herangehensweise

Um eine rechtssichere, begründete Steuerungs- und Lenkungsfunktion zu ermöglichen, bedarf es zunächst einer fachkundigen Analyse zur Herausarbeitung der stadtgestalterischen Aspekte, die das jeweilige Quartier ausmachen, die ortsbildprägend und die sich in geeigneter Weise auch bei neuen Entwicklungen wiederfinden sollen.

Durch die Analyse und die Überlagerung historischer und aktueller Karten wurden Schlüsse bezüglich der Entstehung und der städtebaulichen Entwicklung zunächst von Nierst, Langst-Kierst und Ilverich gezogen. Zudem wurden die wesentlichen baulichen Merkmale erfasst. Daraus resultierend wurde zusammenfassend ein Bereich definiert, in dem sich eine Gestaltungssatzung begründen lässt. Die Erfassung des IST-Zustandes mithilfe von Tabellen und Fotodokumentationen ermöglicht die Klassifizierung der sukzessiven Ortserweiterung. Die baugestalterisch prägenden Merkmale sollen in schriftlicher Form in einer verbindlichen Satzung und/oder empfehlend als Gestaltungsleitlinien und/oder in einem Gestaltungshandbuch festgehalten werden.

 

Konzept

3. Das „Meerbuscher Gestaltungsrezept“/Gestaltungsleitlinien/Gestaltungshandbücher

Wann fügt sich ein Baukörper in seine Umgebung ein? Welche Kriterien sind ausschlaggebend? Und gibt es ein Patentrezept für eine homogene und gleichzeitig lebendige Stadtentwicklung? Im Zuge der Analyse entstand die Idee des „Meerbuscher Rezepts“. Die grundlegende These, auf der das Rezept beruht ist, wenn gewisse Hauptkriterien – Gebäudeplatzierung im Straßenraum, äußeres Maß (Fußabdruck, Geschossigkeit), Dachform, Material und das Fassadenverhältnis von offen und geschlossen – im Entwurf Berücksichtigung finden, fügt sich der Baukörper ein. Diese Hauptkriterien werden herausgearbeitet und schriftlich als auch zeichnerisch verdeutlicht. Die Akteure bekommen so eine klare Vorstellung und Ansatzpunkte für den Entwurf. Gleichzeitig sind individuelle Wünsche nicht ausgeschlossen.

Für definierte Bereiche soll es einen Katalog mit entsprechenden „Zutaten“ bzw. Gestaltungskriterien geben. Von den oben genannten fünf Kriterien, könnte man z.B. drei davon als notwendig betrachten, um den oder die Baukörper verträglich städtebaulich zu integrieren. So würden die Akteure von Beginn an einen Rahmen vorgegeben bekommen, der einer Empfehlung gleichkommt. Der Vorteil wäre hierbei, dass durch die verbildlichten und beschriebenen Kriterien bereits im Vorfeld des Entwurfs ein konkretes Bild entsteht und so Missverständnisse und nachträglicher Unmut vermieden wird. So könnten bspw. drei von fünf Kriterien dringend empfohlen werden, um die städtebaulichen Zielen der verträglichen und behutsamen Weiterentwicklung der Ortsteile in Meerbusch zu erreichen. Dennoch wird Freiraum für die Eigenverwirklichung und Individualität gelassen, sodass ein guter Kompromiss entsteht.

Ziel ist die Sensibilisierung der handelnden Akteure für die Möglichkeiten guten Planens und Bauens als gesellschaftlicher Anspruch für ein lebendiges Meerbusch. Konkreter Ortsbezug und neue Formate der Vermittlung sollen den Planenden helfen, Potentiale besser zu erkennen und eine integrierte sowie nachhaltige Stadtentwicklung durch qualitätsvolles sowie reflektiertes Planen umzusetzen.

Beispielsweise sollen die Gestaltungshilfen eine Basis für die Planung von Bauvorhaben bilden. Diese Empfehlungen enthalten als Ideenquelle bspw. Aussagen über Materialität, Dachformen, Fassaden etc. und unterstützen so einen behutsamen Weiterbau des Bestandes. Solch ein Angebot, das selbst keine Umsetzungspflicht beinhaltet, stellt eine wichtige Hilfestellung für alle Planenden dar, in dem es Ansätze aufzeigt, wie ein Bauvorhaben freiwillig positiv zur Stadtgestalt in Meerbusch beitragen kann. Aktuell schätzt die Stadtgestaltung ein, dass es notwendig wird, stadtteil- oder quartiersbezogen zu differenzieren.

Daran orientiert sollen künftig auch Wettbewerbe, Bebauungspläne und Gestaltungssatzungen gewährleisten, dass bauliche Entwicklungen einen verträglichen und harmonischen Weiterbau der heute schon vorhandenen stadtgestalterischen Qualitäten darstellen. So soll Meerbusch auch in gestalterischer Hinsicht Heimat für die Bewohnerinnen und Bewohner bleiben.

Vor dem Hintergrund der zuvor beschriebenen Rahmenbedingungen können auf Freiwilligkeit setzende Gestaltungshilfen jedoch nur einen Ansatz darstellen. Daher gilt es auch weitere Instrumente zur Anwendung zu bringen, die rechtsverbindlich sind, wie die in Meerbusch bereits erprobten Gestaltungssatzungen, sowie Erhaltungssatzungen.

 

4. Schaffung von rechtlichen Vorgaben durch Aufstellung von Satzungen

Gestaltungssatzungen sind Örtliche Bauvorschriften, können eigenständig erlassen werden oder ergänzen Bebauungspläne hinsichtlich der äußeren Gestaltung von Bauten. Hierbei geht es in erster Linie um das städtebauliche Erscheinungsbild, mit dem Ziel der Bewahrung der orts- und regionaltypischen Bauformen, Maßstäblichkeiten und Materialien. Sie werden aufgrund des § 89 der aktuellen Landesbauordnung NRW erlassen. Sämtliche Inhalte der aufzustellenden Gestaltungssatzung gelten dann für einen genau abgegrenzten Geltungsbereich.

Gestaltungssatzungen/Erhaltungssatzungen können als eigenständige Satzungen erlassen oder in einen Bebauungsplan eingebunden werden. Die Kopplung an einen Bebauungsplan kommt in Betracht, wenn die Erhaltungsziele mit planungsrechtlichen Sicherungen verbunden werden sollen. Die Stadt kann selbst entscheiden, ob sie eine eigenständige Satzung erarbeitet oder diese mit einem Bebauungsplan koppelt. Sofern sich die Stadt für die Aufnahme der Gestaltungs- oder Erhaltungssatzung in einen Bebauungsplan entscheidet, kommt das reguläre Verfahren der Bauleitplanung nach den §§ 2 bis 4c BauGB unter Berücksichtigung der materiellen Anforderungen in den §§ 1, 1a und 8 BauGB zur Anwendung. Wird die Satzung hingegen als eigenständige Satzung aufgestellt, gibt es keine bestimmten Verfahrensvorschriften.

Erhaltungssatzungen nach § 172 BauGB stellen den Rückbau, die Änderung oder die Nutzungsänderung baulicher Anlagen unter Genehmigungsvorbehalt. Diese Form einer Satzung trifft noch keine rechtsverbindlichen Nutzungsregelungen in dem Sinne, dass sie unmittelbaren Handlungsbedarf bei den Eigentümern im Geltungsbereich der Satzung auslösen. Die Satzung wirkt sich auf die Privatpersonen erst in dem Moment aus, in dem Genehmigungsanträge gestellt werden und damit die mögliche Anwendung der Versagungsgründe nach § 172 Abs. 3 BauGB geprüft wird.31 Daher erstreckt sich auch die gerichtliche Kontrolle von Erhaltungssatzungen regelmäßig darauf, ob der Satzung zulässige Erhaltungsgründe i.S.d. § 172 Abs.1 zu Grunde liegen. Fragen des Einzelfalls, z.B. die mögliche unzumutbare Härte für den einzelnen Eigentümer, stellen sich erst auf der Genehmigungsebene und sind im Aufstellungsprozess nicht abwägend zu berücksichtigen. Gemäß § 172 Abs.1 S. 3 BauGB ist die Satzung ortsüblich bekannt zu machen. Die Bekanntmachung muss eine Anstoß- und Warnfunktion erfüllen, indem sie die Eigentümer darauf hinweist, dass sie vom Geltungsbereich der Satzung erfasst werden

In Meerbusch sollen die einzelnen Stadtteile untersucht werden. Nach einer Analyse werden jeweils Untersuchungsgebiete festgelegt, um dann einen oder mehrere potentielle Geltungsbereich für Satzungen in den einzelnen Stadtteilen zu definieren.

 

5. Weiteres Vorgehen

Bislang wurden die Rheingemeinden Nierst, Langst-Kierst und Ilverich untersucht. Die fehlenden fünf Stadtteile sollen nach Priorisierung folgen. Hier bewertet die Verwaltung die Analyse von Büderich als vorrangig. Hier gibt es große schützenswerte Bereiche, die sich durch den Bau-Boom stetig verändern und besonders gefährdet erscheinen, z.B. Niederdonker Straße, Poststraße, Witzfeldstraße, Auf den Steinen, Kanzlei usw. Wünschenswert ist es, hier identifikationsstiftende Bauweisen früh genug zu benennen und mit Hilfe von fundierten Gestaltungssatzungen zu schützen.

 


Finanzielle Auswirkung:

 

keine

 


Alternativen:

Verzicht auf die Erarbeitung von Gestaltungssatzungen und/oder eines Gestaltungshandbuches