Betreff
Live-Stream von Ratssitzungen ("Rats-TV") - hier: Evaluation, zusätzlich: Anforderungen und Auswirkungen durch neu geschaffene Rechtsgrundlagen (Digitalsitzungsverordnung)
Vorlage
BJ/0576/2022
Art
Informationsvorlage

In seiner Sitzung am 16.12.2021 hat der Rat beschlossen, ca. sieben Ratssitzungen im Jahr live im Internet zur streamen, sie aber weder aufzuzeichnen noch zur jederzeitigen Abrufbarkeit auf der Homepage der Stadt Meerbusch einzustellen.

 

Zusätzlich wurde beschlossen, dass nach rund sechs Monaten eine Evaluation erfolgen solle.

Dies wurde nun umgesetzt, die Ergebnisse der Evaluation sowie neu geschaffene Rechtsgrundlagen und deren Auswirkungen, u.a. auf die Umsetzung des Live-Streams, werden im Folgenden dargestellt.

 

 

Evaluation des Live-Streams:

 

Bisher sind drei Ratssitzungen live im Internet zu sehen gewesen. Durchschnittlich haben 94 Zuschauer*innen den Live-Stream verfolgt.

 

Sitzung am 10.03.2022: 129 Zuschauende

Sitzung am 28.04.2022: 63 Zuschauende

Sitzung am 23.06.2022: 90 Zuschauende

 

Die durchschnittliche Verweildauer der Zuschauenden betrug ca. acht Minuten.

 

Sitzung am 10.03.2022: 00:16:27 h durchschnittliche Zuschauzeit

Sitzung am 28.04.2022: 00:04:48 h durchschnittliche Zuschauzeit

Sitzung am 23.06.2022: 00:04:14 h durchschnittliche Zuschauzeit

 

Im Rahmen der Evaluation erfolgte auch eine erneute Abfrage der Ratsmitglieder, ob sie der Live-Übertragung der Sitzung im Internet sowie der anschließenden Speicherung der Aufzeichnung zur nachträglichen und jederzeitigen Abrufbarkeit auf der städtischen Homepage zustimmen würden.

 

Von den 60 Ratsmitgliedern haben drei keinerlei Zustimmung erteilt, also weder zur Live-Übertragung noch zur anschließenden Speicherung und Abrufbarkeit der Aufzeichnung. Weitere 25 Ratsmitglieder sind zwar mit der Live-Übertragung, nicht aber mit der anschließenden Speicherung und Abrufbarkeit der Aufzeichnung einverstanden. Damit liegt von 28 und damit von fast der Hälfte der Ratsmitglieder weiterhin kein Einverständnis mit der Speicherung und Abrufbarkeit der Aufzeichnung vor.

 

Die Möglichkeit der nachträglichen Abrufbarkeit ist sicher attraktiver als die einmalige Möglichkeit einen Live-Stream verfolgen zu können, da man sich die Aufzeichnung zeitlich unabhängig anschauen könnte. Zudem kann die Aufzeichnung mit sog. „Sprungmarken“ zur Verfügung gestellt werden, die Zuschauenden hätten also die Möglichkeit lediglich die Tagesordnungspunkte aufzurufen, die sie interessieren.

 

Aufgrund der hohen Anzahl von nicht erteilten Zustimmungen sollte dies aber nicht weiterverfolgt werden. Die Gründe wurden bereits in der Vorlage BJ/1427/2021 (Sitzung des Ausschusses für Digitalisierung und Informationstechnologie vom 01.12.2021 und Sitzung des Rates vom 16.12.2021) dargestellt, auf welche an dieser Stelle verwiesen wird.

 

Die Kosten für den Live-Stream der letzten drei Ratssitzungen belaufen sich laut Angebot (die Rechnung liegt bisher noch nicht vor) auf insgesamt 14.396,25 € (4.798,75 € pro Sitzung). Hier ist allerdings zu erwähnen, dass die Nutzung der Mikrofonanlage des Anbieters die Kosten deutlich erhöht. Die veraltete Mikrofonanlage der Stadt Meerbusch ist mit den technischen Voraussetzungen des „Live-Stream-Anbieters“ allerdings nicht kompatibel und verfügt nicht über eine ausreichende Zahl an Mikrofonen.

 

Eine neue Mikrofonanlage soll zeitnah beschafft werden, allerdings haben die aktuellen Änderungen und Neufassungen kommunalrechtlich relevanter Vorschriften nicht zuletzt Einfluss auf solch praktische Beschaffungen.

 

 

Neu geschaffene Rechtsgrundlagen (insbesondere Digitalsitzungsverordnung):

 

Mit dem Gesetz zur Einführung digitaler Sitzungen für kommunale Gremien und zur Änderung kommunalrechtlicher Vorschriften vom 05.04.2022 wurde eine rechtliche Grundlage zur Einführung von digitalen und hybriden Sitzungen geschaffen.

 

Digitale Sitzungen (ohne Präsenz) sind vom Gesetzgeber lediglich in außergewöhnlichen Notsituationen vorgesehen.

Hybride Sitzungen (Sitzungsleitung, Öffentlichkeit und ggf. einige Gremiumsmitglieder am Sitzungsort anwesend) sind auch außerhalb der gesetzlichen Ausnahmefälle (Notsituationen) möglich. Dies gilt allerdings nur für die Ausschüsse, wobei der Haupt- und Finanzausschuss sowie der Rechnungsprüfungsausschuss zusätzlich zum Rat ausgenommen sind.

 

Grundsätzlich liegt die Entscheidung über die Durchführung von digitalen und hybriden Sitzungen bei den gewählten Vertretungen.

 

Der Gesetzgeber hat allerdings die Durchführung digitaler und hybrider Sitzungen auf kommunaler Ebene unter einen Vorbehalt gestellt. Dies wird damit begründet, dass die eingesetzten Anwendungen für die digitale und hybride Gremienarbeit grundsätzlichen technischen, datenschutzrechtlichen und organisatorischen Aspekten genügen müssen und damit einen Standard gewährleisten, der diesem sensiblen Anwendungsbereich genügt.

 

Daher ist ein Zulassungsvorbehalt für die zu verwendenden Lösungen sowie eine Verordnungsermächtigung vorgesehen, auf deren Grundlage die einschlägigen organisatorischen, technischen, datenschutzrechtlichen und IT-sicherheitstechnischen Anforderungen an die Fachanwendungen näher bestimmt und das Zulassungsverfahren geregelt wird.

Als Zulassungsstelle wurde die Gemeindeprüfungsanstalt Nordrhein-Westfalen (gpaNRW) bestimmt.

 

Näheres regelt die Verordnung über die Durchführung digitaler und hybrider Sitzungen kommunaler Vertretungen, die sog. Digitalsitzungsverordnung (DigiSiVO) vom 27.04.2022. In dieser werden die diversen Voraussetzungen und Anforderungen definiert, welche vorliegen bzw. erfüllt sein müssen, damit Sitzungen in einer digitalen oder hybriden Form durchgeführt werden können.

 

Zusätzlich wurde die Verwaltungsvorschrift zur Zulassung von Anwendungen zur Bild-Ton-Übertragung sowie von Anwendungen zur Durchführung digitaler Abstimmungen im Rahmen von digitalen und hybriden Sitzungen kommunaler Gremien (Verwaltungsvorschrift Anwendungszulassung Digitalsitzungen - VV AnwendZulDigiSi) erlassen, welche die Vorgehensweise der gpaNRW abschließend näher beschreibt und darstellt.

 

 

Aktueller Sachstand und Auswirkungen:

 

Entscheidend ist aktuell, dass bei der gpaNRW bisher erst zwei Hersteller einen Antrag auf Zulassung ihrer Anwendungen gestellt haben, beide Anwendungen sind bisher nicht abschließend geprüft und damit nicht zertifiziert.

Ergo lassen sich digitale und hybride Sitzungen bis dato nicht rechtssicher durchführen.

 

Da eine Umsetzung langfristig möglich sein soll, die technischen Gegebenheiten und Anforderungen aber noch nicht vorliegen bzw. für die Anwender nicht vollständig definiert sind, erscheint eine kostenintensive Hardware-Beschaffung aktuell nicht sinnvoll. Beispielsweise ist auch die Beschaffung einer neuen Mikrofonanlage nicht zweckmäßig, sollte sich mit Einführung einer Software für die digitale und hybride Gremienarbeit herausstellen, dass die Funktionsweise der Mikrofonanalage den Anforderungen der Software nicht genügt.

 

Auch der Live-Stream dürfte von der zukünftigen Durchführung der Sitzungen abhängig sein.

Die digitale Durchführung von Ratssitzungen ist zwar nur in gesetzlichen Ausnahmefällen möglich, angesichts der Pandemiesituation sind solche aber sicher nicht auszuschließen. Auch bei einer denkbaren Ausweitung des Live-Streams auf die Ausschüsse wäre die allgemeine technische Umsetzung der Bild-Ton-Übertragung sowie der Abstimmungen zu bedenken.

 

Aufgrund der beschriebenen Unwägbarkeiten sowie der bisher eher geringfügigen Aussagekraft der ausgewerteten Zahlen wird auf eine neuerliche Beschlussempfehlung zunächst verzichtet. Die ausgewerteten Zahlen lassen bisher noch keine sichere Tendenz, unabhängig von möglichen „Ausreißersitzungen“, erkennen. Zudem ist nicht auszuschließen, dass viele Bürger*innen das Angebot noch nicht kennen.

 

Sollte nichts Gegenteiliges oder Anderslautendes beschlossen werden, wird das Angebot des Live-Streams daher im Rahmen des Ratsbeschlusses vom 16.12.2021 fortgesetzt. Die Verwaltung wird zu gegebener Zeit über neue Erkenntnisse informieren und soweit möglich entsprechende Beschlussempfehlungen in die zuständigen Gremien bringen.


gez.

 

Christian Bommers

Bürgermeister