Betreff
Bürgerantrag nach § 24 GO NRW vom 03. April 2022 bzgl. Planung des Baugebietes "Kalverdonk"
Vorlage
FB4/1543/2022
Art
Beschlussvorlage

Beschlussvorschlag:

 

Der Haupt-, Finanz- und Wirtschaftsförderungsausschuss hat den Bürgerantrag am 26. April 2022 an den zuständigen Ausschuss für Planung und Liegenschaften verwiesen.

 

Der Ausschuss für Planung und Liegenschaften beschließt, der Bürgeranregung nicht zu folgen.

 


Sachverhalt:

 

Der Bürgerantrag gem. §24 GO NRW wurde von folgenden Akteuren an den Haupt-, Finanz- und Wirtschaftsförderungsausschuss herangetragen:

 

  • Meerbuscher Bürger und Bürgerinnen
  • Junge Meerbuscher Bürger
  • Naturschutzbund Deutschland (kurz: NABU)
  • Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland LV NRW e.V. Ortsgruppe Meerbusch

(kurz: BUND)

 

Es ist nicht zu ersehen, wie viele Personen von diesen Gruppen vertreten werden bzw. wie viele Personen unmittelbar Betroffene, wie z.B. Anlieger des Baugebietes sind.

 

Der Antrag nimmt Stellung zur wohnbaulichen Entwicklung des rund 37 ha großen Plangebietes „Kalverdonk“ am östlichen Ortsrand von Meerbusch-Osterath. Darin wird der Erhalt der bislang landwirtschaftlich genutzten Fläche gefordert sowie hilfsweise die flächenhafte Verkleinerung auf die bereits im städtischen Eigentum befindlichen Grundstücke zwischen der K-Bahn-Trasse und dem Gelände der städtischen Nikolaus-Grundschule.

 

Als maßgeblicher Anlass wird der Verlust der landwirtschaftlichen Fläche genannt und die damit einhergehenden negativen Folgen für die Lebensmittelversorgung, den Klimawandel, die Erholungsräume sowie den Artenschutz. Neuen Wohnraum soll die Stadt Meerbusch vor allem durch Innenentwicklungsmaßnahmen schaffen und auf Außenentwicklungen, wie am „Kalverdonk“, verzichten.

 

Die Verwaltung empfiehlt, der Anregung nicht zu folgen.

Dies wird wie folgt begründet:

 

Die Stadtverwaltung wurde mit Ratsbeschluss vom 26. April 2018 mit der Entwicklung von 12 Siedlungsflächen im Rahmen der „Wohnbaulandentwicklung Meerbusch 2030“ beauftragt. Hierunter fällt auch die Baulandentwicklung „Kalverdonk“, die aufgrund ihrer Flächengröße eine wichtige Rolle zur Deckung des hohen Wohnungsbedarfs in Meerbusch spielt. Daneben sind es die Lagegunst, charakterisiert durch die direkte Verortung an der K-Bahn-Linie im Plangebiet sowie die Nähe zur Bahnlinie der Deutschen Bahn, die die Fläche unter dem Aspekt der Mobilitäts- und Verkehrswende so attraktiv macht. Gerade deshalb wurde sie auch als ein Leitprojekt des RegioNetzWerks ausgewählt und von der Bezirksregierung Düsseldorf wie auch dem Land Nordrhein-Westfalen sehr positiv begleitet.

 

Der Beschluss zur Aufstellung eines Bebauungsplanes sowie der dazugehörigen Flächennutzungsplanänderung wurde vom Rat am 01. September 2020 mehrheitlich gefasst. Um eine innovative und nachhaltige Entwicklung des Plangebietes zu gewährleisten, möchte die Stadt Meerbusch nach mehrjähriger Vorbereitung auf Grundlage des Ratsbeschlusses vom 27. September 2018 noch in diesem Jahr einen städtebaulichen Wettbewerb ausloben (siehe Verwaltungsvorlage FB4/1506/2022; TOP 3 des APL am 22.09.2022). „Dabei sollen die Teilnehmenden städtebauliche und nachhaltige Lösungen aufzeigen und diese in ein zu entwickelndes Konzept einfließen lassen, das aktuelle Trends in der Gesellschaft sowie zukünftige Herausforderungen in der Siedlungsentwicklung vor dem Hintergrund einer nachhaltigen, lebendigen Stadtentwicklung berücksichtigt.“ (Quelle: Entwurf Auslobungsunterlagen; Seite 19). Die Schaffung von altengerechten und bezahlbaren Wohnraum in Kombination mit einem Wohnungsmix für breite Zielgruppenansprachen steht hierbei im Fokus der Realisierung.

 

Viele Bürger*innen, die ihrerseits mit Wohnraum (gut) versorgt sind, lehnen das weitere Siedlungswachstum komplett ab bzw. sehen dieses kritisch (Quelle: IHKO, Wünsche aus der Beteiligung; Seite 113). Auf die im Stadtteil bestehenden und ernst zu nehmenden Sorgen hinsichtlich des mit der Baulandentwicklung verbundenen Verbrauchs von wertvollen Agrar- und Naturräumen, aber auch störenden Einflüssen durch die Neubebauung wie etwa Verkehrsbelastungen sowie drohenden Verlustes der dörflichen Identität, müssen im Wettbewerb Antworten gefunden werden. Bereits in Vorbereitung auf den Wettbewerb wurde daher ein aufwendiger, dialogorientierter Beteiligungs- und Mitwirkungsprozess durchgeführt, wo alle Bürger*innen in mehreren Formaten die Möglichkeit hatten, ihre Ideen, aber auch Kritik und Sorgen zu benennen. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse wurden anschließend zusammengeführt und als Leitplanken für die Auslobung der Öffentlichkeit präsentiert und gemeinsam diskutiert. Der Tenor war insgesamt konstruktiv, dennoch gibt es weiterhin auch ablehnende Stimmen.

 

Den „Gegnern“ des Baugebietes, die auch diesen Bürgerantrag formulierten, entgegen stehen die nur selten hörbaren Stimmen, die sich den Bau neuer Wohngebiete und vor allem die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum wünschen (Quelle: IHKO, Wünsche aus der Beteiligung; Seite 113). Insgesamt haben sich bereits 475 Personen auf die Interessentenliste für ein künftiges Grundstück im Plangebiet setzten lassen. Hiervon haben rund 112 Interessierte ihren Arbeitsplatz in Meerbusch und rund 242 Interessent*innen wohnen aktuell in Meerbusch oder haben früher einmal dort gewohnt (08/2022). Aufgrund des geringen Angebots und der hohen Preise für Grundstücke und Immobilien können sich viele Menschen in Meerbusch kaum eine angemessene Wohnung leisten, weder zur Miete noch als Eigenheim. Die Stadt Meerbusch möchte mit der Baulandentwicklung „Kalverdonk“ eine vorausschauende, sozialgerechte Bodenpolitik und Stadtentwicklung betreiben. Mit der Aufnahme in das Landesprogramm der „Kooperativen Baulandentwicklung“ hat sich die Stadt Meerbusch verpflichtet, im künftigen Baugebiet mindestens eine anteilige Realisierung von 30% der entstehenden Bruttogeschossfläche als öffentlich geförderten Wohnraum vorzusehen.

 

Die im Bürgerantrag formulierte Forderung, Wohnraum vor allem durch Innenentwicklung zu realisieren, gilt ohnehin auch weiterhin als Grundsatz der Meerbuscher Stadtentwicklung. Der Wohnraumbedarf in Meerbusch kann jedoch nur dann in dem benötigten Umfang befriedigt werden, wenn über die Bestandsentwicklung und Nachverdichtung im Innenbereich hinaus auch Neubaugebiete realisiert werden. Ohne eine ortsverträgliche Neubauentwicklung, wie dem Baugebiet „Kalverdonk“, ist zu befürchten, dass sich insbesondere junge Familien einen Wohnwunsch in Meerbusch-Osterath nicht erfüllen können. Folge ist, dass die Stadtteilgesellschaft sukzessiv weiter überaltert, Infrastrukturen nicht ausgelastet werden sowie Vereine perspektivisch keinen Nachwuchs finden. Ohne kostendämpfende Maßnahmen und kommunale Steuerung wird der Wohnungsmarkt in Meerbusch immer stärker gentrifiziert. Darüber hinaus wird auch für Menschen im Alter dringend neuer barrierefreier Wohnraum benötigt (IHKO 2022; Seite 52), der ebenfalls im Zuge der wohnbaulichen Entwicklung „Kalverdonk“ neu geschaffen werden soll. Ganz wichtig sind daher die qualitativen Entwicklungsziele, die in der Auslobung verankert sind (siehe Verwaltungsvorlage FB4/1506/2022; TOP 3 des APL am 22.09.2022).

 

Ein Großteil des Baugebietes ist zurzeit landwirtschaftlich genutzte Fläche. Die vorhandene grüne Infrastruktur spielt für das Klima eine wesentliche Rolle. Um die Folgen der Baulandentwicklung für Natur und Landschaft so gering wie möglich zu halten, ist eine auf die Zukunft ausgerichtete, klimaresiliente und -gerechte Entwicklung / Planung zwingend notwendig. Hierzu zählt eine angemessene bauliche Dichte, die sich an die örtlichen Gegebenheiten anpasst, aber auch ein hoher Grün- und Freiflächenanteil. Unter dem städtebaulichen Leitbild der „Schwammstadt“ wird das Quartier in den öffentlichen und privaten Bereichen durch einen geringen Versiegelungsgrad charakterisiert sein. Ausreichend, naturnah gestaltete Retentions- und Versickerungsflächen werden vorgesehen, die im öffentlichen Raum multifunktional nutzbar sein werden. Darüber hinaus sind weitere klimawirksame und energiesparende Maßnahmen geplant, wie Dachbegrünungen, Fassadenbegrünungen, Frischlustschneisen, Hitzeschutz und Verschattung (vgl. Checkliste Klimaschutz und -anpassung der Stadt Meerbusch).

 

Zentrales Gestaltungselement des neuen Quartiers werden die umfangreichen durchlässigen Grünstrukturen mit hoher Aufenthaltsqualität und Begegnungsräume mit Naherholungsfunktion darstellen. Die Planung wird die Umsetzung gemeinschaftlich genutzter Grünflächen (z.B. Gemeinschaftsgärten von Wohngruppen, urban gardening, urban farming, Allmendegärten) sowie kleinteilige Angebote, wie Sitzbänke und Naturerlebnisorte mit Artenschutzmaßnahmen, beinhalten. Der Leitgedanke eines autoarmen Quartiers mit Unterbringung des ruhenden Verkehrs in Quartiers- und Parkgaragen sowie einer Fokussierung auf den Fuß- und Radverkehr lässt es zu, dass der öffentliche Raum innerhalb des Quartiers attraktiv gestaltet werden kann. Insgesamt sollen hier möglichst die Bedürfnisse vieler Nutzergruppen befriedigt werden.

 

Der im Bürgerantrag angesprochene Artenschutz wird in der Planung intensiv berücksichtigt, in dem spezielle Maßnahmen für den Artenschutz festgesetzt und bestehende Grünstrukturen, wie Bäume und Hecken, integriert werden. Als fachliche Grundlage für den Wettbewerb wurde bereits ein artenschutzrechtlicher Fachbeitrag der Stufe I und II durch ein externes Fachbüro erarbeitet. Im Ergebnis wurde die Notwendigkeit von Schutz-, Vermeidungs- und Ausgleichsmaßnahmen festgestellt. Diese sind im Zuge der Planung einzuhalten, sodass keine artenschutzrechtlichen Verbotsbestände gem. § 44 Abs. 1 i.V.m. Abs. 5 BNatSchG erfüllt sind und eine Ausnahmeprüfung nicht erforderlich ist. Die in Folge der Planung anstehenden Erschließungsarbeiten werden in speziellen Zeit-Maßnahme-Plänen auf das Brut- und Laichverhalten von Tieren abgestimmt.

 

Die Entwicklung des künftigen Baugebietes soll in mehreren Realisierungsabschnitten erfolgen. Die konkrete Entwicklung soll sich zunächst auf den 1. Bauabschnitt beschränken. Zur Ermittlung der Bauabschnitte wurden hierbei die bestehenden Eigentumsverhältnisse berücksichtigt. Der 1. Bauabschnitt umfasst die Flächen zwischen dem Gelände der Nikolaus-Grundschule und K-Bahn-Trasse, sowie der nördlich der K-Bahn-Trasse gelegene Fläche, zwischen Nibbelsweg und Kalverdonksweg. Für beide Bauabschnitte werden im Wettbewerb vertiefende Aussagen zum Städtebau, Freiraum und Verkehr gefordert. Um auf künftige Entwicklungen auf dem Wohnungsmarkt reagieren zu können, ist es dennoch wichtig, dass alle Bauabschnitte der Gesamtfläche unabhängig von Bestandssituation und Eigentumsverhältnissen autark voneinander funktionieren, jedoch aber auch in ein zusammenhängendes Konzept eingebettet werden. Die Verkleinerung wäre „kurzsichtig“ und verlöre den perspektivisch erforderlichen Entwicklungsgedanken.

 

Klarzustellen ist, dass kein Eigentümer*in im Plangebiet sein Grundstück an die Stadt Meerbusch abgegeben muss. Eine wie im Bürgerantrag genannte Existenzbedrohung für bestehende Landwirte im Plangebiet besteht nach aktuellem Stand nicht, da das Eigentum (Betriebe sowie dazugehörige Flächen) weiterhin gesichert ist, sofern die jeweiligen Eigentümer*innen zu einem Verkauf aktuell nicht bereit sind.

 


Finanzielle Auswirkung:

 

Durch die Ausführung des vorgeschlagenen Beschlusses entstehen folgende Auswirkungen auf den Haushalt:

 

Eine haushaltsmäßige Belastung erfolgt während der Projektlaufzeit der Kooperativen Baulandentwicklung nicht, weil die entsprechenden Aufwendungen durch die Grundstücksverkäufe refinanziert werden.

 

Nach Ablauf der vereinbarten Projektlaufzeit erfolgt jedoch die Gesamtabrechnung des Projektes. Eventuell eingetretene Verluste müssen vor Projektabschluss durch die Kommune ausgeglichen werden. Eine Verkleinerung des Gebietes würde zu wesentlich schlechteren finanzielle Rahmenbedingungen führen und das Risiko finanzieller Verluste drastisch erhöhen.

 


Alternativen:

 

Der Ausschuss für Planung und Liegenschaften beschließt, der Bürgeranregung zu folgen und

 

  1. auf die Entwicklung des Baugebietes „Kalverdonk“ zugunsten des Erhalts der derzeit vorherrschenden landwirtschaftlich genutzten Fläche zu verzichten.
  2. das Plangebiet auf die bereits im Eigentum der Stadt Meerbusch befindlichen Grundstücke hinter der Nikolaus-Schule (westlich der K-Bahn-Trasse) zu beschränken.