Betreff
Einführung einer elektronischen Gesundheitskarte für Leistungsempfänger nach §§ 1, 1a AsylbLG
Vorlage
FB2/0520/2021
Aktenzeichen
FB 2 / 7
Art
Informationsvorlage

Leistungsberechtigte nach §§ 1, 1 a Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) haben derzeit in den ersten 18 Monaten einen Anspruch auf Leistungen der Krankenhilfe gemäß § 4 AsylbLG. Die erforderlichen ärztlichen und zahnärztlichen Behandlungen einschließlich der Versorgung mit Arznei und Verbandsmitteln sowie sonstiger zur Genesung, zur Linderung von Krankheiten oder Krankheitsfolgen erforderlichen Leistungen werden mittels Ausgabe eines Krankenscheines zur Verfügung gestellt. Dies beinhaltet auch die Mutterschaftsvorsorgeleistungen, die Kinderfrüherkennungsuntersuchungen, Schutzimpfungen und sonstige Gesundheitsuntersuchungen.

 

Im Herbst 2015 hat das Land NRW einen Rahmenvertrag mit einigen Krankenkassen geschlossen, der die Grundlage zur Einführung der Gesundheitskarte für Grundleistungsempfänger bildet. Im Jahr 2018 wurde diese Vereinbarung überarbeitet und angepasst. Bisher sind lediglich rund 25 der 396 Kommunen dieser Vereinbarung beigetreten, wobei bereits 4 Kommunen auch schon wieder aus der Rahmenvereinbarung ausgetreten sind (die derzeit aktuelle Rahmenvereinbarung ist angefügt).

Als Gründe für diesen Austritt wurden die Kosten, der Arbeitsaufwand und die schlechte Zusammenarbeit mit den Krankenkassen angeführt.

Die Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen hat zur Sitzung des Sozialausschusses am 17.11.2021 den Antrag gestellt, die Gesundheitskarte in Meerbusch einzuführen.

Im Folgenden werden die Vor- und Nachteile der Gesundheitskarte der derzeitigen Verfahrensweise gegenübergestellt.

 

 

 

Derzeitige Verfahrensweise

Gesundheitskarte

 

Bei Zuweisung eines neuen Asylbewerbers, werden die persönlichen Daten von der zuständigen Abteilung in das Programm Care Cost Manager eingegeben (max. Aufwand 30 Sek.) Anschließend kann sofort ein gültiger Krankenschein ausgestellt werden.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Für jeden Arztbesuch muss ein neuer Krankenschein ausgestellt werden. Für Kinder und chronisch kranke Personen wird ein Schein mit längerer Gültigkeitsdauer ausgestellt (Ausstellungszeit pro Schein ca. 15 Sek.). Es erfolgt durch die Mitarbeiter keine Prüfung der Notwendigkeit oder Aufschiebbarkeit der Behandlung!

 

 

Arztbesuche werden zu einem hohen Anteil im Voraus terminiert, sodass der Schein bei Vorsprachen in der Abteilung abgeholt werden kann.  Bei einem notfallmäßigen Arztbesuch, ohne vorherige Ausstellung eines Krankenscheines, wird der Behandlungsschein der Praxis zugefaxt. Eine Behandlungsver-weigerung aufgrund des Fehlens eines Scheines ist nicht bekannt!

Aufgrund der Einfügung des Nothelfer-paragraphen § 6 a AsylbLG ist eine Erstattung der Kosten für die Behandlung mittelloser Patienten in jedem Fall gesichert!

 

 Entfällt                                                                              

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Entfällt                                                                        

 

 

 

Lediglich Rezepte für Hilfsmittel, Physiotherapien, Psychotherapien, Zahnersatz und planbare Operationen werden dem Amtsarzt zur Begutachtung vorgelegt. Er entscheidet über die Notwendigkeit der Maßnahme.

 

 

Patienten mit einem Krankenschein werden heute von den Ärzten genauso behandelt, wie kassenärztliche Patienten, da die meisten Ärzte eine zwei Klassen Medizin ablehnen (Erfahrungswert)

 

 

Gemäß Vertrag über die Abrechnung der Arzneimittelkosten sowie der ambulanten und stationären Krankenhilfe für Leistungs-berechtigte nach dem Asylbewerber-leistungsgesetz vom 06.12.1996 (Änderung vom 10.03.2000) führt der Rhein-Kreis-Neuss die Abrechnung der v.g. Kosten im Auftrag der kreisangehörigen Städte und Gemeinden durch. Die mit der Aufgabenerledigung verbunden Personal- und Sachkosten werden über die Kreisumlage finanziert. Die Aufwendungen für die auf den Kreis übertragenen Aufgaben werden gegenüber den einzelnen Städten und Gemeinden quartalsweise spitz abgerechnet. Die Abrechnungen der einzelnen Krankenkassen/Ärzten werden durch die beiden Sachbearbeiterinnen beim Kreis der einzelnen Kommune bzw. dem entsprechenden Flüchtling zugeordnet und im Verarbeitungsprogramm Care Cost Manager eingetragen. So ist eine Auswertung der entstandenen Kosten für jeden Leistungsbezieher möglich.

 

                                                                     

 

Für jeden neuen Asylbewerber muss ein Meldevordruck der Krankenkasse ausgefüllt werden. Zudem muss für jeden Karteninhaber ein Lichtbild beigefügt werden. Der Klient muss einen Fotografen aufsuchen oder die Mitarbeiter müssen mittels einer Sofortbild-Kamera Bilder erstellen Die Kosten hierfür trägt die Stadt. Alternativ wird der Klient von der Krankenkasse angeschrieben und Lichtbilder angefordert.

Der vollständige Antrag wird an die Krankenkasse versendet (Porto). Bis zur Übersendung der Versichertenkarte an die Flüchtlinge vergehen Wochen.

 

Dauerhafter Zugang zur hausärztlichen Versorgung.

Während der wochenlangen Bearbeitungszeit durch die Krankenkassen, müssen jedoch ebenfalls Krankenscheine für Arztbesuche ausgestellt werden.

 

 

 

 

Entfällt, soweit die Gesundheitskarte mitgeführt wird und gültig ist. Ohne Vorlage einer gültigen Karte kann eine Behandlung ebenfalls verweigert werden.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Die Gesundheitskarte ist 24 Monate gültig (eine kürzere Gültigkeitsdauer kann vereinbart werden). Bei einem früheren Leistungsende (Anerkennung, Arbeitsaufnahme, Untertauchen etc.) muss der Klient per Meldevordruck abgemeldet werden und die Karte eingezogen werden. Sollte der Einzug der Karte nicht möglich sein, müssen die durch den weiteren Einsatz der Karte entstehenden Kosten von der Kommune getragen werden.

Bei einem erneuten Leistungsbeginn (Verlust der Arbeit, Rückkehr etc.) muss eine Neuanmeldung erfolgen.

 

Ausstellung der Karte kostet 10 Euro pro Leistungsberechtigten.

 

 

Die Krankenkasse entscheidet auf der Grundlage des Rahmenvertrages. Spezielle Begutachtungen müssen separat abgerechnet werden.

 

 

 

Keine Leistungserweiterung aufgrund der Gesundheitskarte!

 

 

 

 

 

Alle Abrechnungen der Krankenkassen würden quartalsweise der zuständigen städt. Abteilung übersandt. Diese müssten überprüft und abgerechnet werden. Zusätzlich sind die Kosten pro Patient zu ermitteln, da ansonsten kein Antrag auf Erstattung außergewöhnlicher Krankenkosten gemäß § 4 FlüAG bei der Bezirksregierung gestellt werden kann.

Kosten:

-          Schaffung einer Halbtagsstelle in der Abteilung

-          Zahlung einer Kopfpauschale pro Quartal (unabhängig von einem tatsächlichen Arztbesuch) derzeit ca. 100 € (Sprechstundenpauschale)

-          Zu den Rechnungskosten ist eine 8% Verwaltungskostenpausche (vom Rechnungsbetrag) quartalsweise zu zahlen.

 

 

Zusammenfassend ist festzustellen, dass die Gesundheitskarte in diesem Kontext teuer und ineffizient ist. Sie erfordert einen erheblichen bürokratischen Mehraufwand in der Abteilung für ausländische Flüchtlinge, die nur durch die Schaffung einer weiteren Halbtagsstelle zu kompensieren ist.

 

Grundsätzlich hat der Geflüchtete mit einem Krankenschein den gleichen Zugang zu allen medizinischen Leistungen, vergleichbar mit dem eines gesetzlich Versicherten. Eine Leistungsverbesserung wird für den einzelnen durch Einführung der elektronischen Gesundheitskarte nicht erreicht.

 

Bei einem Personenkreis von derzeit 220 einzubeziehenden Grundleistungsbeziehern würde alleine die Prokopfpauschale zusätzliche Kosten in Höhe von 88.000 € verursachen. In den Jahren 2021 wurden Krankenhilfekosten in Höhe von 348.000 €, in 2020 in Höhe von 447.000 € und in 2019 in Höhe von 457.500 € verursacht. Durchschnittlich wären in diesem Zeitraum noch einmal 33.400 € pro Jahr an Verwaltungskosten angefallen.

Nicht zu unterschätzen ist außerdem die schwierige Zusammenarbeit mit den Krankenkassen. Bereits jetzt zeigt sich in der täglichen Praxis, dass zuständige Sachbearbeiter nicht zu erreichen sind, andere Kollegen keine Auskunft geben können und Rückrufe nicht erfolgen.

Eine pilotweise Einführung der Gesundheitskarte ist zudem nicht praktikabel. Alle angemeldeten Personen müssten ggf. zu einem Datum x wieder abgemeldet und alle Karten eingezogen werden. Hinzu käme dann die fehlende Akzeptanz bei den Betroffenen für eine solche Vorgehensweise.

 

Der Vertrag über die Abrechnung der Arzneimittelkosten sowie der ambulanten und stationären Krankenhilfe für Leistungsberechtigte nach dem Asylbewerberleistungsgesetz vom 06.12.1996 (Änderung vom 10.03.2000) mit dem Rhein-Kreis-Neuss kann jährlich mit einer Frist von 12 Monaten schriftlich gekündigt werden.

 


In Vertretung

gez.

 

 

Frank Maatz

Erster Beigeordneter