Betreff
Vermarktung von Baugrundstücken im Wege der Ausgabe von Erbbaurechten
Vorlage
FB6/0483/2021
Art
Informationsvorlage

Gegenstand dieser Informationsvorlage sind Überlegungen dazu, ob die Stadt Baugrundstücke für Wohnbauzwecke zukünftig auch im Wege der Ausgabe von Erbbaurechten vermarkten sollte. Für diese Betrachtung erscheint es erforderlich kurz auf die Grundzüge des Erbbaurechtes einzugehen. Nachfolgend soll ein Kostenvergleich zwischen dem bisher üblichen Erwerb eines Baugrundstückes mit Finanzierung und der Zinsbelastung bei Abschluss eines Erbbaurechtsvertrages helfen die Attraktivität des Erbbaurechtes einzuschätzen.

 

Hauptziel für die Ausgabe von Erbbaurechten aus Sicht der Stadt dürfte das Bestreben sein, ein Angebot für Personenkreise zu schaffen, die auf dem „normalen“ Grundstücksmarkt kaum eine Chance haben und für die sich die Finanzierung eines Grundstückserwerbes mit anschließender Errichtung eines Gebäudes problematisch darstellt. Dies impliziert aber auch, dass das Angebot des Erbbaurechtes für den Interessenten tatsächlich kostengünstiger sein müsste, als der Erwerb.  Darüber hinaus soll die Ausgabe von Erbbaurechten auch die Bodenspekulation bekämpfen und die dynamische Preisentwicklung im Bereich der Baugrundstücke dämpfen.

 

Wichtigstes Argument für eine/n Erbbaurechtsnehmer/in dürfte die bessere bzw. günstigere Finanzierung des Gesamtprojektes „Hausbau“ sein. Hierbei liegt die Möglichkeit der Ersparnis ausschließlich im Bereich „Grundstückserwerb“. Die Herstellungskosten des gewünschten Gebäudes sind für den Fall eines Grundstückserwerbes oder für das Erbbaurecht identisch. Im Regelfalle dürften die Kosten der Herstellung des Gebäudes die Kosten für den Grundstückserwerb deutlich überschreiten. Zusätzlich muss die/der Erbbaurechtsnehmer/in berücksichtigen, dass Erbbaurechtsgrundstücke bei einer eventuellen Veräußerung in der Regel etwas unattraktiver als „normale“ Bestandsimmobilien sind und auch Baufinanzierer Erbbaurechte unter Umständen etwas ungünstiger einstufen als „normale“ Baugrundstücke, was sich in den angebotenen Konditionen wiederspiegeln kann.

 

Beim Erbbaurecht handelt es sich um das veräußerliche und vererbliche Recht, auf oder unter der Oberfläche eines Grundstückes ein Bauwerk zu haben.

 

Zwar gelangt der Erbbaurechtsnehmer für die Zeit des Erbbaurechtsvertrages rechtlich in eine dem Eigentümer nahezu entsprechende Rechtsposition bezüglich des Grundstückes, er wird aber nicht Eigentümer des Grundstückes. Dieses verbleibt im Eigentum des Erbbaurechtsgebers. Nach Ablauf des Erbbaurechtsvertrages fällt das Grundstück einschließlich des Bauwerkes an den Erbbaurechtsgeber zurück. Im Falle von Erbbaurechten, die für Wohnzwecke gedacht sind, ist der Erbbaurechtsgeber allerdings verpflichtet den Erbbaurechtsnehmer mit mindestens zwei Dritteln des Wertes des Bauwerkes zu entschädigen. In der Regel sind hier Wertgutachten erforderlich.

Bei der Dauer des Erbbaurechtsvertrages gibt es keine gesetzlichen Vorgaben, im Bereich der Erbbaurechte für den Zweck Wohnen sind aber sehr lange Laufzeiten von 80 bis 99 Jahren üblich. Im Regelfall besteht nach Ablauf des Erbbaurechtes auch die Möglichkeit der Verlängerung.

 

Für das Recht ein Gebäude auf dem Grundstück zu haben, zahlt die/der Erbbauberechtigte für die Zeit des Erbbaurechtes üblicherweise einen Erbbauzins. Eine gesetzliche Pflicht einen Erbbauzins zu erheben besteht nicht, es wird aber unterstellt, dass eine eventuelle städtische Vermarktung im Wege des Erbbaurechtes auch eine Vereinbarung von Erbbauzinsen beinhalten soll.

 

Die Festsetzung eines Erbbauzinses orientiert sich üblicherweise am Wert des Grundstückes und lehnt sich an den Liegenschaftszins für Wohngebäude an. Dieser wird im Grundstücksmarktbericht 2020 des Gutachterausschusses für den Rhein-Kreis-Neuss für den Stichtag 01.01.2020 für vermietete Ein- und Zweifamilienhäuser mit 2,0 % - 3,5 % angegeben. Der Liegenschaftszins darf nicht mit einem üblichen Kreditzins verwechselt werden.

 

Aufgrund der langen Laufzeit eines Erbbaurechtsvertrages wird in der Regel auch eine Vereinbarung zur zeitlichen Entwicklung der Erbbauzinsen getroffen. Soweit das Erbbaurecht Wohnzwecken dient, ist es rechtlich unzulässig, dass die Entwicklung des Grundstückswertes als Maßstab für die Veränderung des Erbbauzinses herangezogen wird. Veränderungen des Erbbauzinses sind in diesem Fall nur in dem Umfang zulässig, wie sich die allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse im fraglichen Zeitraum ändern. Daher wird üblicherweise die Entwicklung des Verbraucherpreisindexes für Deutschland als Maßstab für die Veränderung herangezogen. Soweit das Erbbaurecht Wohnzwecken dient, ist eine entsprechende Erhöhung oder Minderung des Erbbauzinses frühestens drei Jahre nach Abschluss des Erbbaurechtsvertrages zulässig. Jede weitere Anpassung ist ebenfalls frühestens nach Ablauf von weiteren drei Jahren zulässig.

 

Wie oben bereits erwähnt, dürfte ein Erbbaurecht für eine/n Grundstücksbewerber/in nur dann interessant sein, wenn es für sie/ihn finanzielle Vorteile gegenüber einem regulären Grundstückserwerb bietet. Schließlich gelangt die/der Erbbauberechtigte nicht in das Eigentum am Grundstück. Erbbaurechte bieten sich daher vor allem dann an, wenn die Grundstückspreise und die Finanzierungkosten hoch sind. Zwar ist derzeit das Niveau der Grundstückspreise sehr hoch, das Niveau der Finanzierungkosten ist allerdings historisch niedrig. Diese Komponente mindert derzeit die Attraktivität von Erbbaurechten für Erbbaurechtsnehmer/innen.

 

Üblicherweise werden städtische Baugrundstücke einschließlich der anfallenden Erschließungs- und Kanalanschlussbeiträge (§§ 127 ff. BauGB bzw. § 8 KAG NRW) sowie eines eventuellen Kostenerstattungsbetrages (§§ 135 a-c BauGB) veräußert. Ein Einschluss dieser Kosten im Rahmen eines Erbbaurechtsvertrages ist nicht möglich. Die genannten Beträge sind vom Erbbauberechtigten neben dem Erbbauzins zu tragen. Darüber hinaus sind vom Erbbauberechtigten bei Abschluss des Erbbaurechtsvertrages auch Grunderwerbsteuern zu zahlen. Die Höhe der Grunderwerbsteuer (beim Kauf 6,5 % des Kaufpreises) orientiert sich dabei an der Höhe des Erbbauzinses sowie der Laufzeit des Vertrages. Bei einer eventuellen Verlängerung des Erbbaurechtes fallen erneut Grunderwerbsteuern an.

 

Für den Kostenvergleich zwischen finanziertem Grunderwerb und einem Erbbaurechtsvertrag wird ein Beispielgrundstück mit einer Größe von 350 m² und einem Kaufpreis von 400,- €/m² (exklusive Erschließungs- und Kanalanschlussbeitrag sowie Kostenerstattungsbetrag) zu Grunde gelegt, der Gesamtkaufpreis beträgt damit 140.000,- €.

 

Bei einer Finanzierung des Kaufpreises sind natürlich unendlich viele Varianten von Zinssätzen und Laufzeiten möglich. Für den Vergleich wird davon ausgegangen, dass sich der/die Käufer/in angesichts des historisch niedrigen Zinsniveaus für einen langen Zeitraum von 30 Jahren einen festen Zinssatz sichern wird. Hier sind derzeit Zinssätze zwischen 1,75 % und 2 % realistisch. Ausgehend von einem festen Zinssatz von 2 % für dreißig Jahre und einer monatlichen Rate von 525, - € ist der Kredit in Höhe von 140.000,- € nach dreißig Jahren vollständig getilgt. Der Kreditnehmer hat in diesem Zeitraum außer dem Darlehensbetrag in Höhe von 140.000,- € weitere ca. 45.500,- € als Zinsen gezahlt. Insgesamt beträgt die Kostenbelastung also etwa 185.500,- € im Laufe von dreißig Jahren.

 

Auch für die Gestaltung des Erbbauzinses gibt es unendlich viele rechtlich zulässige Varianten. Bei fast allen bei der Stadt aktuell bestehenden Erbbaurechtsverträgen wurden Erbbauzinssätze zwischen vier und sechs Prozent in Verbindung mit einer Indexierung vereinbart. Angesichts des oben genannten Liegenschaftszinses und der aktuellen Situation am Kapitalmarkt erscheinen diese Zinssätze derzeit unangemessen hoch. Für diesen Kostenvergleich wird unterstellt, dass eine Vermarktung von städtischen Baugrundstücken im Wege des Erbbaurechtes zu einem Erbbauzins von zwei bzw. drei Prozent des Grundstückswertes mit einer Indexierung des Erbbauzinses der alle drei Jahre entsprechend der Entwicklung des Verbraucherpreisindexes für Deutschland erfolgen soll, vereinbart wird.

 

Ohne jede Indexierung hat die/der Erbbauberechtigte bei einem Erbbauzins von 2 % nach einer Laufzeit von 50 Jahren den Kaufpreis in Höhe von 140.000,- € in Form von Erbbauzinsen gezahlt. Nach etwas mehr als 66 Jahren entspricht der gezahlte Erbbauzins dem Finanzierungsbetrag des Grundstückserwerbes in Höhe von 185.500,- €. Bei einem Erbbauzins von 3 % sind die 140.000,- € nach 33 1/3 Jahren erreicht, die 185.500,- € nach gut 44 Jahren.

 

Geht man von einer sehr moderaten Steigerung des Verbraucherpreisindexes von jeweils drei Prozent in jeweils drei Jahren aus, hat die/der Erbbauberechtigte bei einem Erbbauzins von 2 % nach etwas mehr als 41 Jahren den Kaufpreis in Höhe von 140.000,- € gezahlt, nach knapp 52 Jahren entspricht die Zahlung dem Finanzierungsbetrag in Höhe von 185.500,- €. Bei einem Erbbauzins von 3 % sind die 140.000,- € nach etwas mehr als 29 Jahren erreicht, die 185.500,- € nach gut 37 Jahren.

 

Ausgehend von einer durchschnittlichen Erhöhung des Verbraucherpreisindexes von jeweils sechs Prozent alle drei Jahre hat die/der Erbbaunehmer/in bei einem Erbbauzins von 2 % nach knapp             36 Jahren den Kaufpreis in Höhe von 140.000,- € gezahlt, nach knapp 44 Jahren die Finanzierungs-kosten in Höhe von 185.500,- €. Bei einem Erbbauzins von 3 % sind die 140.000,- € nach etwa 26 ½ Jahren erreicht, die 185.500,- € nach etwa 32 ½ Jahren.

 

In jedem Fall muss die/der Erbbauberechtigte natürlich weiterhin bis zum Ende des Erbbaurechts-vertrages die vermutlich weiter steigenden Erbbauzinsen bezahlen, ohne am Ende der Laufzeit Eigentümer des Grundstückes zu sein.

 

Seit Mitte der neunziger Jahre des letzten Jahrhunderts lagen die Steigerungen des Verbraucherpreis-indexes im Abstand von drei Jahren weitestgehend innerhalb der oben gewählten Spannbreite der Steigerungen von drei bzw. sechs Prozent. Im Zeitraum Januar 1991 bis Januar 1994 betrug die Steigerung aber beispielsweise 13,75 %. Ganz aktuell besteht sogar eine sinkende Tendenz des Verbraucherpreisindexes. Entsprechend unterschiedlich kann sich die Höhe der Erbbauzinsen entwickeln.

 

Ein deutlicher Unterschied zwischen dem Erbbaurecht und der Finanzierung des Kaufpreises ist also, dass die Beteiligten des Erbbaurechtsvertrages bei Abschluss des Vertrages keine Klarheit über die Entwicklung der Erbbauzinsen haben, da sie die Entwicklung des Verbraucherpreisindexes nicht sicher vorhersagen können. Bei einer dynamischen Entwicklung des Indexes entwickeln sich die Erbbauzinsen entsprechend. Bei einem Kauf mit Finanzierung hat der Grundstückskäufer, zumindest für den Zeitraum eines fest vereinbarten Zinssatzes, Klarheit über die auf ihn zukommenden Kosten.

 

Das dargestellte Rechenbeispiel basiert natürlich auf vielen Vorgaben die variabel sind, daher kann der Vergleich nur einen Anhalt für die finanzielle Entwicklung im Vergleich bieten. Deutlich wird aber, dass die Konditionen für den Erbbauzins aktuell für eine/n potenziellen Erbbaurechtsnehmer/in nur dann attraktiv sein dürften, wenn sie ganz ungewöhnlich niedrig angesetzt würden. Dies birgt für die Stadt allerdings die Gefahr, dass im Laufe der langen Laufzeit des Vertrages und bei einer Normalisierung der Finanzierungkosten an den Finanzmärkten der Erbbauzins unverhältnismäßig niedrig werden würde.

 

Um die Attraktivität einer Erbbaurechtsregelung für die Grundstücksbewerber gesichert einschätzen zu können, wäre es auch möglich den Grundstücksbewerbern bei einer Vermarktung die Wahlmöglichkeit zwischen Grundstückserwerb und Erbbaurechtsregelung zu geben.

 

Von Seiten der Stadt ist allerdings auch zu berücksichtigen, dass die Vermarktung von Baugrund-stücken im Wege des Erbbaurechtes dauerhaft einen erheblichen Verwaltungsaufwand verursacht. Jede Änderung des Vertrages (z. B. Belastungen des Erbbaurechtes, Verlängerungen des Vertrages, Veräußerungen des Erbbaurechtes, Erbfälle etc.) sowie eventuelle Zahlungsschwierigkeiten der Erbbauberechtigten, die die Möglichkeit eines Heimfalls (mit Entschädigungsanspruch des Erbbauberechtigten) oder einer Zwangsversteigerung (mit der Gefahr eines dauerhaften Verlustes des Erbbauzinsanspruchs) verursachen könnten, bedürfen ggfs. einer aufwändigen und rechtlich anspruchsvollen Prüfung und können bei Heimfall oder Zwangsversteigerung auch zu finanziellen Belastungen der Stadt führen. Hier hat die Stadt bei Erbbaurechten für gewerbliche Zwecke bereits sehr negative Erfahrungen gesammelt. Nach der derzeitigen Zuständigkeitsordnung des Rates bedürfen alle dargestellten Fälle auch jeweils eines Ratsbeschlusses.

 

Das oben erwähnte Ziel der Bekämpfung der Bodenspekulation und der Dämpfung der zum Teil drastisch steigenden Bodenpreise dürfte nur dann ansatzweise erreichbar sein, wenn von einer erheblichen Anzahl von Erbbaurechten ausgegangen werden könnte. Bei einer überschaubaren Anzahl von Erbbaurechten dürfte kein Effekt am Markt zu erwarten sein.

 

Insgesamt wird das Angebot von städtischen Baugrundstücken im Wege von Erbbaurechten zum aktuellen Zeitpunkt eher kritisch gesehen.

 

 

 

In Vertretung

 

gez.

 

Michael Assenmacher

Technischer Beigeordneter