- Ausgangslage
/ Vorgeschichte
Im Rahmen der Energiewende soll vermehrt
Windenergie aus dem Norden in die Mitte und den Süden Deutschlands
transportiert werden. Eine der dafür vom sogenannten Bundesbedarfsplangesetz
vorgesehenen „Stromautobahnen“ ist eine Höchstspannungsleitung von Emden im
Norden nach Philippsburg im Süden. Diese Strecke gliedert sich in zwei Teile,
und zwar in das Vorhaben A Nord von Emden bis Osterath (als Erdkabel) und das
Vorhaben Ultranet von Osterath bis Philippsburg (als Freilandleitung); diese
beiden Stromtrassen finden sich als sogenannte Vorhaben 1 und 2 im
Bundesbedarfsplangesetz. An den jeweiligen Anfangs- bzw. Endpunkten der
Leitungen sind Konverter vorgesehen, die Gleichstrom in Wechselstrom umwandeln
und umgekehrt.
Als Netzverknüpfungspunkt zwischen den
beiden genannten Vorhaben benennt das Bundesbedarfsplangesetz Osterath. Wegen
fehlender Alternativ- und Umweltverträglichkeitsprüfung hat die Stadt am
29.07.2013 Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe
eingereicht und den Klagevortrag in der Folgezeit aufgrund von
Gesetzesänderungen und der im Verlauf des Verfahrens erfolgten Fokussierung auf
den Standort Osterath immer wieder ergänzt. Obwohl das Bundesverfassungsgericht
zwischenzeitlich bei verschiedenen Bundes- und Landesbehörden Stellungnahmen
angefordert und auch erhalten hat und die Stadt Meerbusch sich dazu über ihren
Rechtsanwalt jüngst erneut geäußert hat, ist eine Entscheidung über die
Zulassung der Verfassungsbeschwerde bislang nicht erfolgt.
Unabhängig davon haben der Vorhabenträger
Amprion und die für die Genehmigung der Vorhaben A Nord und Ultranet zuständige
Bundesnetzagentur die sogenannten Bundesfachplanungsverfahren für beide
Vorhaben vorangetrieben. Konkret sind zu deren jeweiligem Abschluss Ende Mai
d.J. zwei Entscheidungen der Bundesnetzagentur ergangen, die Anfang Juni d.J.
bekannt gemacht worden sind. Um Wesen und Charakter dieser Entscheidungen
einordnen zu können, ist nochmals – die Verwaltung hat in den letzten Jahren
immer wieder über Sachstand und Fortgang der Verfahren informiert – auf die
Genehmigungsverfahren und deren Verlauf einzugehen.
- Einordnung
der aktuellen Entscheidungen
Das Bundesfachplanungsverfahren, an das sich
für das jeweilige Vorhaben ein Planfeststellungsverfahren anschließt, hat der
Gesetzgeber speziell zur Umsetzung der Energiewende und des Netzausbaus
geschaffen. Beide Verfahren sind durch einen mehrstufigen Ablauf und eine
intensive Beteiligung der Öffentlichkeit gekennzeichnet. So dient auf der
ersten Stufe das Bundesfachplanungsverfahren dazu, einen Trassenkorridor
festzulegen, d.h. einen (groben, rund 1km breiten) Gebietsstreifen, innerhalb
dessen die spätere Stromleitung (A Nord, Ultranet) verlaufen soll. Die
zuständige Bundenetzagentur – so sieht es das sog.
Netzausbaubeschleunigungsgesetz (NABEG) vor – hat die entsprechenden
Antragsunterlagen auf Vollständigkeit zu prüfen, sie nach Freigabe öffentlich
auszulegen und sie nach fristgerechtem Eingang entsprechender Einwendungen aus
der Bevölkerung und der zu beteiligenden Behörden wiederum öffentlich mit allen
Beteiligten zu erörtern.
Die Stadt Meerbusch hat im Rahmen dieser
Verfahren zum einen unter dem 05.02.2020 eine ausführliche Stellungnahme zum
Vorhaben 2 (Ultranet) und zum anderen unter dem 14.08.2020 eine ausführliche
Stellungnahme zum Vorhaben 1 (A Nord) abgegeben und hat zudem an den
Erörterungsterminen zu beiden Vorhaben am 09.06.2020 in Düsseldorf (Ultranet)
und am 15.12.2020 in Moers (A Nord) teilgenommen.
Das Verfahren der Bundesfachplanung ist dann
durch eine sog. Entscheidung der Bundesnetzagentur über die Bundesfachplanung
gemäß § 12 NABEG abzuschließen, die öffentlich bekannt zu geben ist. Um diese
Entscheidungen handelt es sich bei den beiden aktuellen Veröffentlichungen der
Bundesnetzagentur. Für beide Vorhaben hat diese den jeweiligen Trassenkorridor
nun abschließend und verbindlich festgelegt.
Zum Rechtscharakter dieser Entscheidung
schreibt § 15 Abs. 3 NABEG ausdrücklich vor, dass sie keine unmittelbare
Außenwirkung hat und nur im Rahmen des Rechtsbehelfsverfahrens gegen die
anschließende Zulassungsentscheidung für die jeweilige Ausbaumaßnahme überprüft
werden kann.
Mit diesem „Zulassungsverfahren“ befindet
man sich dann auf der zweiten Stufe, nämlich dem Planfeststellungsverfahren, in
dem der ganz konkrete, „grundstücksscharfe“ Verlauf der Stromleitungen sowie
der Anbindungsleitungen für den Konverter innerhalb des zuvor beschriebenen
Trassenkorridors festgelegt und „zugelassen“ wird. Diese Zulassungsentscheidung
ist der sogenannte Planfeststellungsbeschluss. Erst dagegen ist dann der
Rechtsweg zum Bundesverwaltungsgericht eröffnet; die Überprüfung der vorherigen
Entscheidung über die Bundesfachplanung ist dabei ein inzidenter
Prüfungsbestandteil.
Amprion hat angekündigt, nun – nach
Abschluss der Bundesfachplanung auf der ersten Stufe – die Unterlagen für die
zweite Stufe, das sich anschließende Planfeststellungsverfahren, für beide
Vorhaben vorbereiten und einreichen zu wollen. Genehmigungsbehörde ist wiederum
die Bundesnetzagentur
Im Rahmen eines solchen
Planfeststellungsverfahrens könnte an sich auch die Genehmigung für einen
Konverter als sogenannter Nebenanlage zu den Stromleitungen mit beantragt und
erteilt werden. Amprion hat allerdings nicht diesen Weg gewählt, sondern
bekanntlich im September 2019 einen Antrag auf Genehmigung des Konverters am
Standort Osterath nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG) beim
Rhein-Kreis Neuss als zuständiger Immissionsschutzbehörde gestellt. Auch im
Rahmen dieses Verfahrens hat die Stadt Meerbusch unter dem 15.04.2020 eine
ausführliche Stellungnahme abgegeben und zudem dem Vorhaben gemäß § 36 BauGB das
gemeindliche Einvernehmen versagt. Dieses Verfahren ist nach wie vor nicht
abgeschlossen.
- Rechtschutzmöglichkeiten
Aktuell stellt sich (erneut) die Frage, ob
die Stadt Meerbusch trotz der anders lautenden gesetzlichen Regelung in § 15
Abs. 3 NABEG bereits jetzt gegen die gerade gemäß § 12 NABEG ergangenen
Entscheidungen der Bundesnetzagentur über die Bundesfachplanung Rechtsmittel
einlegen kann. Dazu hatte die Verwaltung bereits im Jahre 2019 ein
Rechtsgutachten eingeholt, das Gegenstand der Ratssitzung am 29.10.2019 war.
Dieses war damals zu dem Ergebnis gekommen, dass ein rechtliches Vorgehen gegen
eine solche Entscheidung in diesem (frühen) Stadium – das
Planfeststellungsverfahren folgt jetzt erst – zwar denkbar, aber sehr schwierig
sei mit denkbar ungewissen Erfolgsaussichten. Damals gab es zu dieser Frage
noch keinerlei Rechtsprechung.
Dies hat sich zwischenzeitlich – letztlich
leider zum Nachteil der betroffenen Kommunen sowie Bürgerinnen und Bürger –
geändert. Denn das Bundesverwaltungsgericht hat mit Beschluss vom 24.03.2021
entschieden, dass der Bundesfachplanung keine Außenwirkung zukomme, so dass der
Gesetzgeber ein direktes Rechtsschutzmittel gegen die
Bundesfachplanungsentscheidung ausschließen durfte. Dies wird zum einen mit dem
Wortlaut der Vorschrift begründet und zum anderen damit, dass ein Rechtsmittel
gegen den sich anschließenden Planfeststellungsbeschluss gesetzlich vorgesehen
ist; im Rahmen dieses Rechtsbehelfsverfahrens werde dann die Rechtmäßigkeit der
Bundesfachplanungsentscheidung im Nachhinein inzident mit überprüft.
Vor diesem Hintergrund hat dann auch Herr
Rechtsanwalt Dr. Durinke, der die Stadt in den voraufgeführten
Bundesfachplanungs- und immissionsschutzrechtlichen Verfahren seit langem
begleitet, auf Anfrage deutlich gemacht, dass aktuelle, unmittelbare Klagen
gegen die Bundesfachplanungsentscheidungen „von vornherein keine Aussicht auf
Erfolg“ haben: „Statt dessen wird die Entscheidung über die Bundesfachplanung
vollumfänglich Prüfungsgegenstand in einem Rechtsmittelverfahren gegen den
nachfolgenden Planfeststellungsbeschluss. Insofern verschiebt sich der
Zeitpunkt des Rechtsmittels“.
Die Verwaltung folgt der Einschätzung und
dem Ratschlag von Herrn Rechtsanwalt Dr. Durinke und informiert daher lediglich
im Rahmen einer Informationsvorlage, ohne ein (aussichtsloses) Vorgehen gegen
die aktuellen Bundesfachplanentscheidungen der Bundesnetzagentur zu empfehlen.
Über den weiteren Verlauf der Verfahren wird
die Verwaltung den Rat und / oder den HFWA auch weiterhin auf dem Laufenden
halten.
gez.
Christian Bommers
Bürgermeister