Betreff
Aktuelle Bundesfachplanungsentscheidungen der Bundesnetzagentur: A Nord und Ultranet
Vorlage
BJ/0481/2021
Art
Informationsvorlage

 

 

  • Ausgangslage / Vorgeschichte

 

Im Rahmen der Energiewende soll vermehrt Windenergie aus dem Norden in die Mitte und den Süden Deutschlands transportiert werden. Eine der dafür vom sogenannten Bundesbedarfsplangesetz vorgesehenen „Stromautobahnen“ ist eine Höchstspannungsleitung von Emden im Norden nach Philippsburg im Süden. Diese Strecke gliedert sich in zwei Teile, und zwar in das Vorhaben A Nord von Emden bis Osterath (als Erdkabel) und das Vorhaben Ultranet von Osterath bis Philippsburg (als Freilandleitung); diese beiden Stromtrassen finden sich als sogenannte Vorhaben 1 und 2 im Bundesbedarfsplangesetz. An den jeweiligen Anfangs- bzw. Endpunkten der Leitungen sind Konverter vorgesehen, die Gleichstrom in Wechselstrom umwandeln und umgekehrt.

 

Als Netzverknüpfungspunkt zwischen den beiden genannten Vorhaben benennt das Bundesbedarfsplangesetz Osterath. Wegen fehlender Alternativ- und Umweltverträglichkeitsprüfung hat die Stadt am 29.07.2013 Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe eingereicht und den Klagevortrag in der Folgezeit aufgrund von Gesetzesänderungen und der im Verlauf des Verfahrens erfolgten Fokussierung auf den Standort Osterath immer wieder ergänzt. Obwohl das Bundesverfassungsgericht zwischenzeitlich bei verschiedenen Bundes- und Landesbehörden Stellungnahmen angefordert und auch erhalten hat und die Stadt Meerbusch sich dazu über ihren Rechtsanwalt jüngst erneut geäußert hat, ist eine Entscheidung über die Zulassung der Verfassungsbeschwerde bislang nicht erfolgt.

 

Unabhängig davon haben der Vorhabenträger Amprion und die für die Genehmigung der Vorhaben A Nord und Ultranet zuständige Bundesnetzagentur die sogenannten Bundesfachplanungsverfahren für beide Vorhaben vorangetrieben. Konkret sind zu deren jeweiligem Abschluss Ende Mai d.J. zwei Entscheidungen der Bundesnetzagentur ergangen, die Anfang Juni d.J. bekannt gemacht worden sind. Um Wesen und Charakter dieser Entscheidungen einordnen zu können, ist nochmals – die Verwaltung hat in den letzten Jahren immer wieder über Sachstand und Fortgang der Verfahren informiert – auf die Genehmigungsverfahren und deren Verlauf einzugehen.

 

 

 

 

  • Einordnung der aktuellen Entscheidungen

 

Das Bundesfachplanungsverfahren, an das sich für das jeweilige Vorhaben ein Planfeststellungsverfahren anschließt, hat der Gesetzgeber speziell zur Umsetzung der Energiewende und des Netzausbaus geschaffen. Beide Verfahren sind durch einen mehrstufigen Ablauf und eine intensive Beteiligung der Öffentlichkeit gekennzeichnet. So dient auf der ersten Stufe das Bundesfachplanungsverfahren dazu, einen Trassenkorridor festzulegen, d.h. einen (groben, rund 1km breiten) Gebietsstreifen, innerhalb dessen die spätere Stromleitung (A Nord, Ultranet) verlaufen soll. Die zuständige Bundenetzagentur – so sieht es das sog. Netzausbaubeschleunigungsgesetz (NABEG) vor – hat die entsprechenden Antragsunterlagen auf Vollständigkeit zu prüfen, sie nach Freigabe öffentlich auszulegen und sie nach fristgerechtem Eingang entsprechender Einwendungen aus der Bevölkerung und der zu beteiligenden Behörden wiederum öffentlich mit allen Beteiligten zu erörtern.

 

Die Stadt Meerbusch hat im Rahmen dieser Verfahren zum einen unter dem 05.02.2020 eine ausführliche Stellungnahme zum Vorhaben 2 (Ultranet) und zum anderen unter dem 14.08.2020 eine ausführliche Stellungnahme zum Vorhaben 1 (A Nord) abgegeben und hat zudem an den Erörterungsterminen zu beiden Vorhaben am 09.06.2020 in Düsseldorf (Ultranet) und am 15.12.2020 in Moers (A Nord) teilgenommen.

 

Das Verfahren der Bundesfachplanung ist dann durch eine sog. Entscheidung der Bundesnetzagentur über die Bundesfachplanung gemäß § 12 NABEG abzuschließen, die öffentlich bekannt zu geben ist. Um diese Entscheidungen handelt es sich bei den beiden aktuellen Veröffentlichungen der Bundesnetzagentur. Für beide Vorhaben hat diese den jeweiligen Trassenkorridor nun abschließend und verbindlich festgelegt.

 

Zum Rechtscharakter dieser Entscheidung schreibt § 15 Abs. 3 NABEG ausdrücklich vor, dass sie keine unmittelbare Außenwirkung hat und nur im Rahmen des Rechtsbehelfsverfahrens gegen die anschließende Zulassungsentscheidung für die jeweilige Ausbaumaßnahme überprüft werden kann.

 

Mit diesem „Zulassungsverfahren“ befindet man sich dann auf der zweiten Stufe, nämlich dem Planfeststellungsverfahren, in dem der ganz konkrete, „grundstücksscharfe“ Verlauf der Stromleitungen sowie der Anbindungsleitungen für den Konverter innerhalb des zuvor beschriebenen Trassenkorridors festgelegt und „zugelassen“ wird. Diese Zulassungsentscheidung ist der sogenannte Planfeststellungsbeschluss. Erst dagegen ist dann der Rechtsweg zum Bundesverwaltungsgericht eröffnet; die Überprüfung der vorherigen Entscheidung über die Bundesfachplanung ist dabei ein inzidenter Prüfungsbestandteil.

 

Amprion hat angekündigt, nun – nach Abschluss der Bundesfachplanung auf der ersten Stufe – die Unterlagen für die zweite Stufe, das sich anschließende Planfeststellungsverfahren, für beide Vorhaben vorbereiten und einreichen zu wollen. Genehmigungsbehörde ist wiederum die Bundesnetzagentur

 

Im Rahmen eines solchen Planfeststellungsverfahrens könnte an sich auch die Genehmigung für einen Konverter als sogenannter Nebenanlage zu den Stromleitungen mit beantragt und erteilt werden. Amprion hat allerdings nicht diesen Weg gewählt, sondern bekanntlich im September 2019 einen Antrag auf Genehmigung des Konverters am Standort Osterath nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG) beim Rhein-Kreis Neuss als zuständiger Immissionsschutzbehörde gestellt. Auch im Rahmen dieses Verfahrens hat die Stadt Meerbusch unter dem 15.04.2020 eine ausführliche Stellungnahme abgegeben und zudem dem Vorhaben gemäß § 36 BauGB das gemeindliche Einvernehmen versagt. Dieses Verfahren ist nach wie vor nicht abgeschlossen.

 

 

  • Rechtschutzmöglichkeiten

 

Aktuell stellt sich (erneut) die Frage, ob die Stadt Meerbusch trotz der anders lautenden gesetzlichen Regelung in § 15 Abs. 3 NABEG bereits jetzt gegen die gerade gemäß § 12 NABEG ergangenen Entscheidungen der Bundesnetzagentur über die Bundesfachplanung Rechtsmittel einlegen kann. Dazu hatte die Verwaltung bereits im Jahre 2019 ein Rechtsgutachten eingeholt, das Gegenstand der Ratssitzung am 29.10.2019 war. Dieses war damals zu dem Ergebnis gekommen, dass ein rechtliches Vorgehen gegen eine solche Entscheidung in diesem (frühen) Stadium – das Planfeststellungsverfahren folgt jetzt erst – zwar denkbar, aber sehr schwierig sei mit denkbar ungewissen Erfolgsaussichten. Damals gab es zu dieser Frage noch keinerlei Rechtsprechung.

 

Dies hat sich zwischenzeitlich – letztlich leider zum Nachteil der betroffenen Kommunen sowie Bürgerinnen und Bürger – geändert. Denn das Bundesverwaltungsgericht hat mit Beschluss vom 24.03.2021 entschieden, dass der Bundesfachplanung keine Außenwirkung zukomme, so dass der Gesetzgeber ein direktes Rechtsschutzmittel gegen die Bundesfachplanungsentscheidung ausschließen durfte. Dies wird zum einen mit dem Wortlaut der Vorschrift begründet und zum anderen damit, dass ein Rechtsmittel gegen den sich anschließenden Planfeststellungsbeschluss gesetzlich vorgesehen ist; im Rahmen dieses Rechtsbehelfsverfahrens werde dann die Rechtmäßigkeit der Bundesfachplanungsentscheidung im Nachhinein inzident mit überprüft.

 

Vor diesem Hintergrund hat dann auch Herr Rechtsanwalt Dr. Durinke, der die Stadt in den voraufgeführten Bundesfachplanungs- und immissionsschutzrechtlichen Verfahren seit langem begleitet, auf Anfrage deutlich gemacht, dass aktuelle, unmittelbare Klagen gegen die Bundesfachplanungsentscheidungen „von vornherein keine Aussicht auf Erfolg“ haben: „Statt dessen wird die Entscheidung über die Bundesfachplanung vollumfänglich Prüfungsgegenstand in einem Rechtsmittelverfahren gegen den nachfolgenden Planfeststellungsbeschluss. Insofern verschiebt sich der Zeitpunkt des Rechtsmittels“.

 

Die Verwaltung folgt der Einschätzung und dem Ratschlag von Herrn Rechtsanwalt Dr. Durinke und informiert daher lediglich im Rahmen einer Informationsvorlage, ohne ein (aussichtsloses) Vorgehen gegen die aktuellen Bundesfachplanentscheidungen der Bundesnetzagentur zu empfehlen.

 

Über den weiteren Verlauf der Verfahren wird die Verwaltung den Rat und / oder den HFWA auch weiterhin auf dem Laufenden halten.

 


gez.

 

Christian Bommers

Bürgermeister