Im Zusammenhang mit der Bewältigung der Corona – Pandemie wurde im Rahmen der letzten Haushaltsberatungen die Frage diskutiert, wie die Belüftungssituation in den Klassenräumen der Schulgebäude so verbessert werden kann, dass die Aerosolkonzentration in der Raumluft während des Unterrichts möglichst gering bleibt. Ziel dieser Überlegungen ist es, die Ansteckungsgefahr in Räumen, in denen sich eine Vielzahl von Personen zeitgleich aufhalten, deutlich zu minimieren. Auf Antrag der Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen hat der Rat der Stadt Meerbusch schließlich mit Beschluss des Haushaltsplan 2021 25.000 € für den Einbau von Lüftungsanlagen in Schulen nach dem sogenannten „Mainzer Modell“ bereitgestellt.
Unter diesen Lüftungsanlagen versteht man eine selbstgebaute Konstruktion bestehend aus Folienschirmen, Kunststoffabwasserrohren und einem handelsüblichen Tischventilator. Diese Bauteile wurden zuerst testweise an einer Schule in Mainz zu einer einfachen Klassenraum-Abluftanlage zusammengebaut. Die Max-Planck-Gesellschaft (MPG) hat die Wirkung dieser Abluftanlage messtechnisch untersucht und kommt in ihrer Expertise zu dem Schluss, dass im Laborversuch die Aerosolkonzentration in einem Raum um bis zu 90% reduziert werden kann. Die Anlage kann mit Bauteilen/-stoffen aus dem Baumarkt aufgebaut werden. Die Materialkosten sollen sich nach Angaben der MPG auf rd. 200 €/ Klassenraum belaufen. Nähere Informationen zu dieser Anlage sind unter https://www.mpg.de/15962809/corona-lueftung-aerosole-luft abrufbar.
Das Prinzip der Konstruktion beruht darauf, dass verbrauchte Luft (ggfls. mit Virenbelastung) über die Folienschirme und Rohrleitungen gesammelt und mittels Ventilator nach außen abgeführt wird. Gleichzeitig muss frische Aussenluft über mind. ein gekipptes Fenster in den Raum nachströmen können.
Verschiedene andere Städte haben den Vorschlag der MPG aufgegriffen und in Modellversuchen die Anlagen nachgebaut. Inzwischen finden sich im Internet aber auch zahlreiche kritische Meinungen zu dieser Art von Lüftungsanlagen.
In
Meerbusch hat der Rat der Stadt – gegen die fachliche Meinung der Verwaltung –
wie bereits oben dargestellt, Haushaltsmittel zur Errichtung dieser
Lüftungsanlagen bereit gestellt. Nach wie vor ist die Verwaltung der
Auffassung, dass eine Lüftungsanlage, so wie von der MPG beschrieben, in NRW
nicht eingebaut werden darf. Nach § 18 Landesbauordnung dürfen Bauprodukte bzw.
Bauarten nur dann verwendet werden, wenn sie die Anforderungen des Gesetzes
erfüllen und gebrauchstauglich sind. Dabei werden die Anforderungen weiter in
den §§ 19 – 21 spezifiziert. Bauprodukte dürfen demnach nur eingesetzt werden,
wenn sie über ein CE-Kennzeichen, einen Verwendbarkeitsnachweis und über eine
allgemeine bauaufsichtliche Zulassung verfügen. In diesen Dokumenten wird der
genaue Einsatzzweck, die Montage und die Verwendungsart nach einer umfassenden
Prüfung freigegeben. Ein Kunststoffabwasserrohr hat danach keine Zulassung zur
Verwendung als Lüftungsrohr, ein Tischventilator verliert seine CE –
Kennzeichnung bei der vorgesehenen baulichen Veränderung und beim Festeinbau in
ein Lüftungsrohr, die Folienschirme sind überhaupt nicht geprüft. Die
Verwaltung vertritt daher die Auffassung, dass die beschriebene Konstruktion
haftungsrechtlich äußerst bedenklich ist.
Gleichwohl
hat die Verwaltung – entsprechend dem Auftrag des Rates – eine Ausschreibung
zur Errichtung dieser Anlagen vorbereitet und unmittelbar nach dem
Ratsbeschluss auf den Markt gegeben. Als Modellschule wurde die Mauritiusschule
ausgewählt, da diese im Vergleich der Grundschulen über die vergleichweise
kleinsten Klassenräume mit der höchsten Belegungsdichte verfügt (8
Klassenräume). Ausschreibungsgrundlage waren zum Einen Lüftungsanlagen nach dem
oben beschriebenen Mainzer Modell, alternativ wurden Preise für eine „einfache“
Lüftungsanlage (aber hier bestehend aus zugelassenen Bauteilen (Aluminium
Wellrohre, Tellerventile zur Luftabsaugung, Abluftventilator und
Rohrschalldämpfer)) mit abgefragt. Die Ausschreibung erfolgte unter 20
Fachfirmen für Lüftungsanlagen.
Schon
während der Laufzeit der Ausschreibung wurde die Verwaltung von einigen
Fachfirmen darüber informiert, dass man für die ausgeschriebenen
Lüftungsanlagen nach dem Mainzer Modell kein Angebot abgeben könne, da dieses
technisch unzulänglich konstruiert sei und man als Fachfirma dafür keine
Gewährleistung übernehmen könne. Zur Submission hatten dann drei Firmen
Angebote abgegeben. Ein Angebot in Höhe von 36.366,40 € für die Anlage nach
Mainzer Modell, drei Angebote für die alternativ ausgeschriebene Lösung mit
herkömmlichen Lüftungsbauteilen. Hier liegt das günstigste Angebot bei
35.377,93 €. Zur Erteilung des Auftrages bedarf es daher noch der
überplanmäßigen Bereitsstellung weiterer Haushaltsmittel in Höhe von rd. 10 T€.
Die
Verwaltung hat den Auftrag zur Montage der Lüftungsanlagen allerdings noch
nicht erteilt. Das Umweltbundesamt empfiehlt nach wie vor das regelmäßige
Lüften der Klassenräume.
Sofern
dies eingehalten wird, ist der Einbau von Lüftungsanlagen (oder auch von reinen
Abluftanlagen) nicht erforderlich. Sollte der Auftrag zum Einbau der
Lüftungsanlagen in acht Klassenräume der Mauritiusschule erteilt werden, wird
zwangsläufig die Frage nach der Nachrüstung in allen anderen Klassenräumen
aufgeworfen. Hierfür müssten dann aber Haushaltsmittel in Höhe von ca. 1,35
Mio€ bereitgestellt werden.
Vor
dem Hintergrund der gerade begonnenen Diskussion um die Umgestaltung und den
Ausbau der Schulen aufgrund der enorm anwachsenden Schülerzahlen und für den
gebundenen Ganztag ist der vorgezogene Einbau einfacher Lüftungsanlagen
ebenfalls wenig sinnvoll, da die Anlagen im Zuge der Umgestaltung dann
größtenteils wieder zurückgebaut werden müssten.
Die
Verwaltung ist daher der Auffassung, dass b.a.W. auf den Einbau einfacher
Abluftanlagen verzichtet werden sollte, stattdessen erfolgt das regelmäßige
Lüften entsprechend den Empfehlungen des Umweltbundesamtes. Im Zuge der
Umgestaltung der Schulen sollten dann zentrale oder dezentrale Lüftungsanlagen
mit Wärmerückgewinnung und Nachtauskühlfunktion in allen Klassenräumen geplant
und eingebaut werden. Dies hätte den erheblichen Vorteil, dass während des
Unterrichts permanent energiesparend Frischluft zugeführt wird (dauerhaft
niedrige CO2-Konzentration im Raum) und dass in den Sommermonaten durch die
Nachtkühlfunktion eine Reduzierung der Raumtemperaturen ohne aufwendige,
technische Kühlung erreicht werden kann.
In Vertretung
gez.
Michael Assenmacher
Technischer Beigeordneter