Betreff
Information über die inhaltliche und organisatorische Einbettung des Themenbereichs Stadtgestaltung in den FB 4 Stadtplanung und Bauordnung
Vorlage
FB4/0454/2021
Art
Informationsvorlage

Sachverhalt:

 

Kurzzusammenfassung

Der Bewahrung des baukulturellen Erbes kommt mit Blick auf Heimatverbundenheit und Identitätsbildung eine hohe Bedeutung zu, gerade in Zeiten, die durch vielfältigen Wandel gekennzeichnet sind. Durch die hohe Nachfrage nach Bauland und die daraus resultierende Flächenknappheit in Verbindung mit hohen und (bislang) weiter steigenden Bodenpreisen rücken bei Bauvorhaben wirtschaftliche Aspekte immer weiter in den Vordergrund, was zunehmend zu Lasten baugestalterischer Aspekte geschieht. Vor dem Hintergrund wird der Bedarf gesehen, dem Themenbereich Stadtgestaltung einen künftig größeren Stellenwert innerhalb der Stadtverwaltung einzuräumen. Dazu wird im Fachbereich 4 eine Stelle geschaffen, die sich mit der vielschichtigen Thematik Stadtgestaltung befassen wird.

Eine wesentliche Aufgabe dieser Stelle wird es sein, maßgebliche Akteure für das Thema Stadtgestaltung zu sensibilisieren. Im Fokus stehen Vorhabenträger mit ihren Bauvorhaben, aber auch zur Verwaltung und Politik wird es Schnittstellen geben. Als Einstieg in die Thematik steht eine umfassende Bestandsaufnahme des Stadtgebietes an, um den erhaltenswerten Bestand zu definieren. Es gilt herauszuarbeiten, was ortsbildtypisch ist und unter Berücksichtigung welcher baugestalterischen Elemente das bestehende Stadtbild in verträglicher Weise weiterentwickelt werden kann.

Im Unterschied zum Denkmalschutz geht es bei der Stelle nicht um den Erhalt des Bestands, sondern darum, die (baugestalterische) Entwicklung der Stadt zu begleiten und in einem gewissen Rahmen auch zu lenken. Neu Hinzukommendes soll im Sinne einer harmonischen Weiterentwicklung die vorhandenen baugestalterischen Qualitäten – die maßgeblich das Stadtbild (in positiver Weise) prägen und somit zur Identitätsbildung und Heimatverbundenheit beitragen – ergänzen.

 

1. Anlass und Begründung

Ortsbildprägende Bauwerke, Ensembles, Siedlungsstrukturen und Landschaften schaffen Verbindungen, wirken identitätsstiftend und vermitteln ein Gefühl von Heimat und Wohlbefinden. In einer Zeit voller neuer Herausforderungen rückt die Bedeutung von Baukultur, gerade auch im Zusammenhang mit Stadtgestaltung, vermehrt in den Fokus. Dabei beschränkt sich das Thema nicht ausschließlich auf die Diskussionen in Fachkreisen. Vielmehr findet die Diskussion baukultureller und stadtgestalterischer Fragestellungen in vielen Teilen der Stadtgesellschaft statt. Letztlich passiert dies bereits dann, wenn sich Nachbarschaften sorgen, ob das in Bau befindliche Wohngebäude auf dem Nachbargrundstück in das Straßenbild passt oder wenn Bewohner geplante Siedlungsentwicklungen in „ihrem“ Ortsteil kritisch betrachten, weil sie eine Überformung des bisherigen Stadtbildes befürchten.

Natürlich gibt es auch jenseits von Baukultur ganz individuelle und subjektive Gründe, eine bauliche Entwicklung kritisch zu betrachten, weil liebgewonnene Gewohnheiten, beispielsweise die eines freien Ausblicks oder die vertraute Spazierroute beeinträchtigt oder vielleicht auch verloren gehen könnten. Es zeigt sich jedoch, dass häufig in den Diskussionen auch ein grundlegendes Interesse daran besteht, wie sich die vertraute Heimat (baulich) entwickeln soll, ganz unabhängig von einer direkten persönlichen Betroffenheit. So oder so ist es für die Entwicklung einer Stadt von positiver Bedeutung, wenn sich die in ihr lebenden Menschen mit Baukultur und Stadtgestaltung auseinandersetzen und sich damit identifizieren können.

Dieses Engagement gilt es wertzuschätzen, aufzugreifen und zielführend in die entsprechenden Entwicklungsprojekte einzubeziehen. Dies wird in Meerbusch bereits seit vielen Jahren in guter Weise gemacht, wie eine Vielzahl unterschiedlichster Beteiligungsprozesse zeigt. Als jüngstes Beispiel sei die Beteiligung der Öffentlichkeit zum Integrierten Handlungskonzept Osterath erwähnt oder mit Blick in die Zukunft, die geplante Beteiligung rund um die Überlegungen einer Siedlungsentwicklung im Bereich Kamperweg im Stadtteil Osterath.

Gleichwohl sieht die Verwaltung Potenzial und auch den Bedarf, Baukultur und Stadtgestaltung noch stärker in ihrem Handeln zu berücksichtigen. Weil die Anforderungen hierzu steigen, bedarf es künftig einer Stelle, die sich – nicht nur punktuell, wie bisher – vorrangig mit dem Thema Stadtgestaltung in Meerbusch befasst.

Beginnend mit einer Begriffsbestimmung wird im Weiteren ausgeführt, warum Stadtgestaltung als Teilbereich von Baukultur gerade in Meerbusch eine wichtige Aufgabe darstellt, welche übergeordneten Ziele mit der Stellenschaffung verfolgt werden und in welchen konkreten Tätigkeiten sich diese künftig wiederfinden sollen.

 

Begriffsbestimmung Stadtgestaltung

Stadtgestaltung ist ein Teil der Baukultur. Sie umfasst städtebauliche Elemente, wie Straßen, Gebäude und Räume, ordnet diese in visuelle Zusammenhänge und stellt deren wechselseitige Beziehungen her. Hierbei widmet sich die Stadtgestaltung sowohl Einfamilienhäusern als auch Straßenzügen, Siedlungen und ganzen Ortschaften. Details werden, ohne den Städtebau aus den Augen zu verlieren, betrachtet, um ein harmonisches Gesamtgefüge der unterschiedlichen Elemente zu schaffen.

Eine qualitativ hochwertige Stadtgestaltung entspricht neben funktionalen und ökonomischen Anforderungen auch gesellschaftlichen Bedürfnissen. Sie fördert Quartiere und Nachbarschaften, verstärkt die Verbundenheit und Identifikation mit Orten und schafft das Gefühl von Heimat. Fühlt sich der Mensch wohl in seiner Umgebung, wird er diese hüten, werden Nachbarschaften gepflegt, werden solidarische Gemeinschaften gebildet. Diese psychologischen Aspekte scheinen gerade in der heutigen Zeit wichtiger denn je.

 

Warum ist Stadtgestaltung gerade jetzt wichtig für Meerbusch?

Stadtgestaltung im o.g. Sinn entsteht nicht von alleine. Es gibt (ökonomische) Entwicklungen, die eine qualitativ hochwertige Stadtgestaltung beeinträchtigen oder gar verhindern. So haben das Bevölkerungswachstum in Meerbusch, der anhaltende Bau-Boom und die Flächenknappheit mit Auswirkungen auf die Bodenpreise zur Folge, dass immer mehr standardisierte Neubauvorhaben auf kleinen Grundstücken geschaffen werden. Es gibt wenig identifikationsstiftende Momente in Neubaugebieten und einen Mangel an Vielfalt allein im Hinblick auf die ausgewählten Materialien. Hierbei handelt es sich allerdings nicht um ein lokales Phänomen. Vielmehr zeichnen sich solche Entwicklungen regelmäßig in Kommunen ab, bei denen aufgrund des hohen Siedlungsdrucks bei entsprechender Flächenknappheit und hohen Bodenpreisen der Aspekt des vermeintlich günstigen Bauens durch Investoren mit Hinweis auf die Wirtschaftlichkeit in den Vordergrund gerückt wird. Dabei ist es ein Trugschluss, dass stadtgestalterisch wertige Bebauung stets nur zu Lasten der Wirtschaftlichkeit realisiert werden kann. Zum einen lässt sich gestalterische Qualität durchaus auch kostengünstig umsetzen, zum anderen wirkt sich eine hohe gestalterische Qualität auch auf den Wert eines Objekts positiv aus. Insofern zeigt sich hier bereits ein erstes Handlungsfeld für die neu eingerichtete Stelle, in dem unter Beachtung der Wirtschaftlichkeit Lösungswege hin zu mehr gestalterischer Qualität aufgezeigt werden.

 

2. Aufgabenbereich/Zuständigkeit

Der Fachbereich 4 gliedert sich in die beiden Abteilungen Stadtplanung und Bauordnung. Während die Abteilung Stadtplanung mit den Aufgabenbereichen der Stadtentwicklung und Stadtplanung im Wesentlichen die Weichenstellung für die künftige räumliche Entwicklung im Fokus hat, steht in der Abteilung Bauordnung mit der Beratung und Genehmigung von Bauvorhaben die Umsetzung im Vordergrund der täglichen Arbeit. Mit diesem Aufgabenzuschnitt stellt der Fachbereich 4 die ideale Verortung für eine Stelle zur Förderung der Stadtgestaltung dar.

In der Schnittstelle zwischen Planungs- und Umsetzungsebene kann einerseits bereits frühzeitig im Planungsprozess Einfluss genommen werden, beispielsweise bei der Mitwirkung an der Auslobung von Wettbewerben, der Aufstellung von Bebauungsplänen oder der Ausarbeitung von Gestaltungssatzungen. Andererseits können durch die Nähe zur Umsetzungsebene entsprechende Beratungsleistung erfolgen und gleichzeitig überprüft werden, ob die im Zuge der Planung anvisierten stadtgestalterischen Ziele und ausgearbeiteten Instrumente im gewünschten Maße im Zuge der Umsetzung wirken. Hieraus lassen sich wichtige Erkenntnisse für künftige Planungsprozesse ableiten.

An der Stelle ist darauf hinzuweisen, dass das Aufgabenfeld der Stadtgestaltung auch bisher schon vom Fachbereich 4 mit betrachtet wurde. Beispiele hierfür sind aus der jüngeren Vergangenheit die Wettbewerbsverfahren, die Ausarbeitung bzw. Änderungen von Gestaltungssatzungen, die Aufstellung von Bebauungsplänen zur Absicherung bestehender städtebaulicher Qualitäten (z.B. Bebauungsplan Nr. 318, Meerbusch-Osterath, „Musikerviertel“, Beschlussvorlage FB/1281/2020) oder die Ausarbeitung von Gestaltungsleitlinien im Zuge des Quartierskonzepts Meerbusch-Büderich „RheinEck“ (Beschlussvorlage FB4/1247/2020).

Allerdings zeichnen sich die bisherigen Aktivitäten dadurch aus, dass man im Wesentlichen „nur“ auf Entwicklungen reagiert hat. Die zuvor beschriebenen Einflüsse in Folge des Wachstums sowie das gleichzeitig größer werdende Bedürfnis nach einer identitätserhaltenden Stadtentwicklung zeigen jedoch deutlich, dass in Bezug auf Stadtgestaltung agiert werden muss. Erst dann ist eine echte Steuerung und Lenkung möglich. Wenn 90 % eines Vorhabens bereits ausgearbeitet sind, bevor man sich zu stadtgestalterischen Aspekten Gedanken macht, sind die Möglichkeiten von vornherein begrenzt. Kann bereits zu Beginn einer Planung auf stadtgestalterische Zielsetzungen zurückgegriffen werden, lassen sich ganz andere Qualitäten, zum Teil ohne Mehraufwand für den Vorhabenträger, erreichen.

Um eine Steuerungs- und Lenkungsfunktion zu ermöglichen, bedarf es zunächst einer fachkundigen Analyse zur Herausarbeitung der stadtgestalterischen Aspekte, die Meerbusch ausmachen, die identitätsstiftend wahrgenommen werden und die sich in geeigneter Weise auch bei neuen Entwicklungen wiederfinden sollen. Dementsprechend gestalten sich die Ziele und Aufgaben, die durch die neue Stelle verfolgt und umgesetzt werden sollen, wie das nachfolgende Kapitel verdeutlicht.

 

3. Ziele und Aufgaben

Ziel ist die Sensibilisierung der handelnden Akteure für die Möglichkeiten guten Planens und Bauens als gesellschaftlicher Anspruch für ein lebendiges Meerbusch. Konkreter Ortsbezug und neue Formate der Vermittlung sollen den Planenden helfen, Potentiale besser zu erkennen und eine integrierte sowie nachhaltige Stadtentwicklung durch qualitätsvolles sowie reflektiertes Planen umzusetzen.

Beispielsweise sollen Gestaltungshilfen erarbeitet werden, die eine Basis für die Planung von Bauvorhaben bilden. Diese Empfehlungen enthalten als Ideenquelle bspw. Aussagen über Materialität, Dachformen, Fassaden etc. und unterstützen so einen behutsamen Weiterbau des Bestandes. Solch ein Angebot, das selbst keine Umsetzungspflicht beinhaltet, stellt eine wichtige Hilfestellung für alle Planenden dar, in dem es Ansätze aufzeigt, wie ein Bauvorhaben positiv zur Stadtgestalt in Meerbusch beitragen kann.

Vor dem Hintergrund der zuvor beschriebenen Rahmenbedingungen im Bereich der Stadtentwicklung können auf Freiwilligkeit setzende Gestaltungshilfen jedoch nur einen Ansatz darstellen. Daher gilt es im Zuge der neuen Stelle auch weitere Instrumente zur Anwendung zu bringen, die durchaus auch rechtsverbindlich sein können, wie bspw. die in Meerbusch bereits erprobten Gestaltungssatzungen. Ob und welche weiteren Instrumente zur Anwendung gebracht werden, wird der Politik im Zuge weiterer Vorlagen durch die Verwaltung bei Zeiten vorgestellt werden.

 

Aufgaben

Der Themenbereich Stadtgestaltung hat die Aufgabe, über die üblichen Beratungsmöglichkeiten der Baubehörden hinaus, dem Planenden zu einem architektonisch und städtebaulich qualitätsvollen Entwurf zu verhelfen. Indem Gestaltungshilfen formuliert werden, bspw. in Form von Satzungen und Fibeln, die die Baukulturvermittlung möglich machen, soll den Akteuren (Bauherren, Planer, Politik, Öffentlichkeit) eines Bauvorhabens eine Ausgangsbasis geboten werden.

Um für eine solche Beratung eine begründete Basis zu schaffen, bedarf es eines methodischen Vorgehens in mehreren Arbeitsschritten. Um identifikationsstiftende/ortstypische Merkmale für Meerbusch und seine Ortsteile zu definieren, muss zunächst der Ursprung bis zur heutigen Entwicklung betrachtet werden. Der Status Quo wird mittels einer Stadtbildanalyse (gesamtstädtisch bis zur Quartiersebene) bspw. in Form von Steckbriefen, unterstützt durch Tabellen, Kartierungen und Fotodokumentationen, erfasst.

Darauf aufbauend gilt es herauszuarbeiten, welche Merkmale in Meerbusch typisch und prägend für die Stadtgestaltung sind. Daran orientiert sollen künftig Wettbewerbe, Bebauungspläne und Gestaltungssatzungen gewährleisten, dass bauliche Entwicklungen einen verträglichen und harmonischen Weiterbau der heute schon vorhandenen stadtgestalterischen Qualitäten darstellen. So soll Meerbusch auch in gestalterischer Hinsicht Heimat für die Bewohnerinnen und Bewohner bleiben.

 

Finanzielle Auswirkungen:

Die zusätzliche Stelle wird durch Anpassungen im Stellenplan des FB 4 geschaffen. Eine Stellenneuschaffung ist nicht erforderlich. Zum Sommer 2021 tritt eine von zwei Technischen Zeichnerinnen des FB 4 in den Ruhestand ein. Eine Nachbesetzung der Stelle ist nicht vorgesehen, da mit dem weitgehend abgeschlossenen Verjüngungsprozess in der Abteilung Stadtplanung künftig ein Großteil der zeichnerischen Tätigkeiten auf die Planerinnen und Planer übertragen wird. Die somit freiwerdende Stelle wird von der bisherigen Eingruppierung in EG 8 auf EG 11 angehoben, wodurch die Stelle Stadtgestaltung geschaffen wird.

 


In Vertretung

 

gez.

 

Michael Assenmacher

Technischer Beigeordneter