Sachverhalt:
Kurzzusammenfassung
Der Bewahrung des baukulturellen Erbes kommt mit Blick auf
Heimatverbundenheit und Identitätsbildung eine hohe Bedeutung zu, gerade in
Zeiten, die durch vielfältigen Wandel gekennzeichnet sind. Durch die hohe
Nachfrage nach Bauland und die daraus resultierende Flächenknappheit in
Verbindung mit hohen und (bislang) weiter steigenden Bodenpreisen rücken bei
Bauvorhaben wirtschaftliche Aspekte immer weiter in den Vordergrund, was
zunehmend zu Lasten baugestalterischer Aspekte geschieht. Vor dem Hintergrund
wird der Bedarf gesehen, dem Themenbereich Stadtgestaltung einen künftig
größeren Stellenwert innerhalb der Stadtverwaltung einzuräumen. Dazu wird im
Fachbereich 4 eine Stelle geschaffen, die sich mit der vielschichtigen Thematik
Stadtgestaltung befassen wird.
Eine wesentliche Aufgabe dieser Stelle wird es sein,
maßgebliche Akteure für das Thema Stadtgestaltung zu sensibilisieren. Im Fokus
stehen Vorhabenträger mit ihren Bauvorhaben, aber auch zur Verwaltung und
Politik wird es Schnittstellen geben. Als Einstieg in die Thematik steht eine
umfassende Bestandsaufnahme des Stadtgebietes an, um den erhaltenswerten
Bestand zu definieren. Es gilt herauszuarbeiten, was ortsbildtypisch ist und
unter Berücksichtigung welcher baugestalterischen Elemente das bestehende
Stadtbild in verträglicher Weise weiterentwickelt werden kann.
Im Unterschied zum Denkmalschutz geht es bei der Stelle
nicht um den Erhalt des Bestands, sondern darum, die (baugestalterische)
Entwicklung der Stadt zu begleiten und in einem gewissen Rahmen auch zu lenken.
Neu Hinzukommendes soll im Sinne einer harmonischen Weiterentwicklung die vorhandenen
baugestalterischen Qualitäten – die maßgeblich das Stadtbild (in positiver
Weise) prägen und somit zur Identitätsbildung und Heimatverbundenheit beitragen
– ergänzen.
1. Anlass und
Begründung
Ortsbildprägende Bauwerke, Ensembles, Siedlungsstrukturen
und Landschaften schaffen Verbindungen, wirken identitätsstiftend und
vermitteln ein Gefühl von Heimat und Wohlbefinden. In einer Zeit voller neuer
Herausforderungen rückt die Bedeutung von Baukultur, gerade auch im
Zusammenhang mit Stadtgestaltung, vermehrt in den Fokus. Dabei beschränkt sich
das Thema nicht ausschließlich auf die Diskussionen in Fachkreisen. Vielmehr
findet die Diskussion baukultureller und stadtgestalterischer Fragestellungen
in vielen Teilen der Stadtgesellschaft statt. Letztlich passiert dies bereits
dann, wenn sich Nachbarschaften sorgen, ob das in Bau befindliche Wohngebäude
auf dem Nachbargrundstück in das Straßenbild passt oder wenn Bewohner geplante
Siedlungsentwicklungen in „ihrem“ Ortsteil kritisch betrachten, weil sie eine
Überformung des bisherigen Stadtbildes befürchten.
Natürlich gibt es auch jenseits von Baukultur ganz
individuelle und subjektive Gründe, eine bauliche Entwicklung kritisch zu
betrachten, weil liebgewonnene Gewohnheiten, beispielsweise die eines freien Ausblicks
oder die vertraute Spazierroute beeinträchtigt oder vielleicht auch verloren
gehen könnten. Es zeigt sich jedoch, dass häufig in den Diskussionen auch ein
grundlegendes Interesse daran besteht, wie sich die vertraute Heimat (baulich)
entwickeln soll, ganz unabhängig von einer direkten persönlichen Betroffenheit.
So oder so ist es für die Entwicklung einer Stadt von positiver Bedeutung, wenn
sich die in ihr lebenden Menschen mit Baukultur und Stadtgestaltung
auseinandersetzen und sich damit identifizieren können.
Dieses Engagement gilt es wertzuschätzen, aufzugreifen und
zielführend in die entsprechenden Entwicklungsprojekte einzubeziehen. Dies wird
in Meerbusch bereits seit vielen Jahren in guter Weise gemacht, wie eine
Vielzahl unterschiedlichster Beteiligungsprozesse zeigt. Als jüngstes Beispiel
sei die Beteiligung der Öffentlichkeit zum Integrierten Handlungskonzept
Osterath erwähnt oder mit Blick in die Zukunft, die geplante Beteiligung rund
um die Überlegungen einer Siedlungsentwicklung im Bereich Kamperweg im
Stadtteil Osterath.
Gleichwohl sieht die Verwaltung Potenzial und auch den
Bedarf, Baukultur und Stadtgestaltung noch stärker in ihrem Handeln zu
berücksichtigen. Weil die Anforderungen hierzu steigen, bedarf es künftig einer
Stelle, die sich – nicht nur punktuell, wie bisher – vorrangig mit dem Thema
Stadtgestaltung in Meerbusch befasst.
Beginnend mit einer Begriffsbestimmung wird im Weiteren
ausgeführt, warum Stadtgestaltung als Teilbereich von Baukultur gerade in
Meerbusch eine wichtige Aufgabe darstellt, welche übergeordneten Ziele mit der
Stellenschaffung verfolgt werden und in welchen konkreten Tätigkeiten sich
diese künftig wiederfinden sollen.
Begriffsbestimmung Stadtgestaltung
Stadtgestaltung ist ein Teil der Baukultur. Sie umfasst
städtebauliche Elemente, wie Straßen, Gebäude und Räume, ordnet diese in
visuelle Zusammenhänge und stellt deren wechselseitige Beziehungen her. Hierbei
widmet sich die Stadtgestaltung sowohl Einfamilienhäusern als auch
Straßenzügen, Siedlungen und ganzen Ortschaften. Details werden, ohne den
Städtebau aus den Augen zu verlieren, betrachtet, um ein harmonisches
Gesamtgefüge der unterschiedlichen Elemente zu schaffen.
Eine qualitativ hochwertige Stadtgestaltung entspricht
neben funktionalen und ökonomischen Anforderungen auch gesellschaftlichen
Bedürfnissen. Sie fördert Quartiere und Nachbarschaften, verstärkt die
Verbundenheit und Identifikation mit Orten und schafft das Gefühl von Heimat.
Fühlt sich der Mensch wohl in seiner Umgebung, wird er diese hüten, werden
Nachbarschaften gepflegt, werden solidarische Gemeinschaften gebildet. Diese
psychologischen Aspekte scheinen gerade in der heutigen Zeit wichtiger denn je.
Warum ist Stadtgestaltung gerade jetzt wichtig für
Meerbusch?
Stadtgestaltung im o.g. Sinn entsteht nicht von alleine. Es
gibt (ökonomische) Entwicklungen, die eine qualitativ hochwertige
Stadtgestaltung beeinträchtigen oder gar verhindern. So haben das
Bevölkerungswachstum in Meerbusch, der anhaltende Bau-Boom und die
Flächenknappheit mit Auswirkungen auf die Bodenpreise zur Folge, dass immer
mehr standardisierte Neubauvorhaben auf kleinen Grundstücken geschaffen werden.
Es gibt wenig identifikationsstiftende Momente in Neubaugebieten und einen
Mangel an Vielfalt allein im Hinblick auf die ausgewählten Materialien. Hierbei
handelt es sich allerdings nicht um ein lokales Phänomen. Vielmehr zeichnen
sich solche Entwicklungen regelmäßig in Kommunen ab, bei denen aufgrund des
hohen Siedlungsdrucks bei entsprechender Flächenknappheit und hohen Bodenpreisen
der Aspekt des vermeintlich günstigen Bauens durch Investoren mit Hinweis auf
die Wirtschaftlichkeit in den Vordergrund gerückt wird. Dabei ist es ein
Trugschluss, dass stadtgestalterisch wertige Bebauung stets nur zu Lasten der
Wirtschaftlichkeit realisiert werden kann. Zum einen lässt sich gestalterische
Qualität durchaus auch kostengünstig umsetzen, zum anderen wirkt sich eine hohe
gestalterische Qualität auch auf den Wert eines Objekts positiv aus. Insofern
zeigt sich hier bereits ein erstes Handlungsfeld für die neu eingerichtete
Stelle, in dem unter Beachtung der Wirtschaftlichkeit Lösungswege hin zu mehr
gestalterischer Qualität aufgezeigt werden.
2.
Aufgabenbereich/Zuständigkeit
Der Fachbereich 4 gliedert sich in die beiden Abteilungen
Stadtplanung und Bauordnung. Während die Abteilung Stadtplanung mit den
Aufgabenbereichen der Stadtentwicklung und Stadtplanung im Wesentlichen die
Weichenstellung für die künftige räumliche Entwicklung im Fokus hat, steht in
der Abteilung Bauordnung mit der Beratung und Genehmigung von Bauvorhaben die
Umsetzung im Vordergrund der täglichen Arbeit. Mit diesem Aufgabenzuschnitt
stellt der Fachbereich 4 die ideale Verortung für eine Stelle zur Förderung der
Stadtgestaltung dar.
In der Schnittstelle zwischen Planungs- und Umsetzungsebene
kann einerseits bereits frühzeitig im Planungsprozess Einfluss genommen werden,
beispielsweise bei der Mitwirkung an der Auslobung von Wettbewerben, der
Aufstellung von Bebauungsplänen oder der Ausarbeitung von Gestaltungssatzungen.
Andererseits können durch die Nähe zur Umsetzungsebene entsprechende
Beratungsleistung erfolgen und gleichzeitig überprüft werden, ob die im Zuge
der Planung anvisierten stadtgestalterischen Ziele und ausgearbeiteten
Instrumente im gewünschten Maße im Zuge der Umsetzung wirken. Hieraus lassen
sich wichtige Erkenntnisse für künftige Planungsprozesse ableiten.
An der Stelle ist darauf hinzuweisen, dass das Aufgabenfeld
der Stadtgestaltung auch bisher schon vom Fachbereich 4 mit betrachtet wurde.
Beispiele hierfür sind aus der jüngeren Vergangenheit die Wettbewerbsverfahren,
die Ausarbeitung bzw. Änderungen von Gestaltungssatzungen, die Aufstellung von
Bebauungsplänen zur Absicherung bestehender städtebaulicher Qualitäten (z.B.
Bebauungsplan Nr. 318, Meerbusch-Osterath, „Musikerviertel“, Beschlussvorlage
FB/1281/2020) oder die Ausarbeitung von Gestaltungsleitlinien im Zuge des
Quartierskonzepts Meerbusch-Büderich „RheinEck“ (Beschlussvorlage
FB4/1247/2020).
Allerdings zeichnen sich die bisherigen Aktivitäten dadurch
aus, dass man im Wesentlichen „nur“ auf Entwicklungen reagiert hat. Die zuvor
beschriebenen Einflüsse in Folge des Wachstums sowie das gleichzeitig größer
werdende Bedürfnis nach einer identitätserhaltenden Stadtentwicklung zeigen
jedoch deutlich, dass in Bezug auf Stadtgestaltung agiert werden muss. Erst
dann ist eine echte Steuerung und Lenkung möglich. Wenn 90 % eines Vorhabens
bereits ausgearbeitet sind, bevor man sich zu stadtgestalterischen Aspekten
Gedanken macht, sind die Möglichkeiten von vornherein begrenzt. Kann bereits zu
Beginn einer Planung auf stadtgestalterische Zielsetzungen zurückgegriffen
werden, lassen sich ganz andere Qualitäten, zum Teil ohne Mehraufwand für den
Vorhabenträger, erreichen.
Um eine Steuerungs- und Lenkungsfunktion zu ermöglichen,
bedarf es zunächst einer fachkundigen Analyse zur Herausarbeitung der
stadtgestalterischen Aspekte, die Meerbusch ausmachen, die identitätsstiftend
wahrgenommen werden und die sich in geeigneter Weise auch bei neuen
Entwicklungen wiederfinden sollen. Dementsprechend gestalten sich die Ziele und
Aufgaben, die durch die neue Stelle verfolgt und umgesetzt werden sollen, wie
das nachfolgende Kapitel verdeutlicht.
3. Ziele und
Aufgaben
Ziel ist die Sensibilisierung der handelnden Akteure für
die Möglichkeiten guten Planens und Bauens als gesellschaftlicher Anspruch für
ein lebendiges Meerbusch. Konkreter Ortsbezug und neue Formate der Vermittlung
sollen den Planenden helfen, Potentiale besser zu erkennen und eine integrierte
sowie nachhaltige Stadtentwicklung durch qualitätsvolles sowie reflektiertes
Planen umzusetzen.
Beispielsweise sollen Gestaltungshilfen erarbeitet werden,
die eine Basis für die Planung von Bauvorhaben bilden. Diese Empfehlungen
enthalten als Ideenquelle bspw. Aussagen über Materialität, Dachformen,
Fassaden etc. und unterstützen so einen behutsamen Weiterbau des Bestandes.
Solch ein Angebot, das selbst keine Umsetzungspflicht beinhaltet, stellt eine
wichtige Hilfestellung für alle Planenden dar, in dem es Ansätze aufzeigt, wie ein
Bauvorhaben positiv zur Stadtgestalt in Meerbusch beitragen kann.
Vor dem Hintergrund der zuvor beschriebenen
Rahmenbedingungen im Bereich der Stadtentwicklung können auf Freiwilligkeit
setzende Gestaltungshilfen jedoch nur einen Ansatz darstellen. Daher gilt es im
Zuge der neuen Stelle auch weitere Instrumente zur Anwendung zu bringen, die
durchaus auch rechtsverbindlich sein können, wie bspw. die in Meerbusch bereits
erprobten Gestaltungssatzungen. Ob und welche weiteren Instrumente zur
Anwendung gebracht werden, wird der Politik im Zuge weiterer Vorlagen durch die
Verwaltung bei Zeiten vorgestellt werden.
Aufgaben
Der Themenbereich
Stadtgestaltung hat die Aufgabe, über die üblichen Beratungsmöglichkeiten der
Baubehörden hinaus, dem Planenden zu einem architektonisch und städtebaulich
qualitätsvollen Entwurf zu verhelfen. Indem Gestaltungshilfen
formuliert werden, bspw. in Form von Satzungen und Fibeln, die die
Baukulturvermittlung möglich machen, soll den Akteuren (Bauherren, Planer,
Politik, Öffentlichkeit) eines Bauvorhabens eine Ausgangsbasis geboten werden.
Um für eine solche Beratung eine begründete Basis zu
schaffen, bedarf es eines methodischen Vorgehens in mehreren Arbeitsschritten.
Um identifikationsstiftende/ortstypische Merkmale für Meerbusch und seine
Ortsteile zu definieren, muss zunächst der Ursprung bis zur heutigen
Entwicklung betrachtet werden. Der Status Quo wird mittels einer
Stadtbildanalyse (gesamtstädtisch bis zur Quartiersebene) bspw. in Form von
Steckbriefen, unterstützt durch Tabellen, Kartierungen und Fotodokumentationen,
erfasst.
Darauf aufbauend gilt es herauszuarbeiten, welche Merkmale
in Meerbusch typisch und prägend für die Stadtgestaltung sind. Daran orientiert
sollen künftig Wettbewerbe, Bebauungspläne und Gestaltungssatzungen
gewährleisten, dass bauliche Entwicklungen einen verträglichen und harmonischen
Weiterbau der heute schon vorhandenen stadtgestalterischen Qualitäten
darstellen. So soll Meerbusch auch in gestalterischer Hinsicht Heimat für die
Bewohnerinnen und Bewohner bleiben.
Finanzielle
Auswirkungen:
Die zusätzliche Stelle wird durch Anpassungen im
Stellenplan des FB 4 geschaffen. Eine Stellenneuschaffung ist nicht
erforderlich. Zum Sommer 2021 tritt eine von zwei Technischen Zeichnerinnen des
FB 4 in den Ruhestand ein. Eine Nachbesetzung der Stelle ist nicht vorgesehen,
da mit dem weitgehend abgeschlossenen Verjüngungsprozess in der Abteilung
Stadtplanung künftig ein Großteil der zeichnerischen Tätigkeiten auf die
Planerinnen und Planer übertragen wird. Die somit freiwerdende Stelle wird von
der bisherigen Eingruppierung in EG 8 auf EG 11 angehoben, wodurch die Stelle
Stadtgestaltung geschaffen wird.
In Vertretung
gez.
Michael Assenmacher
Technischer Beigeordneter