Mit dem als Anlage beigefügten Schreiben vom 19.06.2020 beantragt der BUND, Ortsgruppe Meerbusch, in Person von Frau Dr. Andrea Blaum, die aus seiner Sicht unbeantwortete Frage der Öffentlichkeit in den Gremiensitzungen der Stadt Meerbusch zu klären. Anlass war offensichtlich die Tagesordnung des Ausschusses für Planung und Liegenschaften am 17.06.2020, in dem mehrere Punkte zunächst im nicht-öffentlichen Teil angesetzt waren, die aus Sicht des BUND (und mehrerer Fraktionen) in den öffentlichen Teil der Sitzung gehörten.
Zutreffender Ausgangspunkt der Thematik ist der vom BUND zitierte und in §§ 48 Abs. 2 und 58 Abs. 2 der Gemeindeordnung (GO) NRW festgeschriebene Grundsatz, dass Rats- und Ausschusssitzungen öffentlich sind. Danach setzt die Bürgermeisterin die Tagesordnung des Rates und des Haupt- und Finanzausschusses fest, für die Ausschüsse erfolgt dies durch die Ausschussvorsitzenden im Benehmen mit dem nach der Geschäftsverteilung zuständigen Beigeordneten.
Sowohl die Gemeindeordnung NRW und die Geschäftsordnung des Rates der Stadt Meerbusch normieren den Grundsatz der Öffentlichkeit, wobei es hiervon Ausnahmen gibt. So bestimmt § 48 Abs. 2 GO NRW, dass die Öffentlichkeit durch die Geschäftsordnung für Angelegenheiten einer bestimmten Art ausgeschlossen werden kann. Angelegenheiten in diesem Sinne sind in der Regel geheimhaltungsbedürftige Vorgänge, deren Definition sich in § 30 GO NRW findet. Diese Vorschrift korrespondiert mit § 48 GO NRW und statuiert als Ausnahme vom Öffentlichkeitsgrundsatz die Verschwiegenheitspflicht u.a. für Rats- und Ausschussmitglieder in solchen Angelegenheiten, deren Geheimhaltung ihrer Natur nach erforderlich, besonders vorgeschrieben, vom Rat beschlossen oder vom Bürgermeister angeordnet ist. Ihrer Natur nach geheim sind insbesondere Angelegenheiten, deren Mitteilung an andere dem Gemeinwohl oder dem berechtigten Interesse einzelner Personen zuwiderlaufen würde.
Die Meerbuscher Geschäftsordnung des Rates regelt diesen Komplex in § 8 und bestimmt in dessen Absatz 2, dass die Öffentlichkeit für folgende Angelegenheiten ausgeschlossen wird:
a) Personalangelegenheiten
b) Einzelfälle in Liegenschaftssachen, in denen die Stadt als Käuferin, Verkäuferin, Mieterin, Pächterin o.ä. auftritt
c) Auftragsvergaben
d) Angelegenheiten der Zivilen Verteidigung
e) Einzelfälle in Abgabenangelegenheiten
f) Einzelfälle in Sozial- und Jugendhilfeangelegenheiten
g) Angelegenheiten der Rechnungsprüfung mit Ausnahme der Beratung des Jahresabschlusses (…) und der Entlastung des Bürgermeisters/der Bürgermeisterin gemäß § 96 Abs. 1 GO NRW.
Dieser Ausnahmekatalog gilt nach der Geschäftsordnung nicht, wenn im Einzelfall weder Gründe des öffentlichen Wohls noch berechtigte Ansprüche oder Interessen Einzelner den Ausschluss der Öffentlichkeit gebieten; Abs. 4 statuiert im Einklang mit den gesetzlichen Bestimmungen zum Datenschutz speziell für personenbezogene Daten den weiteren Grundsatz, dass diese nur offenbart werden dürfen, soweit der/die Betroffene ausdrücklich das Einverständnis erklärt hat.
Die Ausnahmen vom gesetzlich festgelegten Grundsatz sind eng auszulegen und besonders zu begründen. D.h., in jedem Einzelfall ist abzuwägen zwischen der Bedeutung des Öffentlichkeitsprinzips als einer der wichtigsten Grundpfeiler der demokratischen Auseinandersetzung und des politischen Diskurses auf der einen Seite und den im demokratischen Rechtsstaat ebenso geschützten Individualrechtsgütern wie beispielsweise der informationellen Selbstbestimmung (die die Befugnis des Einzelnen gewährleistet, grundsätzlich nur selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen) und der Privatsphäre oder auch Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen auf der anderen Seite.
Sensibel sind in diesem Zusammenhang mit Blick auf die Tagesordnung der eingangs erwähnten APL-Sitzung insbesondere auch Bauunterlagen, aus denen Art, Lage und Größe einzelner Räumlichkeiten in Bauvorhaben von Privatpersonen zu Wohnzwecken hervorgehen. Diese unterfallen dem Schutz der Privatsphäre. Ebenso schutzwürdig und -bedürftig sind Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, die möglicherweise aus Planunterlagen herauszulesen sind, soweit darin beispielsweise besondere Anforderungen an Gewerbe- oder Produktionsstätten oder betriebliche Konzeptionen oder ähnliches beschrieben sind.
Der Begriff
„personenbezogene Daten“ ist in den Bundes- und Landesdatenschutzgesetzen
definiert. Dazu gehören nicht nur die persönlichen
Verhältnisse des Betroffenen wie beispielsweise sein Name, seine Anschrift oder
sein Familienstand, sondern auch seine sachlichen Verhältnisse wie z.B. sein
Grundbesitz, seine Wohnverhältnisse oder seine rechtlichen, sozialen,
wirtschaftlichen oder sonstigen Beziehungen zu Dritten und zur Umwelt. Was das
in Bezug auf die hier in Rede stehenden Bauakten und Bauunterlagen bedeutet,
verdeutlicht eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Cottbus sehr
anschaulich:
„Dies vorangestellt stellen die streitgegenständlichen Bauakten bzw. Bauunterlagen in jeweils vollem Umfang personenbezogene Daten des jeweiligen Bauherrn dar, welche infolge einer Akteneinsicht durch den Kläger offenbart würden. Gleichsam einem Vertragsdokument im privatrechtlichen Verhältnis zweier Parteien, welches ihren persönlichen Bezug zueinander widerspiegelt, enthält die Bauakte neben sämtlichen Angaben zum Begehren, mit dem sich der Bauherr an die Behörde wendet, auch deren Antworten und das Ergebnis ihrer Prüfung. Dabei definieren sämtliche Anlagen zum Baugenehmigungsantrag bzw. zur daraufhin erteilten Baugenehmigung das zur Genehmigung gestellte Vorhaben. Die Bauakte spiegelt mithin die Beziehung von Bauherrn und Baugenehmigungsbehörde in Bezug auf das konkrete Bauvorhaben des Einzelnen wider. Sie enthält damit Angaben über die sachlichen Verhältnisse des Bauherrn als bestimmte Person …“ (VG Cottbus, Urteil vom 26.05.2011 – VG 3 K 820/10; in die gleiche Richtung auch nordrhein-westfälische Verwaltungsgerichte, z.B. VG Köln, Urteil vom 03.06.2005 – 27 K 10296/02).
Vor diesem
Hintergrund tangieren Informationen
zu laufenden Baugenehmigungs- und Planungsverfahren in aller Regel schützenswerte
private oder betriebliche Belange, d.h. berechtigte und datenschutzrechtlich
relevante Interessen Einzelner. So haben z.B. Erkenntnisse über auftretende
(Genehmigungs-)Schwierigkeiten sofortigen und erheblichen Einfluss auf
Immobilienpreise, können eine laufende Vermarktung oder Kaufverhandlung
beeinflussen und / oder erschweren die Finanzierung von Bauvorhaben. Dadurch
können der (Ver-)Handlungsspielraum der Kommune und auch der Erfolg von
erwünschten Verhandlungsergebnissen eingeschränkt oder sogar ganz vereitelt
werden. Die möglichen Konsequenzen sind häufig von großer Tragweite für alle
Beteiligten. Die unangemessene Verbreitung interner Informationen durch
öffentliche Beratung kann unter Umständen sogar existenzbedrohend sein. Von
daher kann sich zunächst eine frühzeitige nichtöffentliche Vorab-Information
der Mandatsträger anbieten, ohne dass bereits Entscheidungen durch formelle
Beschlüsse getroffen werden sollen. Die spätere, öffentliche
Entscheidungsfindung und Beschlussfassung schließen sich dann an. In der
Mehrzahl der Städte und Gemeinden wird so verfahren.
Nicht
umsonst sehen auch die Informationsfreiheitsgesetze neben dem Schutz von
personenbezogenen Daten und von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen ebenso den
Schutz von behördlichen Entscheidungsbildungsprozessen als Ausnahmen von dem
Grundsatz vor, dass stets jedem und zu jedem Zeitpunkt Zugang zu allen
verfügbaren amtlichen Informationen zu gewähren ist (vgl. §§ 7, 8 und 9 IFG
NRW). Die Verwaltung muss daher stets abwägen, ob der Grundsatz der
Öffentlichkeit oder schützenswerte private oder betriebliche Belange im
Vordergrund stehen.
Aufgrund der Tatsache, dass die so skizzierten Regel-Ausnahme-Verhältnisse in den einschlägigen Bundes-, Landes- und kommunalrechtlichen Vorschriften festgelegt sind, haben die Ausschussvorsitzenden und sowie die Bürgermeisterin und die Beigeordneten sie bei der Festsetzung der Tagesordnung zu beachten. Hierzu bedarf es keines Beschlusses.
gez.
Angelika Mielke-Westerlage
Bürgermeisterin
Anlage:
Schreiben des BUND, Ortsgruppe Meerbusch, vom 19.06.2020