Betreff
Verändertes Verfahren zur Bearbeitung der Meldungen über versäumte Kindervorsorgeuntersuchungen ("U"-Untersuchungen)
Vorlage
FB2/118/2012
Art
Informationsvorlage

Die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen hat sich die Steigerung der Teilnahmequote an den Kinderfrüherkennungsuntersuchungen, den sog. „U“-Untersuchungen, zum Ziel gesetzt. Im September 2008 trat die „Verordnung zur Datenmeldung der Teilnahme an Kinderfrüherkennungsuntersuchungen (UTeilnahmeDatVO)“ in Kraft.

 

Durch diese Verordnung werden Ärztinnen und Ärzte verpflichtet, alle Kinder, die an einer Früherkennungsuntersuchung (U5 bis U9) teilgenommen haben, an eine zentrale Landesstelle, dem  Landeszentrum Gesundheit Nordrhein-Westfalen (LZG.NRW) zu melden. Anhand eines Abgleiches mit den Meldebehörden ermittelt das Landeszentrum die Kinder, die nicht zur Untersuchung vorgestellt wurden. Die Eltern dieser Kinder erhalten über die Zentralstelle eine schriftliche Erinnerung. Erfolgt auch innerhalb von bis zu sechs Wochen nach der Erinnerung für die jeweilige Früherkennungsuntersuchung keine Mitteilung über die Teilnahme, informiert die Zentralstelle den zuständigen Öffentlichen Träger der Jugendhilfe (§ 4, UTeilnahmeDatVO). Dieser hat dann in eigener Zuständigkeit über das weitere Vorgehen zu entscheiden.

 

Aufgrund einer durch die Landschaftsverbände Rheinland und Westfalen-Lippe im April 2009 zur Verfügung gestellten Arbeitshilfe wurden in Nordrhein-Westfalen in den Städten und Gemeinden weitestgehend gleichartige Vorgehensweisen mit den Meldungen praktiziert.

 

In Meerbusch wurden die Eltern angeschrieben und um Durchführung der ausstehenden Untersuchung, bzw. um den Nachweis über die durchgeführte Untersuchung oder um eine sonstige ärztliche Bescheinigung über die Gesundheit des Kindes, gebeten. Reagierten Eltern nicht auf das Anschreiben oder verweigerten sie die Zusammenarbeit, führten die Mitarbeiterinnen des Eltern- und Babybesuchsdienstes einen angemeldeten Hausbesuch durch, um die Eltern über die Bedeutung der Vorsorgeuntersuchungen für die gesunde Entwicklung ihres Kindes zu informieren und sich (im Rahmen einer Inaugenscheinnahme) vom Wohl des Kindes zu überzeugen. Konnte zu den Eltern kein Kontakt hergestellt werden oder verweigerten sie den Hausbesuch, erfolgte die weitere Bearbeitung durch den Allgemeinen Sozialen Dienst, der dann über die weitere Vorgehensweise entschied. Unklar war die Sachlage für die Jugendämter, insbesondere da eine Verpflichtung zur Teilnahme an den Untersuchungen einerseits nicht besteht und andererseits eine mögliche Kindeswohlgefährdung auszuschließen war.

 

 

Ein Ende 2011 von den beiden Landschaftsverbänden beim Deutschen Institut für Jugendhilfe und Familienrecht e.V. (DIJuF) in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten legt nun den Städten eine andere Vorgehensweise nah.

 

Nach diesem Gutachten ergeben sich für das Jugendamt nach einer Meldung über eine nicht festgestellte Teilnahme an einer Früherkennungsuntersuchung keine Kinderschutzaufgaben. Eingriffe in das Elternrecht sind somit nicht zu rechtfertigen. Die einzig angemessene Reaktion ist nach der Einschätzung des DIJuF das Unterbreiten eines Beratungsangebots.

 

Zudem hat die landesweite Auswertung von gut 26.000 Fällen aus 87 Jugendämtern in der Zeit von Februar bis Oktober 2010 ergeben, dass nur in 0,08 % dieser Fälle (= 20 Fälle) eine Kindeswohlgefährdung angenommen wurde. Bei näherer Auswertung dieser 20 Fälle wurde festgestellt, dass nur in drei Fällen die Gefährdungsmeldung ausschließlich über die Meldung nach der UTeilnahmeDatVO erfolgt war. Auch vor diesem Hintergrund ergibt sich die Frage, ob die bisherige Vorgehensweise als angemessen zu bezeichnen ist.

 

Den vorgenannten Erkenntnissen trägt das Jugendamt Meerbusch nun bei der Vorgehensweise nach Meldung einer versäumten Vorsorgeuntersuchung Rechnung.

 

Seit dem 03.04.2012 erhalten Eltern, die die Vorsorgeuntersuchung versäumt haben und die dem Jugendamt durch das LZG gemeldet wurden, ein Anschreiben mit einem Terminvorschlag zu einer persönlichen Beratung. Sollten die Eltern diese Beratung nicht wünschen, werden sie gebeten, sich beim Jugendamt zu melden und den Termin abzusagen. Eine weitere Überprüfung erfolgt nicht.

 

Von den beiden Landesjugendämtern wurde das Rechtsgutachten im März 2012 an das Ministerium für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter, an das Ministerium für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport und an die kommunalen Spitzenverbände weitergeleitet. Die beiden Landesjugendämter haben sich für eine Überarbeitung von § 4 Absatz 3 der UTeilnahmeDatVO ausgesprochen. Dieser sollte nicht auf den Schutzauftrag sondern auf den Beratungsauftrag des Jugendamtes verweisen.

 

 

 

In Vertretung

 

 

 

 

Angelika Mielke-Westerlage

Erste Beigeordnete