Betreff
Konzept für eine mobile Jugendsozialarbeit
Vorlage
FB2/0854/2018
Art
Beschlussvorlage

Beschlussvorschlag:

 

Unter der Voraussetzung, dass ein nachhaltiger Betrieb der Halle 9 als Gemeinweseneinrichtung durch einen externen Betreiber gesichert werden kann, stimmt der Jugendhilfeausschuss dem in der Beratungsvorlage dargestellten Konzept für eine mobile Jugendsozialarbeit unter dem Vorbehalt zu, dass der Rat im Stellenplan 2019 eine zusätzliche Stelle für einen Sozialarbeiter einrichtet.

 


Sachverhalt:

 

1.    Soziostrukturelle Rahmenbedingungen

Die Mehrheit der Meerbuscher Familien sind finanziell gut aufgestellt. Im Jugend- und Sozialbericht 2014 – 2016 der Stadt Meerbusch heißt es dazu: „… tatsächlich verfügt ein Großteil der Meerbuscher Familien über ein überdurchschnittliches Einkommen“. Es ist also davon auszugehen, dass auch die Jugendlichen über gute finanzielle Ressourcen verfügen, um kommerzielle Freizeitangebote finanzieren zu können.

 

„Im Meerbuscher Wohnungsbestand dominieren mittelgroße Wohnungen. Es kann somit davon ausgegangen werden, dass den meisten Familien ein ausreichender bis großzügiger Wohnraum zur Verfügung steht. Fast die Hälfte (47%) der Wohnungen in Meerbusch waren im Jahr 2014 Ein- und Zweifamilienhäuser.“ (Quelle: Jugend- und Sozialbericht Stadt Meerbusch 2014 – 2016)

 

Das Bildungsniveau der Einwohnerschaft ist interkommunal vergleichsweise hoch und die Eltern legen großen Wert auf die schulische Bildung ihrer Kinder. Von den Schülern, die im Jahr 2016 von der Grund- auf die weiterführende Schule gewechselt haben, besuchten 61,45% ein Gymnasium, 26,1% gingen zur Gesamtschule und 12,45% wechselten zur Realschule (Quelle: Stat. Jahrbuch Stadt Meerbusch 2016).

In Meerbusch erlangten 50% der Schüler die Hochschulreife. Damit liegt diese Quote erheblich über dem Landesdurchschnitt (1/3 der Schüler in Nordrhein-Westfalen) (Quelle: Jugend- und Sozialbericht Stadt Meerbusch 2014 – 2016).

 

Zudem sind 4.417 Kinder und Jugendliche der Altersgruppe der 6- bis 18-Jährigen im Sportverein aktiv (Quelle: Stat. Jahrbuch Stadt Meerbusch 2016). Dies entspricht einem Anteil von rund 63%, die in ihrer Freizeit sportlichen Aktivitäten nachgehen.

 

In der Altersgruppe der 7- bis 14-Jährigen sind dies nach den neuesten Erhebungen aus der Sport-stättenentwicklungsplanung sogar 79% bei den Kindern. Das bedeutet, dass fast vier von fünf Kindern in Meerbusch Mitglied in einem Sportverein sind (Quelle: Abschlussbericht Sportstättenentwicklungsplanung für die Stadt Meerbusch, Oktober 2018).

 

Aus dem 10. Kinder- und Jugendbericht der Landesregierung Nordrhein-Westfalen zur Inanspruchnahme Offener Kinder- und Jugendarbeit:

Betrachtet man die Nutzerzahlen, so lässt sich auf der Basis der Strukturdatenerhebung für das Jahr 2013 (vgl. Landschaftsverband Westfalen-Lippe u.a. 2015, S.12f) feststellen, dass hochgerechnet 172.000 junge Menschen im Alter von sechs bis unter 27 Jahren regelmäßig Angebote der OKJA genutzt haben, was gegenüber den Zahlen von 2008 einen Rückgang von gut 17 Prozent ausmacht. Die Gründe für diesen Rückgang liegen in einer Gemengelage demografischer Einflüsse, des Ausbaus offener und gebundener Ganztagsschulen und der Verdichtung von schulischen Anforderungen im Zuge der Einführung der Schulzeitverkürzung (G8). Darüber hinaus haben konkurrierende Räume – wie virtuelle und kommerzielle – für die Adressatinnen und Adressaten der OKJA eine zunehmend wichtige Bedeutung. … In der Gruppe der jungen Menschen zwischen sechs und 18 Jahren nimmt jeder Neunte regelmäßig die Angebote der OKJA wahr, im Schnitt sind rund ein Drittel davon Mädchen. 250.000 Kinder und Jugendliche nutzen die Einrichtungen darüber hinaus unregelmäßig.

 

Statistisch betrachtet, nutzen landesweit etwa 4,4% der 6- bis 26-Jährigen die Offene Kinder- und Jugendarbeit als Stammbesucher und 6,39% unregelmäßig. Also nutzen etwa 10% der Jugendlichen Angebote Offenen Kinder- und Jugendarbeit. Auch hier wird deutlich:

 

·        Kinder- und Jugendarbeit war und ist nicht vorrangig auf quantitative Erfolge ausgerichtet.

 

In Meerbusch gibt es im Jahr 2018 in der Altersgruppe von 6 bis 26 Jahren 8.243 Kinder/Jugendliche/junge Erwachsene. Auf die für das ursprüngliche JuCa-Konzept relevante Altersgruppe der 14- bis18-Jährigen entfallen 2.029 Jugendliche und junge Erwachsene. Diese Zielgruppe wird zudem von vielen attraktiven Freizeitangeboten umworben. Da sich das JuCa-Konzept zudem zum Ziel gesetzt hatte neue Jugendliche, die bisher nicht in eine Jugendeinrichtung gehen, zu erreichen, zeigt sich auch hier die besondere Herausforderung an ein Angebot der Offenen Jugendarbeit.

 

Der schulische Alltag endet für viele Kinder und Jugendliche erst am Nachmittag und außerschulische Bildungsangebote - von der Musikschule bis zur Nachhilfe - spielen in der Wochenplanung der Kinder und Jugendlichen eine große Rolle. Das Zeitfenster, welches Kinder und Jugendliche als Freizeit, also als nicht verplante Zeit betrachten, wird immer kleiner. Musik hören, Leute treffen, Internet/Computerspiele, Fernsehen/Video, Chillen und Partys sind, neben der verplanten Zeit, die vornehmlichen Freizeitinteressen der jungen Menschen.

 

·        Die klassischen Funktionen des offenen Freizeitbereichs haben sich teilweise in die neuen Medien verschoben!

 

Die meisten Kinder haben ein eigenes Zimmer, sind medial ausgestattet – Freunde treffen sich online. Das Treffen zu Hause, auch mit Mehreren, ist - mit zunehmend verständnisvolleren Eltern - auch kein Problem mehr in der heutigen Zeit. Somit hat die Jugendarbeit als Treffpunkt an Bedeutung verloren. Die Jugendlichen treffen sich zudem gerne in virtuellen Räumen oder informell an wechselnden Orten.

 

 

2.    Inhaltliche Ausrichtung und Erneuerung der offenen Jugendarbeit

Das klassische Angebot der „offenen Tür“ – wie in den Jugendzentren „Oase“ und „Katakombe“ - erreicht insbesondere die Kinder aus der Kommunions- und Konfirmationsarbeit, nachdem hier schon Beziehungsarbeit geleistet werden konnte. Zuspruch haben die Jugendzentren, wenn sie ein sehr konkretes Programm oder Projekt anbieten, bei dem die Kinder und Jugendlichen die Hauptrolle spielen und die anleitende erwachsene Person cool und beliebt ist. Die sich daraus entwickelnde Beziehungsarbeit und die Anforderungen aus dem Projekt unterstützen die jungen Menschen in ihrer Reifung zu sozialen Persönlichkeiten. Bei den Kindern und Jugendlichen, die Probleme zu bewältigen haben, kann sich hieraus eine hilfreiche Unterstützung für ihre Lebensbewältigung ergeben. Gerade hier leistet der Abenteuerspielplatz für das Einzugsgebiet des „Rhein Eck´s“ wertvolle Arbeit.

 

Ebenso gut angenommen werden z.B. Jugendferienfahrten. Hier haben die Jugendlichen Zeit, sich auf etwas einzulassen, gleichzeitig ist es aber auch zeitlich befristet und hat Eventcharakter. Auch hier spielt die „Beziehung“ zu dem jeweiligen Sozialarbeiter/Betreuer eine wesentliche Rolle für das Gelingen und die Inanspruchnahme.

 

·        Offene Kinder- und Jugendarbeit muss zunehmend flexibel (mobil) auf die jugendlichen Cliquen, Peer-Groups zugehen, sich in der Szene bewegen und sie für Aktionen und Projekte begeistern.

 

Wenn Jugendliche sich engagieren, wollen Sie dies für eine bestimmte Sache, ein konkretes Ziel oder Interesse. Nur zum „Treffen“ von Freunden benötigen sie keine Angebote mehr.

 

Mit der Weiterentwicklung der Offenen Kinder- und Jugendarbeit der Kirchengemeinde Hildegundis von Meer durch Einrichtung der Mobilen Jugendarbeit „Karibu“ wurde bereits eine dahingehende Neuausrichtung vorgenommen. Auch die ev. Kirchengemeinde Osterath mit der Osterather Einrichtung „Katakombe“ will sich konzeptionell und sozialräumlich öffnen.

 

 

3.      Nutzung der Halle 9 auf dem Stoesselgelände

 

3.1.   Zukünftige Angebote der Jugendarbeit

Das bisherige JuCa hatte sich zum Ziel gesetzt, Jugendliche in ein Jugendhaus zu bewegen, die bisher daran kein Interesse gezeigt hatten. Es sollte ein Angebot für möglichst viele junge Menschen werden. Die Jugendbeteiligung im Vorfeld war umfänglich und wissenschaftlich begleitet. Alles wurde cooler, unverbindlicher und auf die sich wandelnden Interessen Jugendlicher ausgelegt. Aber auch davon haben sich Meerbuscher Jugendliche leider kaum angesprochen gefühlt. Der Ansatz, das JuCa als Jugendhaus zu führen, ist, auch vor dem Hintergrund des Aufwandes, gescheitert und sollte so nicht weiter verfolgt werden. Eine künftige, an den Veranstaltungsort gebundene, pädagogische Personalausstattung wird ebenso als nicht sinnvoll erachtet.

 

Eine Nutzung der Halle 9 durch unterschiedliche Jugendverbände/Jugendzentren hätte schon in der Vergangenheit erfolgen können, ist aber, trotz dahingehender Anregungen seitens des Jugendamtes, leider nicht geschehen.

 

Die Mitglieder des Stadtjugendrings äußerten sich am 18.09.2018 zu den Nutzungsmöglichkeiten und möglichen Ideen zur Nutzung der Halle 9 durch Jugendeinrichtungen und Jugendverbände dahingehend, dass „die Jugendarbeit dort stattfinden soll, wo die entsprechenden Einrichtungen bzw. Vereine ansässig sind. Es besteht kein Interesse und Bedarf an der Nutzung der Halle 9.“ (Protokoll der Sitzung des Stadtjugendrings vom 18.09.2018).

Insofern muss eine Nutzung durch diese Gruppen auch zukünftig eher angezweifelt werden.

 

Ein Festhalten am JuCa als Jugendeinrichtung - um jeden Preis - wird von der Jugendverwaltung als nicht zielführend erachtet.

 

Die in der Offenen Jugendarbeit eingesparten finanziellen Mittel könnten für Projekte für Jugendliche initiiert und begleitet werden. Diese können sich aus der aufsuchenden Arbeit eines mobilen Sozialarbeiters entwickeln, unmittelbar in den Lebensorten und aus den Interessenlagen der jeweiligen Jugendlichen. Diese Partizipation erstreckt sich also nicht nur darauf, Kinder und Jugendliche einmalig nach ihren Wünschen zu befragen, sondern sie ist sofort konkret und startet direkt in eine Umsetzungsphase. Die Bedürfnisse der Jugendlichen werden sofort angegangen. Wenn Räume erforderlich werden, könnte auch die Halle 9 für Projekte und Ideen der Jugendarbeit, die insbesondere aus der Jugendszene selbst kommen, genutzt werden. Über diesen Mittler könnten auch z.B. Schülerbands, Theatergruppen o.ä. Gruppierungen Auftrittsmöglichkeiten erhalten. Immer allerdings unter der Voraussetzung, dass die jungen Leute diese Events selbst wollen und auch weitgehend selbst organisieren – dazu erhalten sie dann natürlich so viel Unterstützung wie nötig, aber so wenig wie möglich! Ein Jugendsozialarbeiter bildet die „Klammer“, ist der „Kümmerer“ und bringt unterschiedliche Jugendliche mit gleicher Interessenslage zusammen.

 

Der Einsatzort „Schule“ stellt auch diese aufsuchende Jugendarbeit vor besondere Herausforderungen. Hier würde es notwendig sein, die Schule, die Lehrer und die Schüler von dem Mehrwert einer Projektkooperation zu überzeugen. Verbindlichkeit und Verständnis für die institutionellen Rahmenbedingungen sind hier Voraussetzung für einen Zugang zum Schulsystem. Durch das Jugendamt mit seinen Mitarbeitern und einem Jugendsozialarbeiter könne dies gewährleistet werden. Angebote der politischen Bildung, wie z.B. die bereits in Meerbusch erprobte U18-Wahl, sind hieraus erwachsen. Projekte wie das kommunalpolitische Praktikum könnten künftig werbend und motivierend begleitet werden.

 

·        Der mobile Jugendsozialarbeiter ist ständig mit den Jugendlichen an verschiedenen Lebensorten im Gespräch, gibt den Jugendlichen eine Stimme, initiiert Mitbestimmung und Engagement.

 

Als zweiter Einsatzort für den städt. Mobilen Jugendsozialarbeiter könne der städt. Abenteuerspielplatz dienen. Hier treffen sich insbesondere Kinder und Jugendliche aus nicht so behüteten Lebensverhältnissen. Die Sozialstruktur der Siedlung, in der der Platz liegt, kann eher als schwierig beschrieben werden. Der Abenteuerspielplatz dient als zentraler Treffpunkt für alle Kinder der Siedlung und auch ihre Eltern. Mittlerweile sind die Eltern selbst bereits als Kinder auf dem Abenteuerspielplatz gewesen und haben Vertrauen in die dortige Arbeit. Daher fungiert diese auch als Anlaufstelle für die großen und kleinen Alltagsprobleme.

 

Zurzeit wird der Abenteuerspielplatz von nur einer hauptamtlichen weiblichen Fachkraft, mit Unterstützung von Honorarkräften, betrieben. Mit der dortigen Anbindung des mobilen Sozialarbeiters würden Synergien und mehr Arbeitszeitflexibilität für beide Tätigkeitsfelder erreicht. Zudem wäre neben der Gewährleistung der Öffnungszeiten auch vermehrte differenzierte Projektarbeit z.B. geschlechterspezifisch möglich.

 

 

3.2.   Veranstaltungen der Kultur- und Brauchtumspflege in der Halle 9 als Gemeinweseneinrichtung

Im Jugendhilfeausschuss wurden seit dem 10.03.2015 durch den OBV e.V. über die Entwicklungen der Veranstaltungen in JuCa/Halle 9 berichtet. Nach Auswertung des bisher letzten Jahresberichts von 2017 haben an 204 Terminen im Jahr (entspricht 72,6% aller Veranstaltungstermine im JuCa/Halle 9) Gemeinwesenveranstaltungen stattgefunden. An 77 Terminen im Jahr fanden Veranstaltungen der offenen Jugendarbeit statt (27,4%). 1.125 Besucher nahmen an den Veranstaltungen der offenen Jugendarbeit teil. 12.216 Besucher nahmen an Gemeinwesenveranstaltungen teil (Kultur- und Brauchtumspflege und private Feiern). Annähernd 50% der Veranstaltungsträger kamen aus Osterath.

 

 

4.      Finanzierung der Projekte in der Halle 9 und der Mobilen Jugendsozialarbeit:

Für den bisherigen Betrieb des JuCas standen im Jugendetat 160.000 € zur Verfügung. In der Vergangenheit wurden durch Aufgabe von Jugendeinrichtungen rund 119.000 € für den Betrieb des JuCa aus dem Jugendetat gebunden. Diese Summe soll weiterhin der Jugendarbeit zur Verfügung stehen.

 

Laut Beschluss des Jugendhilfeausschusses vom 07.03.2018 auf Empfehlung des Haupt-, Finanz- und Wirtschaftsförderungsausschusses vom 20.02.2018 gehen zur Förderung einer hauptamtlichen Einrichtungsleitung 39.000 € an die Arche Noah e.V. (im HH-Entwurf 2019 veranschlagt).

Für Jugendprojekte in der Halle 9 wurden 30.000 € im Haushaltentwurf 2019 veranschlagt. 10.000 € davon sollten dem Jugendamt für eigene Maßnahmen in der mobilen Jugendsozialarbeit zur Verfügung stehen, die nach Möglichkeit in der Halle9 stattfinden.

 

20.000 € sollen für Jugend-Projekte und -Veranstaltungen in der Halle 9 als betriebswirtschaftlich geführte Gemeinwesen-Einrichtung zur Verfügung stehen. Eine 100% Förderung des anerkennungsfähigen Angebots Offener Jugendarbeit sollte abweichend vom Kinder- und Jugendförderplan abzgl. erzielter Einnahmen möglich sein.

 

Für den Einsatz eines jungen Sozialarbeiters betragen die Jahres-Personalkosten in der Gruppe SuE 11b 53.300 €.

 

Mit den genannten Positionen stünden 122.300 € weiterhin für die Jugendarbeit zur Verfügung, wobei die Personalkosten für den städtischen Mitarbeiter im Personalhaushalt zu etatisieren sind.

 


Finanzielle Auswirkung:

 

Durch die Ausführung des vorgeschlagenen Beschlusses entstehen folgende Auswirkungen auf den Haushalt:

 

Einrichtung einer Stelle für mobile Jugendsozialarbeit im Stellenplan 2019, sofern ein nachhaltiger externer Betrieb der Halle 9 als Gemeinweseneinrichtung eingerichtet werden kann.

 


Alternativen:

 

Der Jugendhilfeausschuss stimmt dem Konzept der mobilen Jugendarbeit mit Einrichtung einer Stelle als Bestandteil des zukünftigen externen Betreiberkonzepts der Halle 9 / Stoesselgelände nicht zu. Die Stadt Meerbusch beabsichtigt keine Kooperation mit einem externen Betreiber der Halle 9 / Stoesselgelände im Bereich der Jugendsozialarbeit.