Betreff
Reform des Unterhaltsvorschussgesetzes - Ausweitung der Leistungsansprüche
Vorlage
FB2/0163/2017
Art
Informationsvorlage

Am 01.01.1980 trat das „Gesetz zur Sicherung des Unterhalts von Kindern alleinstehender Mütter und Väter durch Unterhaltsvorschüsse oder –ausfallleistungen“ – kurz Unterhaltsvorschussgesetz/UVG – in Kraft. Danach wird für Kinder Alleinerziehender, deren familienferner Elternteil keinen oder nicht regelmäßig Unterhalt zahlt, auf Antrag Leistungen zur teilweisen Sicherstellung des Lebensunterhaltes gewährt.

 

Nach bisheriger Rechtslage wird Unterhaltsvorschuss für Kinder bis zur Vollendung des 12. Lebensjahres und für längstens 72 Leistungsmonate gezahlt. Dabei gehen Ansprüche des Kindes auf Unterhaltsvorschuss möglichen Ansprüchen nach dem SGB II/Grundsicherung für Arbeitsuchende oder SGB XII/Sozialhilfe vor, d.h. der Unterhaltsvorschuss ist bei der Berechnung des Sozialgeldes nach SGB II als Einkommen des Kindes anzurechnen.

 

Lt. UVG-Geschäftsstatistik des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) bezogen Ende 2014 ca. 455.000 Kinder UVG-Leistungen, davon ca. 395.000 Kinder – somit 87% - parallel Leistungen nach dem SGB II. In Meerbusch liegt der Anteil der SGB II-Leistungsbezieher an den UVG-Fällen aktuell bei 64%. Der Anteil der Alleinerziehenden, die nicht auf SGB II Leistungen angewiesen sind, ist in Meerbusch also deutlich höher.

 

Gleichwohl wird damit auch hier beim überwiegenden Teil der Anspruchsberechtigten das Ziel des UVG – die Verbesserung der Lebenssituation Alleinerziehender und ihrer Kinder – nicht erreicht. Der SGB II-Träger verweist zu Recht auf die vorrangige UVG-Leistung. Die Bearbeitung dieser Anträge führt wiederum bei den für die Durchführung des UVG zuständigen Jugendämtern zu einem erheblichen Verwaltungsaufwand (Prüfung und ggf. Bewilligung der Leistung, Bearbeitung der Erstattungsansprüche des nachrangigen SGB II-Trägers, Heranziehung der Unterhaltsschuldner bis zur Zwangsvollstreckung). Die im Anspruchsfalle zu gewährende UVG-Leistung wird dann in vollem Umfang auf die SGB II-Leistung angerechnet, so dass letztlich für den Leistungsberechtigten trotz Beteiligung einer weiteren Behörde kein wirtschaftlicher Vorteil zugunsten des unterhaltsberechtigten Kindes verbleibt. Bereits seit Jahren wird daher diskutiert und seitens der Kommunen gefordert, den Leistungsanspruch auszuschließen, sofern das Kind Leistungen nach dem SGB II oder dem SGB XII bezieht.

 

Im Rahmen der Neuregelung des bundesstaatlichen Finanzausgleichssystems ab 2020 erfolgte in der Konferenz der Regierungschefinnen und Regierungschefs von Bund und Ländern am 14.10.2016 in Berlin auch eine Einigung über die Ausweitung des Unterhaltsvorschusses. Bund und Länder verständigten sich darauf, die Altersgrenze von 12 auf 18 Jahre anzuheben und die Bezugsdauerbegrenzung von 72 Monaten aufzuheben. Zu den finanziellen Belastungen der Länder bestand noch Beratungsbedarf mit dem Bund. Die Neuregelung sollte zum 01.01.2017 in Kraft treten; die Verabschiedung des Gesetzes war für Mitte Dezember 2016 geplant.

 

Diese Anspruchsausweitung hätte nahezu eine Verdreifachung der Hilfefälle bedeutet, mit entsprechendem Mehrbedarf an Personal und Finanzmitteln. Aufgrund der kurzfristig zum 01.01.2017 nicht leistbaren Umsetzung der geplanten Gesetzesänderung in den Unterhaltsvorschussstellen und der noch ungeklärten Finanzierung der den Kommunen insbesondere in NRW entstehenden Mehraufwendungen setzten sich die kommunalen Spitzenverbände vehement für eine Verschiebung der Reform ein. Gleichzeitig wurde erneut auf die Notwendigkeit hingewiesen, die bestehende Doppelbürokratie durch das Nebeneinander von Leistungsansprüchen per Leistungsausschluss im UVG bei gleichzeitigem SGB II/SGB XII-Leistungsbezug aufzulösen.

 

Am 23.01.2017 einigten sich Bund und Länder nunmehr auf folgende Eckpunkte über die geplanten Änderungen zum Unterhaltsvorschussgesetz:

 

-      Aufhebung der Höchstbezugsdauer von 72 Monaten;

-      Aufhebung der Höchstaltersgrenze von derzeit 12 Jahren bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres;

-      Ein Kind im Alter von 12 bis einschl. 17 Jahre hat nur dann einen Anspruch auf Unterhaltsvorschuss, sofern es nicht auf SGB II-Leistungen angewiesen ist oder wenn der alleinerziehende Elternteil im SGB II-Bezug ein monatliches Bruttoeinkommen von mindestens 600 € erzielt;

-      Die Reform soll zum 01.07.2017 in Kraft treten (das Gesetzgebungsverfahren soll im Laufe des Frühjahrs 2017 abgeschlossen sein);

-      Erhöhung des Bundesanteils an den Gesamtkosten von derzeit 33,5% auf 40% bei entsprechender Verteilung der Einnahmen aus dem Rückgriff.

 

Die Beibehaltung des UVG-Anspruches der 0- bis 11-jährigen Kinder auch bei SGB II-Anspruch lässt weiterhin mindestens eine Verdopplung der Fälle und damit auch der Kosten erwarten, so dass der DStGB NRW die Landesregierung am 08.02.2017 aufforderte, sich weiterhin für die Ausweitung des Leistungsausschlusses bei SGB II-Bezug auch für die Gruppe der 0- bis 11-Jährigen einzusetzen.

 

In seiner Sitzung am 10.02.2017 hat sich der Bundesrat zur künftigen Ausgestaltung der Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern positioniert und in diesem Zusammenhang auch zu den vereinbarten Änderungen des Unterhaltsvorschussgesetzes.

 

In der Drucksache 814/16 (Beschluss) wird ausgeführt, dass für den Personenkreis der 12- bis 18-Jährigen zunächst für jene Kinder Zugang zum Unterhaltsvorschuss eröffnet werden soll, die keine Leistungen nach SGB II beziehen. Ein zuweilen langfristiger paralleler Bezug von Leistungen nach SGB II und UVG soll damit vermieden werden. Nur unter der Voraussetzung, dass der betreuende Elternteil ein Einkommen von mindestens 600 € brutto erzielt, wird ein Parallelbezug ab Vollendung des 12. Lebensjahres möglich sein. Dieses bereits erzielte Einkommen ist die Basis für die Annahme, dass grundsätzlich das Potential für eine zumindest perspektivisch selbstständige Bedarfsdeckung vorliegt. Für die Alleinerziehenden mit den älteren Kindern soll von der Einkommensgrenze ein Impuls ausgehen, perspektivisch, mithilfe eines weiteren Ausbaus ihrer Erwerbstätigkeit, die Hilfebedürftigkeit zu überwinden.

 

 

Der Bundesrat führt weiter aus, dass bei jüngeren Kindern bis 12 Jahre wie bisher das Ziel überwiegt, den Kindern Zugang zu den Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz und die gezielte und spezialisierte Unterstützung durch die Unterhaltsvorschussstellen zu ermöglichen. Die Unterstützung durch das Jugendamt erscheint in finanzieller Hinsicht und durch Vertretung weiterer Interessen des Kindes besonders wichtig. Das Anliegen, den Bezug von SGB II-Leistungen aus Gründen des Verwaltungsaufwandes als ausreichend anzusehen, wird als nachrangig bewertet.

 

Eine nochmalige Änderung der zwischen Bund und Ländern getroffenen Vereinbarung zur Umsetzung des Unterhaltsvorschussgesetzes ist damit unwahrscheinlich.

 

Die Höhe der Unterhaltsvorschussleistung soll betragen:

 

  • für Kinder von 0 bis 5 Jahre                        150 €
  • für Kinder von 6 bis 11 Jahre                      201 €
  • für Kinder ab 12 Jahre                   268 €

 

Bei Berechtigten, die keine allgemeinbildende Schule mehr besuchen, ist künftig zu beachten, dass ihr im Anspruchsmonat erzieltes Einkommen aus zumutbarer Arbeit und Vermögen zur Hälfte auf die UVG-Leistung angerechnet wird.

 

 

Auswirkungen der Reform des Unterhaltsvorschussgesetzes auf die Stadt Meerbusch

 

·        Aktuell befinden sich in Meerbusch 147 Kinder im Leistungsbezug. Die Änderungen werden zu einem erhöhten Personalbedarf führen.

 

·        Verteilung der Kosten auf Bund, Land und Kommune

 

Die Übernahme der Vollzugskosten obliegt seit jeher den Kommunen, die weitere Aufteilung der Fallkosten auf Länder und Kommunen stellt sich sehr unterschiedlich dar.

 

In Bayern und Schleswig-Holstein sind die Kommunen nicht an den UVG-Kosten beteiligt.

 

In NRW werden die Kommunen mit Zwei-Drittel des Landesanteils am höchsten belastet.

 

In den übrigen Flächenländern tragen Länder und Kommunen die nach Abzug der Bundesbeteiligung verbleibenden Kosten jeweils zu gleichen Teilen.

 

Der Bund hat seinen Anteil an den Gesamtkosten von derzeit 33,5% auf 40% erhöht bei entsprechender Verteilung der Einnahmen aus der Heranziehung der Unterhaltsverpflichteten.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Die Kostenaufteilung seit Beginn des Unterhaltsvorschusses stellt sich in NRW wie folgt dar:

 

Bund

Land NRW

Kommune

ab 01/1980

50%

50%

0

ab 01/1999

50%

25%

25%

ab 01/2000

33,33%

33,34

33,33%

∑ 66,67%

ab 01/2002

33,33%

13,33%

53,34%

 

( entspricht 20% von 66,67% )

∑ 46,667%

ab 07/2017

40%

?

?

 

 

Informationen zur künftigen Kostenbeteiligung des Landes NRW liegen bislang nicht vor. Der DStGB NRW hat das Land aufgefordert, die aus der Bund-Länder-Einigung resultierenden zusätzlichen Belastungen vollständig zu übernehmen.

 

Sollte keine Aufstockung des Länderanteils in NRW erfolgen, hätte dies für den städtischen Haushalt folgende Auswirkungen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Prognose-

HHJahr

2017

2018

berechnung

aktuelle Ansätze auf Basis von

150

Zahlfällen

Veränderungen auf Basis von

350

Zahlfällen ab 01.07.2017

Planung auf Basis von 350

Zahlfällen

UVG-Leistungen an Berechtigte
unter Abzug der Rücker-stattungen

300.000

500.000

700.000

Erstattung UVG-Leistung durch das Land iHv 46,46 %
(davon 33,33% Bund, 13,34 % Land)

139.000

69.500

Erstattung UVG-Leistung durch das Land iHv 53,34 %
davon 40% Bund, 13,34 % Land)

186.500

373.300

,

Erstattung durch Pflichtige

40.000

66.600

93.000

Erstattung der Unterhaltszahlung an das Land iHv 46,66 %

18.700

9.300

Erstattung der Unterhaltszahlung an das Land iHv 53,34 %

24.800

49.600

Verbleibende Belastung Stadt Meerbusch

142.300

211.500

277.100

 

 

 

Zur genaueren Planung bleibt die Länderregelung abzuwarten.

 

 

 

 


In Vertretung

 

gez.

 

Frank Maatz

Erster Beigeordneter