Betreff
Email-Affäre - gemeinsamer Prüfauftrag aller Fraktionen
Vorlage
BM/0162/2017
Art
Informationsvorlage

 

Nach polizeilichen Ermittlungen wurden E-Mails an Arbeitgeber von Rats- und Ausschussmitgliedern der UWG-Fraktion vom Anschluss von Ratsherrn Staudinger-Napp versandt. Vertreter aller Fraktionen sahen Klärungsbedarf, da Diffamierungen dieser Art jedem Ratsmitglied drohen könnten und hierdurch die freie und unabhängige Ausübung des Mandates beeinträchtigt werde.

 

Auf Antrag aller Fraktionen hat der Rat in seiner Sitzung vom 15.12.2016 folgenden Auftrag an die Verwaltung beschlossen:

 

Die Verwaltung wird beauftragt zu prüfen, ob und wenn ja im laufenden Ermittlungsverfahren – des Ratsmitgliedes Glasmacher eine Unterstützung zur Klärung eines juristischen Sachverhaltes möglich ist, z.B. durch

 

a.       die Übernahme von Gutachterkosten für ein Textgutachten, welches dem Ratsmitglied Glasmacher/ bzw. der Staatsanwaltschaft zur Verfügung gestellt wird,

 

b.       d urch juristische Prüfungen der Verwaltung, bzw. des dortigen Rechtsamtes, ob durch den nicht geschützten Zugang eines PC´s eines Ratsmitgliedes eine Pflichtverletzung vorliegt,

 

c.    die Prüfung, ob die Stadt als Nebenklägerin zum Schutz der Ratsmitglieder gesamt auftreten kann,

 

d.    ob durch die Versicherung für ehrenamtliche Tätigkeit, abgeschlossen durch die Stadt Meerbusch, die Finanzierung eines Klageverfahrens möglich ist.

 

Die bisher bekannt gewordenen Vorkommnisse werden vom Rat der Stadt Meerbusch als massiver Vertrauensbruch betrachtet.

 

Dies könnte dazu führen, dass Ratsmitglieder in Ausübung ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit sowohl bei ihrer Meinungsbildung wie in ihrem politischen Handeln eingeschränkt werden, wenn das Risiko besteht, dass politische Sachverhalte, öffentlicher oder nichtöffentlicher Art, gekoppelt mit Unwahrheiten und Verunglimpfungen an die jeweiligen Arbeitgeber kommuniziert werden. Damit steht die politische Handlungsfreiheit jedes einzelnen Ratsmitgliedes zur Disposition. Das ist unerträglich und bedarf neben der rechtlichen Klärung eines klaren Votums des Rates und der Bürgermeisterin“.

 

Hierzu wird aus rechtlicher Sicht wie folgt Stellung genommen:

 

a.) Übernahme von Gutachterkosten für ein Textgutachten, welches dem Ratsmitglied Glasmacher/ bzw. der Staatsanwaltschaft zur Verfügung gestellt wird.

 

Den Mitgliedern des Rates wird vom Demokratieprinzip des Grundgesetzes und dem kommunalen Selbstverwaltungsrecht ein freies Mandat zuerkannt. Dies wird durch § 43 Abs.1 der Gemeindeordnung ausdrücklich bestätigt. Ratsmitgliedern steht zwar nicht der Schutz der Indemnität oder Immunität zur Verfügung, sie genießen jedoch vor Behinderungen bei der Ausübung ihres Mandats gesetzlich besonderen Schutz. Nach § 44 Abs.1, S.1 GO NRW ist jede Maßnahme und Handlung verboten, mit der das Ziel verfolgt wird, jemanden daran zu hindern, das Mandat auszuüben. Des Weiteren untersagen § 44 Abs.1, S.2 – 4  ausdrücklich Benachteiligungen am Arbeitsplatz, in Zusammenhang mit der Ausübung des Mandates.

 

Der Gesetzgeber wollte also solche Nachteile verhindern, die Ratsmitgliedern aus einer Mandatswahrnehmung bei ihren Arbeitgebern drohen könnten. Dieses Behinderungsverbot ist vom Wortlaut auch so weit gefasst, dass es nicht nur vom Arbeitgeber selbst initiierte Behinderungen verbietet. Vielmehr spricht der Wortlaut dafür, dass auch Dritte, z.B. andere Ratsmitglieder nicht solche Mandatsbehinderungen mittelbar durch Desinformationen oder Diffamierungen bei Arbeitgebern herbeiführen dürfen.

 

Zu beachten sind neben den Bestimmungen der allgemeinen Gesetze wie des Strafgesetzbuches hier auch weitere gesetzliche Pflichten der Gemeindeordnung. Danach haben Ratsmitglieder eine besondere Treuepflicht gegenüber der Gemeinde und alles zu unterlassen, was dem Wohle der Gemeinde und der Einwohnerschaft zuwiderläuft, als auch alles in ihrer Macht stehende zu tun, um Schaden von der Gemeinde abzuhalten und das Wohl der Einwohnerschaft zu fördern.

 

Im vorliegenden Fall steht eine Verletzung von Mitgliedschaftsrechten im Raum und die Funktionsfähigkeit des Rates ist gefährdet. Die gemeindeordnungsrechtlichen Pflichten wären dann verletzt, wenn  nachgewiesen würde, dass Ratsherr Staudinger-Napp selbst diffamierende Mail verfasst und deren Absendung an Arbeitgeber von seinem Rechner selbst vorgenommen hätte, einmal abgesehen von der strafrechtlichen Relevanz im Rahmen einer strafbewehrten Nachstellung nach § 238 StGB (cyber-stalking ) oder der Beleidigungsdelikte.

 

Aufgrund der polizeilichen Ermittlungen ist der Beweis erbracht, dass die in Rede stehenden Mails vom Rechner von Herrn Staudinger-Napp versandt wurden. Eine entsprechende gutachterliche Textanalyse kann kriminaltechnisch wesentlich dazu beitragen, die Autorenschaft der aufgrund der polizeilichen Ermittlungen festgestellten E-Mails an Arbeitgeber von Rats- und Ausschussmitgliedern vom Anschluss von Herrn Ratsherr Staudinger-Napp, die dieser selbst nicht verfasst haben will, festzustellen.

 

Zur weiteren Klärung der begründeten Anhaltspunkte von naheliegenden Pflichtverletzungen eines anderen Ratsmitgliedes (insbesondere auch gegen § 44 GO), besteht hier hinreichende Veranlassung, und zwar eben nicht nur im Interesse des verletzten Ratsmitgliedes selber, sondern auch des Gemeindeorgans Rat als solchem, und damit auch der Gemeinde.

 

Die Kosten für die entsprechende Begutachtung sind insofern sachgerechte Kosten, die nicht auf bloßen Meinungsverschiedenheiten von Funktionsträgern oder im privaten Bereich anzusiedelnden herabsetzenden Äußerungen herrühren. Rechtsgrundlage ist daher eine Verpflichtung der Gemeinde zur Kostenerstattung wegen der dem jeweiligen Organen kommunalverfassungsrechtlich zugewiesenen Rechte als Ausfluss ihrer Organstellung. Einzelne Ratsmitglieder sind Teil des Gesamtorgans Rat. Da es wie hier bei der Auseinandersetzung um die Verteidigung von Organ-Kompetenzen und nicht nur um die Verfolgung subjektiver bürgerschaftlicher Rechte geht, die einem Ratsmitglied als Person zustehen, können die Kosten durch die Gemeinde übernommen werden.

 

 

b.) Ob durch einen nicht geschützten Zugang eines PC eines Ratsmitgliedes eine Pflichtverletzung vorliegt, hängt von weiteren Umständen und Tathandlungen ab:

 

In Betracht kommt insoweit jedenfalls abstrakt neben Straftatbeständen (cyber-stalking, Beleidigung u.a.) und neben der Verletzung der allgemeinen Treuepflicht in Verbindung mit § 44 GO auch speziell die Verletzung einer Verschwiegenheitspflicht. Ratsmitglieder haben nicht nur alles zu unterlassen, was dem Wohl der Gemeinde und der Einwohnerschaft zuwiderläuft. Sie haben andererseits aber auch alles in ihrer Macht stehende zu tun, um Schaden von der Gemeinde abzuhalten und das Wohl der Einwohnerschaft zu fördern. Deshalb stehen hier Pflichtverletzungen durch einen ungeschützten Zugang eines PC´s im Raum, wenn auf diesem von Herrn Staudinger-Napp ungeschützten PC Informationen gespeichert wurden, deren Kenntnis oder Verwendung zu Verletzungen des Interesses der Gemeinde oder Rechte Dritter führen konnte. Das Problem der Verletzung einer Verschwiegenheitspflicht stellt sich bekanntlich nicht nur bei ausdrücklicher Anordnung oder expliziter Nennung von Geheimhaltungspflichten sondern ggf. auch aus der Natur der Sache heraus oder bei Vorgängen die dem Ratsmitglied bekannt werden, aber bereits nichtöffentlich behandelt wurden.

 

Jedes Ratsmitglied, dem z. B. ein I-Pad für die Ratsarbeit ausgehändigt wurde, und so auch Herr Staudinger–Napp, hat eine ausdrückliche umfangreiche Erklärung zur Nutzung und Beschränkung des Ratsinformationssystems unterschrieben. Darin finden sich zum Beispiel auch folgende Ausführungen:

 

„Der Benutzer ist verpflichtet, das Gerät und die dazugehörige Software vor dem Zugriff Dritter zu schützen. Die Benutzernamen und Kennwörter für Mandatos und SessionNet dürfen nicht weitergegeben werden. Bei Nutzung der Daten aus dem Ratsinformationssystem müssen die gesetzlichen Vorschriften zum Datenschutz zwingend beachtet werden“.

 

Eine Pflichtverletzung seitens des Ratsmitgliedes, läge daher vor, wenn dieser PC ebenfalls solche schutzwürdigen Daten enthielte und von Dritten der PC, ohne weitere Sicherung wie vorgetragen, genutzt und Unterlagen des Rates gelesen werden konnten. Der Rat wäre befugt, eine solche – nachgewiesene - Pflichtverletzung jedenfalls festzustellen. Auch in § 27 der Geschäftsordnung des Rates der Stadt Meerbusch wurde deshalb die ausdrückliche Verpflichtung aufgenommen:

 

„Die Mitglieder des Rates und der Ausschüsse sind verpflichtet, vertrauliche Unterlagen so aufzubewahren, dass sie ständig vor Kenntnisnahme und Zugriff Dritter gesichert sind. Dies gilt auch für den Transport der Unterlagen. In begründeten Einzelfällen ist dem Bürgermeister/Bürgermeisterin auf Verlangen Auskunft über die getroffenen Datensicherheitsmaßnahmen zu geben“.

 

 

c.) Eine Möglichkeit der Stadt, als Nebenklägerin zum Schutz der Ratsmitglieder gesamt auftreten zu können, sehe ich im vorliegenden Fall nicht.

 

Die Stadt als juristische Person ist insoweit letztlich nicht Verletzte der hier im Raum stehenden Straftatbestände oder zivilrechtlichen Anspruchspositionen. Damit kann sie als solche weder Privatklage noch eine Nebenklage erheben oder sich dieser anschließen.

 

 

d.) Eine Finanzierung durch eine Versicherung für ehrenamtliche Tätigkeit, abgeschlossen durch die Stadt Meerbusch betreffend eines Klageverfahrens, ist ebenfalls nicht möglich.

 

Eine Versicherung für solche Rechtsschutzmöglichkeiten und Risiken ist nicht existent und wird soweit ersichtlich nicht angeboten. Die Stadt hat zwar Versicherungen, bei denen der Schutz auch ihrer Mandatsträger schon mitumfasst ist. Es handelt sich z.B. um entsprechende Haftpflichttatbestände, sowie Versicherungen zum Ersatz von Schäden an Sachen und KFZ der Mandatsträger, die diese selbst üblicherweise im unmittelbaren Rahmen bei der Mandatsarbeit benutzen. Des Weiteren gibt es eine Strafrechtschutzversicherung, die ggf. auch bei einer strafrechtlichen Verfolgung der Ratsmitglieder im Zusammenhang gerade mit der Ausübung ihrer Ratstätigkeit erfolgt.

 

 

 

 

 


gez.

 

Angelika Mielke-Westerlage

Bürgermeisterin