Beschlussvorschlag:
Der Jugendhilfeausschuss beauftragt die Verwaltung, die im Entwurf beigefügte Vereinbarung mit dem Betreuungsverein Niederrhein e.V., Erzberger Str. 13, 41061 Mönchengladbach, über die Führung von Vormundschaften und Pflegschaften für Minderjährige, abzuschließen.
Sachverhalt:
Bereits in der Sitzung des JHA am 29.01.2013 wurde umfassend über die
Auswirkungen der im Jahr 2011 begonnenen stufenweisen Reformierung des
Vormundschaftsrechtes bezüglich der Aufgabeninhalte und der Personalausstattung
im Jugendamt der Stadt Meerbusch berichtet. Die damaligen und über Jahre
weitgehend stabilen Fallzahlen auf den hier vorhandenen Mischarbeitsplätzen
Beistandschaft / Amtspflegschaft / Amtsvormundschaft ergaben bei 2
Vollzeitstellen zunächst keine Notwendigkeit einer Personalausweitung. Diese
Situation änderte sich gravierend mit Beginn des Flüchtlingsstromes in 2015.
Über die damit einhergehende Steigerung auch der Zahl der unbegleiteten
minderjährigen Ausländer (UMA) – also Minderjähriger, die ohne Personensorge-
oder Erziehungsberechtigten eingereist sind - wurde bereits in der letzten
Sitzung am 09.09.2015 ausführlich berichtet.
Nach Rechtslage des SGB VIII bis 31.10.2015 war das Jugendamt gehalten,
unbegleitete minderjährige Ausländer, deren Aufenthalt in Meerbusch bekannt
wurde, in Obhut zu nehmen und auch für eine rechtliche Vertretung zu sorgen.
Bedingt durch die in Amtshilfe für das Land eingerichtete
Erstaufnahmeeinrichtung in der Turnhalle des Mataré-Gymnasiums war ab Sommer
2015 eine stetige Steigerung der Zahlen festzustellen, nochmals verstärkt mit
der im Oktober d.J. eingerichteten 2. Notunterkunft in der Turnhalle des
Meerbusch-Gymnasiums. Weitere Unterkünfte sind nicht ausgeschlossen.
Auf Antrag des Jugendamtes, die Personensorge der nicht verfügbaren
Eltern für ruhend zu erklären verbunden mit der Empfehlung, das örtliche
Jugendamt zum Vormund zu bestimmen, bestellte das Familiengericht das Jugendamt
Meerbusch bislang für 10 UMA zum Vormund. In einem Fall wurde ein erwachsener
Verwandter zum Einzelvormund bestellt, in einem weiteren Fall das örtliche
Jugendamt der Inobhutnahmestelle. Für aktuell vier weitere UMA stehen
vormundschaftsgerichtliche Entscheidungen aus.
Der bestellte Vormund ist verpflichtet, sein Mündel vollumfänglich zu
vertreten, somit auch in den ausländer- und asylrechtlichen Belangen.
Mit Inkrafttreten des Gesetzes zur
Verbesserung der Unterbringung, Versorgung und
Betreuung ausländischer Kinder und Jugendlicher am 01.11.2015 – eine
Synopse zur Darstellung der gesetzlichen Änderungen ist beigefügt – ist mit
einer erheblichen Zunahme von unbegleiteten Minderjährigen und damit auch der
Vormundschaften zu rechnen. Zweck des Gesetzes ist u.a. die gerechtere
Verteilung der unbegleiteten Minderjährigen auf alle Jugendämter im
Bundesgebiet, unabhängig vom Ort der ersten Feststellung. Bei Bekanntwerden der
Einreise eines unbegleiteten Minderjährigen ist das örtliche Jugendamt zunächst
zur vorläufigen Inobhutnahme (§ 42a SGB VIII) verpflichtet. In diesem
Rahmen erfolgt die Erfassung der personenbezogenen Daten, vorläufige
Unterbringung und Versorgung und ein sog. Erstscreening hinsichtlich
Gesundheitszustand, möglicher Kindeswohlgefährdung bei einer Anmeldung zur
Verteilung, möglicher Familienbezüge oder sonstiger sozialer Bindungen, z.B.
durch Fluchtgemeinschaften. Sodann hat innerhalb von 7 Werktagen die Anmeldung
des unbegleiteten Minderjährigen bei der Landesstelle - in NRW beim LVR Rheinland angesiedelt - zur
Verteilung zu erfolgen. Nach spätestens 4 Wochen wird durch die Landesstelle
das örtlich zuständige Jugendamt bestimmt. Abgebendes und aufnehmendes
Jugendamt müssen sich dann über die zu begleitende Übergabe des Minderjährigen
verständigen und das abgebende Jugendamt hat den UMA zum aufnehmenden Jugendamt zu begleiten.
Für die Dauer der vorläufigen Inobhutnahme verfügt das Jugendamt über
die öffentlich-rechtliche Verpflichtung zur Vertretung des Minderjährigen,
damit unverzüglich ggf. erforderliche Rechtshandlungen vorgenommen werden
können. Das nach Zuweisung durch die Landesstelle örtlich zuständige Jugendamt
hat die eigentliche Inobhutnahme vorzunehmen bzw. Anschlussmaßnahmen
einzuleiten sowie unverzüglich beim Familiengericht die rechtliche Vertretung
durch eine Vormundbestellung zu beantragen.
Die Zuweisung der unbegleiteten Minderjährigen an die Länder erfolgt
seitens des Bundesverwaltungsamtes auf Basis des sog. Königsteiner Schlüssels,
der für NRW einen Anteil von 21,24052% bestimmt. Die Ausführungsbestimmungen
des Landes zur Regelung der landesinternen Verteilung liegen noch nicht vor. In
der Informationsvorlage zur Sitzung am 09.09.2015 wurde auf Basis von 750.000
erwarteten Flüchtlingen sowie des für Meerbusch in 2015 geltenden
Zuweisungsschlüssels für asylbegehrende Ausländer von 0,2998097% eine Zahl von
24 unbegleiteten Minderjährigen prognostiziert. Mittlerweile gehen die
Prognosen einerseits von ca. 1.000.000 Flüchtlingen aus und die Zahl der in
diesem Strom mitreisenden Minderjährigen steigt ebenfalls. Die
Flüchtlingszahlen werden stetig nach oben korrigiert, eine gesicherte Prognose
kann nicht erstellt werden. Im Zusammenhang mit den Landesausführungen zum
Gesetz wurde auch eine Quote von zunächst einem UMA auf 5.000 Einwohner in der
Kommune genannt, dann 1:3.000 und zwischenzeitlich ist eine Quote von 1:1.500
im Gespräch. In keinem Fall führt eine dieser Quoten zu einer Deckelung der
Zuweisungszahl, sondern wie bei den anderen Flüchtlingen zu einer stetigen
Zuweisung entsprechend der Zugänge. Es muss daher mit der zeitnahen Zuweisung
von mindestens 25 UMA und stetigem weiteren Zuwachs von UMA gerechnet werden.
Die bis zum 31.10.2015 bereits in Meerbusch in Obhut genommenen bzw. in
Anschlussmaßnahmen befindlichen Minderjährigen werden dabei auf die
Zuweisungsquote angerechnet. Über die bestehenden Amtsvormundschaften hinaus
sind entsprechende Vorkehrungen zu treffen, um auch dieser Herausforderung
begegnen zu können. Zudem ist die im Rahmen der vorläufigen Inobhutnahme in den
ersten vier Wochen per Gesetz gegebene rechtliche umfangreiche Vertretung
wahrzunehmen.
Der Gesetzgeber gibt bei den Vormundschaften / Pflegschaften für
Minderjährige eine Höchstfallzahl je Vollzeitkraft von 50 Mündeln vor.
Gleichzeitig ist es Aufgabe des Vormunds, sein Mündel in allen Bereichen der
Personensorge zu vertreten, mindestens monatlich einen persönlichen Kontakt im
Lebensumfeld des Mündels wahrzunehmen und persönlich seine Entwicklung zu
fördern sowie die Pflege und Erziehung des Mündels zu gewährleisten. Die
umfassende Wahrnehmung dieser Aufgaben ist bereits ohne die sich aus der
Eigenschaft des UMA ergebenden meist komplexen Problemen und Fragestellungen
kaum verantwortlich möglich. Der Landschaftsverband Rheinland empfiehlt daher
in seiner Richtlinie für die Erlaubnis zur Übernahme von Vormundschaften und
-pflegschaften vom 01.01.2014 eine Fallzahl von durchschnittlich maximal 30
Mündeln je Vollzeitkraft. Die Stadt Düsseldorf beschloss bereits 2012 die
entsprechende Reduzierung der Fallzahlen auf 1:30 auch für eigengeführte
Vormundschaften.
Zur Bewältigung der deutlichen Erhöhung der Fallzahlen sowie des
zusätzlichen Aufgabenbereiches der rechtlichen Vertretung für die Dauer der
vorläufigen Inobhutnahme mit der gebotenen Flexibilität hinsichtlich der im
Einzelfall erforderlichen Arbeitsstunden sind zusätzliche Kapazitäten in der
Verwaltung und bei externen Leistungserbringern dringend erforderlich. Die
Verwaltung schlägt daher den Abschluss einer Vereinbarung mit dem
Betreuungsverein Niederrhein e.V. mit Sitz in Mönchengladbach zur Übernahme von
bis zu 25 Vormundschaften/Pflegschaften vor.
Der Betreuungsverein wurde 2012 von Mitarbeitern der Ev. Jugend- und
Familienhilfe gGmbH gegründet, um eine qualifizierte und respektvolle
Begleitung für junge und alte Menschen in belasteten Lebenssituationen sicher
zu stellen. Der gemeinnützige Verein ist trotz der weiterhin bestehenden Nähe
zur Ev. Jugend- und Familienhilfe gGmbH rechtlich selbständig und verfügt
bereits seit Jahren auch über Erfahrungen in der rechtlichen Vertretung von
unbegleiteten Minderjährigen und ein entsprechend ausgebautes und bewährtes
Netzwerk.
Die Möglichkeit, dem Familiengericht die Bestellung eines Vereinsvormundes
vorzuschlagen, eröffnet eine flexible Reaktion auf Fallzahlenveränderungen bei
fachlich qualifizierter Aufgabenerfüllung.
Der Verein hat sich in Vorgesprächen zur Übernahme von bis zu 25
Vormundschaften/Pflegschaften auf Basis des beiliegenden Entwurfs der
Vereinbarung bereit erklärt. Dieser Entwurf entspricht inhaltlich der bereits
2014 mit dem Jugendamt Kaarst geschlossenen Vereinbarung. Weitere Jugendämter
sind an einer entsprechenden Kooperation interessiert.
Bei Abschluss der Vereinbarung kann dem Familiengericht durch den
fallführenden Mitarbeiter des Allgemeinen Sozialen Dienstes künftig auch eine
Fachkraft des Betreuungsvereins benannt werden, die im Einzelfall zum Pfleger
bzw. Vormund bestellt werden kann. Die Entscheidung über die Bestellung eines
geeigneten Vormundes obliegt dann dem Familiengericht. In der Vergangenheit ist
das zuständige Familiengericht der entsprechenden Empfehlungen in der Regel
gefolgt. Bei Bestellung eines Vereinsvormundes erfolgt die Vergütung durch die
Justizkasse nach dem Vormünder- und Betreuungsvergütungsgesetz mit derzeit
33,50 € je geleisteter Stunde.
Ergänzend bedarf es zur Deckung der für die Fachkraft anfallenden
Personalkosten sowie der Vorhalte- und Gemeinkosten einer zusätzlichen
Vergütung. Das Jugendamt Kaarst berechnete und vereinbarte bei Abschluss des
Vertrages in 2014 auf der Grundlage der KGST-Materialie 04/2013 (Kosten eines
Arbeitsplatzes S14) eine zusätzliche Vergütung von 23,43€ je geleisteter und
notwendiger Stunde. Dieser Betrag wird jährlich um 1,5% zum Ausgleich
allgemeiner Personal- und Sachkostensteigerung fortgeschrieben und beträgt
somit seit 2015 23,78€/Std. und 2016 24,14€/Std. Diesen Sätzen liegt folgende
Berechnung zugrunde:
Berechnung auf der Basis eines Vollzeitarbeitsplatzes bei
30 Mündeln |
|
Jahresarbeitszeit in Stunden |
1.570 |
fallbezogene Jahresarbeitszeit in Stunden - 82,00 % |
1.287 |
Personalkosten S 14 |
57.300,00 € |
Sachkostenpauschale |
9.700,00 € |
Gemeinkosten 22,5 %
der PK |
12.892,50 € |
die KGST-Materiale
sieht für Büroarbeitsplätze mindestens 20% Gemeinkostenanteil vor; aufgrund
des erhöhten Aufwandes bei der Betreuung von UMA (Coaching, Supervision,
Fortbildung) werden 22,5% berechnet |
|
Gesamtkosten |
79.892,50 € |
Vergütung durch Justizkasse |
43.115,00 € |
verbleibende Arbeitsplatzkosten |
36.777,50 € |
bei 1570 Jahresarbeitsstunden somit Aufstockungsbetrag je
Stunde, Stand 2014 |
23,43 € |
ab 01.01.2015 zuzüglich
1,5% |
23,78 € |
ab 01.01.2016 zuzüglich
1,5% |
24,14 € |
Diese Sätze wurden einvernehmlich auch für Meerbusch verhandelt und sind
nachvollziehbar und angemessen. Dem Betreuungsverein ist im Übrigen an einer
einheitlichen Abrechnung mit den Vertragsjugendämtern gelegen. Die Übernahme
dieser Entgeltsätze im Rahmen des Vertragsabschlusses wird daher vorgeschlagen
und ist im Vertragsentwurf entsprechend aufgenommen.
Die Abrechnung der geleisteten Stunden erfolgt auf Basis der
Stundenabrechnung mit der Justizkasse.
Bei angenommenen 25 ganzjährig geführten Vormundschaften für die Stadt
Meerbusch und der erwarteten Leistung der Justizkasse entstünden in 2016 somit
Kosten in Höhe von ca. 25.000€.
fallbezogene Jahresarbeitsstunden |
1.287 |
bei 30 Mündeln ergeben sich Jahresstunden / Fall |
42,9 |
anteilige Jahresstunden für 25 Mündel |
1.072,5 |
à 24,14€/Stunde |
25.890 € |
Ausdrücklich ist die vorgeschlagene Vereinbarung nicht begrenzt auf den
Personenkreis der unbegleiteten minderjährigen Ausländer. Aufgrund der
dargestellten erwarteten Zunahme insbesondere dieses Personenkreises ist jedoch
zunächst die Übernahme dieser Minderjährigen durch den Betreuungsverein zu
erwarten. Im Produkt 060 363 010 sind 2016 für die Unterbringung und Versorgung
unbegleiteter minderjähriger Ausländer zunächst 1 Mio.€ eingestellt. Die
erforderlichen Mittel für die Inanspruchnahme des Betreuungsvereins Niederrhein
e.V. werden daher zunächst in diesem Rahmen zur Verfügung gestellt.
Mögliche Kostenerstattungsansprüche gegen den LVR, als grundsätzlich
erstattungspflichtigen Träger bei Leistungen an Ausländer, sind zu prüfen.
Finanzielle
Auswirkung:
Durch die Ausführung des vorgeschlagenen Beschlusses entstehen folgende Auswirkungen auf den Haushalt: siehe Sachverhalt
Alternativen:
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