Betreff
Musterklage bei der Erhebung von Beiträgen nach dem KAG und dem BauGB
Vorlage
BM/0288/2015
Art
Informationsvorlage

Beschlussvorschlag:

 

Der Haupt-, Finanz- und Wirtschaftsförderungsausschuss empfiehlt der Bürgermeisterin zukünftig bei der Erhebung von Erschließungsbeiträgen und Ausbaubeiträgen in geeigneten Fällen Musterklageverfahren in Anlehnung an die im Sachverhalt vorgestellten Vereinbarungen durchzuführen.


Sachverhalt:

 

Der Haupt-, Finanz- und Wirtschaftsförderungsausschusses hat sich in seiner Sitzung am 18.06.2015 mit einem Antrag der UWG-Fraktion betreffend Musterklagen bei der Erhebung von Erschließungs- und Ausbaubeiträgen befasst und die Verwaltung beauftragt, deren rechtliche Zulässigkeit zu prüfen.

 

Grundsätzlich ist darauf hinzuweisen, dass das von der UWG vorgeschlagene Verfahren, „ nur ein Anlieger klagt vor dem Verwaltungsgericht, im Falle eines obsiegenden rechtskräftigen Urteils erhalten auch die Nichtkläger die bereits gezahlten Beiträge insoweit zurückerstattet, als der Bescheid für nicht rechtmäßig erklärt wurde“ vom Gesetzgeber weder im KAG, der AO  noch der VwGO vorgesehen ist. Die gesetzliche Regelung des § 93 a VwGO für sogenannte Musterverfahren sind insoweit ohne Bedeutung, da sie erst Massen-Verfahren während des laufenden Prozesses betreffen. Die sonstigen Möglichkeiten der Abgabenordnung einer nur vorläufigen Festsetzung oder Festsetzung unter Vorbehalt passen ebenfalls nicht. Anders, als in anderen Beitragserhebungsverfahren, z.B. Beiträge zum Besuch von Kindertagesstätten, der offenen Ganztagsschule, der Tagespflege, findet gerade in Verfahren, die zur Erhebung von Erschließungs- und Ausbaubeiträgen führen, eine intensive maßnahmenbezogene öffentliche Diskussion mit den Betroffenen und im Fachausschuss statt.

 

Des Weiteren muss festgestellt werden, dass ein Offenhalten eines Verfahrensausganges  über die formalen Rechtsbehelfe hinaus zu Finanzierungsunsicherheiten für den städt. Haushalt führt.

 

Neben der eigenen rechtlichen Prüfung hat die Verwaltung den Städte- und Gemeindebund um Mitteilung seiner Rechtsauffassung und um Benennung von Kommunen in seinem Verbandsgebiet gebeten, die ein entsprechendes Verfahren praktizieren, des Weiteren wurden die Städte- und Gemeinden des RK Neuss sowie die Stadt Düsseldorf um entsprechende Auskünfte gebeten.

 

Als Ergebnis der Umfrage ist festzustellen, dass keine der befragten Kommunen ein Musterklageverfahren in Beitragsangelegenheiten praktiziert und auch der Städte- und Gemeindebund keine Kommunen benennen kann. Die Stadt Düsseldorf hat zur Frage der Musterklage umfänglich Stellung genommen, das Schreiben ist als Anlage beigefügt.

 

Gegen die rechtliche Zulässigkeit bestehen grundsätzlich als Ergebnis der hiesigen Prüfung keine Bedenken.

 

Es ist einer Gemeinde erlaubt, derartige Musterklagevereinbarungen mit den Beitragspflichtigen zu treffen. Diese Auffassung hat auch der Städte- und Gemeindebund bestätigt. Obwohl insoweit kaum Rechtspraxis bestünde – so der Spitzenverband - sei die Gemeinde jedoch verwaltungsrechtlich auch befugt, im Rahmen einer solchen Musterklagesache auf die Einrede der Bestandskraft des Beitragsbescheides zu verzichten.

 

Die Zuständigkeit für die Heranziehung zu Beiträgen und für die Führung von Rechtsstreitigkeiten, soweit es sich nicht um Angelegenheiten von gesamtstädtischer Bedeutung handelt, liegt bei der Bürgermeisterin, vgl. § 14 Abs. 1 i.V.m. § 10 Ziffer 2 und 7 der Zuständigkeitsordnung.

 

Aus Gründen der Bürgerfreundlichkeit beabsichtige ich, zunächst befristet auf 2 Jahre, Musterklagen gegen Beitragsbescheide zur Erhebung von KAG-Ausbau- und Erschließungsbeiträgen unter folgenden verfahrensleitenden Bedingungen zuzulassen:

 

-       Die Beitragspflichtigen bilden eine handlungsfähige Gemeinschaft, die durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt vertreten wird, der den Kläger im Musterprozess und die übrigen Beteiligten gegenüber der Stadt bei der Musterprozessvereinbarung vertritt.

 

-       Der vom Rechtsanwalt ausgewählte Beitragsfall muss auch nach Auffassung der Stadt geeignet sein, die Rechtslage für – vom beauftragten Rechtsanwalt  zu benennende und für alle Beteiligte geltende Kritikpunkte an der Veranlagung zu klären.

 

-       Die Beitragspflichtigen erklären sämtlich durch Abschluss der nachstehend konzipierten Musterprozessvereinbarung gegenüber der Bürgermeisterin schriftlich innerhalb der Rechtsmittelfrist von einem Monat, dass der Musterprozess für sie verbindlich sein soll.

 

-       Der Stadt bleibt das Recht vorbehalten, ggf. bei der erneuten Bescheidung auch höhere Beiträge oder Beiträge bei Nichtbeteiligten Dritten nachzuerheben.

 

-       Die Beiträge werden bei Fälligkeit gezahlt. Eine Aussetzung der Vollziehung erfolgt nicht.

 

-       Eine Kostenerstattung findet nur im Prozess nach Maßgabe der gerichtlichen Entscheidung statt. Zinsen werden ggf. bei Vorliegen der Voraussetzungen nur im etwaigen Falle gegenüber dem Musterkläger gezahlt.

 

Kritikpunkte, die nur für einzelne Beteiligten festzustellen  sind,  sind allerdings häufig gerade im Beitragsrecht vorzufinden, wo es um unterschiedliche Ausnutzbarkeiten, Erschließungssituationen und Grundstücksverhältnisse geht. Auch die gerichtliche Praxis entdeckt oft Probleme im Einzelfall, die nicht präjudiziell für alle gelten. Auch ist es nicht abwegig, dass aufgrund des Prozessvorbringens im Musterprozess Anhaltpunkte deutlich werden, die zwar zu einer Ermäßigung in diesem Fall, aber auf Grund der Beitragserhebungspflicht der Stadt  zu einer  Nacherhebung  bei den übrigen Beteiligten oder gar Dritten zwingen. 

 

Insofern werde ich  daher folgende Musterprozessvereinbarung schließen:

 

Zwischen der Stadt, vertreten durch die Bürgermeisterin und den nachfolgend zu Ziffer 1 bis 20 genannten Personen, vertreten durch Rechtsanwalt Y wird Folgendes vereinbart:

 

 

1. Im Fall der Veranlagung des Herrn/Frau  X zu Ausbau/Erschließungsbeiträgen betreffend das Grundstück durch Bescheid vom …………. soll ein Musterprozess vor dem Verwaltungsgericht durchgeführt werden.

 

2. Die Beteiligten zu Ziffer z.B. 2 bis 20 werden gegen die ihnen gegenüber erlassenen Heranziehungsbescheide vom ……….. für die Grundstücke …… keine Klage erheben.

 

3. Wenn die Musterklage abgewiesen wurde, ist der Ausgang des Musterprozesses für alle Beteiligten verbindlich. 

 

4. Die Bürgermeisterin sichert im übrigen zu, dass sie, wenn der angefochtene Bescheid rechtskräftig gerichtlich oder durch Vergleich ganz oder teilweise ermäßigt wird, sie über die erfolgte Heranziehung  der zu Ziff. 2 genannten Abgabepflichtigen erneut entscheiden wird und sich auf die Bestandskraft nicht berufen wird. Im Rahmen dieser erneuten Entscheidung wird  geprüft, ob das Prozessergebnis auch unter Berücksichtigung der etwaigen gerichtlichen Feststellungen im Urteil oder  protokollierten Erörterungen im Musterprozess eine Ermäßigung oder unter Umständen auch eine Beitragserhöhung gegenüber diesen Abgabepflichtigen ermöglicht.

 

 5. Eine Kostenerstattung seitens der Stadt findet nur im Musterprozess nach Maßgabe der gerichtlichen Entscheidung statt. Auch Prozess- oder Erstattungszinsen werden bei Vorliegen der Voraussetzungen nur gegenüber dem Musterkläger gezahlt.

 

6. Der Stadt bleibt das Recht vorbehalten, ggf. bei der erneuten Bescheidung entsprechend der Rechtslage auch höhere Beiträge oder Beiträge bei nichtbeteiligten Dritten zu erheben.

 

7. Diese Vereinbarung und Zusicherung gilt nur für die Beteiligten, die die festgesetzten Beiträge bei Fälligkeit gezahlt haben und auch keinen Antrag auf Aussetzung oder Aufhebung der Vollziehung stellen.

 

 

 

 

gez.

 

Angelika Mielke-Westerlage

Bürgermeisterin

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Anlagenverzeichnis:

Schreiben der Stadt Düsseldorf vom 21.07.2015