Betreff
Kooperation mit dem Verein "Tagesmütter e.V."
Vorlage
FB2/0184/2015
Art
Beschlussvorlage

Beschlussvorschlag:

Der Jugendhilfeausschuss beauftragt die Verwaltung, die Vereinbarung mit dem Verein „Tagesmütter e.V.“ über die Wahrnehmung von Aufgaben der Kindertagespflege gem. § 23 SGB VIII mit Ausscheiden der Fachkraft zum 30.06.2015 zu kündigen, um die Aufgaben im Jugendamt wahrzunehmen.

 


Sachverhalt:

Mit Inkrafttreten des Gesetzes zum qualitätsorientierten und bedarfsgerechten Ausbau der Tagesbetreuung für Kinder (Tagesbetreuungsausbaugesetz – TAG) zum 01.01.2005 und des Gesetzes zur Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe (KICK) zum 01.10.2005 ist das SGB VIII novelliert worden. Dabei wurden Funktion, Qualität und Wertigkeit der Kindertagespflege neu definiert. Der gesetzliche Auftrag umfasst die Erziehung, Bildung und Betreuung des Kindes. Die Qualifizierung der Frauen und Männer, die als Tagespflegepersonen arbeiten oder zukünftig arbeiten möchten, stellt daher eine unabdingbare Voraussetzung für diese Tätigkeit dar.

Dies bekräftigt das Gesetz zur frühen Bildung und Förderung von Kindern (KiBiz) vom 30.10.2007, welches einen Schwerpunkt auf die Kindertagespflege als gleichwertige Alternative zu den Kindertageseinrichtungen legt.

Die Kindertagespflege ist eine familiennahe und familienähnliche Form der Kinderbetreuung, bei der individuelle Bedürfnisse der Kleinstkinder unter drei Jahren besonders berücksichtigt werden können. Daher ist sie für Familien mit sehr jungen Kindern immer wieder die erste Wahl bei der Suche nach einem guten Betreuungsangebot. Im Einzelfall ist es auch möglich, dieses Angebot ergänzend zu einer Tageseinrichtung zu nutzen.

Kindertagespflege ist heute eine gesetzlich anerkannte Betreuungsform und neben den Kindertageseinrichtungen ein gleichrangiges Betreuungsangebot. Dies bedeutet: Eltern können zwischen den verschiedenen Betreuungsformen diejenige auswählen, die ihren Bedürfnissen und insbesondere den Bedürfnissen ihres Kindes am besten entspricht.

Das Jugendamt als öffentlicher Träger der Jugendhilfe hat die Verpflichtung, ein an den Bedarfen von Eltern und den Bedürfnissen von Kindern ausgerichtetes Angebot in der Kindertagespflege in sowohl quantitativer als auch qualitativer Hinsicht zu gewährleisten und damit den Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz im Einzelfall zu erfüllen.

In den meisten Kommunen werden die Aufgaben in der Tagespflege, so auch bei den anderen Kommunen im Rhein-Kreis Neuss, vom Jugendamt wahrgenommen.

 

In Meerbusch wurde im Jahr 2000 der Verein „Tagesmütter e.V.“ mit Aufgaben in der Kindertagespflege nach § 23 SGB VIII per Delegation durch die Stadt Meerbusch beauftragt. Im Rahmen der Vereinbarung vom 25.02.2000 übernahm der Verein, durch Anstellung einer hauptamtlichen Fachkraft, die Aufgabe der Vermittlung und Beratung der Tagespflegepersonen und der Sorgeberechtigten sowie die Gewinnung neuer Tagespflegepersonen.

 

Im Rahmen seiner Vereinsaufgaben ist der Tagesmütterverein insbesondere an der Qualifizierung der Tagespflegepersonen und an deren Interessenvertretung beteiligt. Hat sich die Tagespflegeperson qualifiziert und verfügt über kindgerechte Räumlichkeiten, erhält sie die Pflegeerlaubnis durch das Jugendamt. Diese Erlaubnis gestattet nach § 43 SGB VIII die Betreuung von bis zu fünf fremden Kindern und ist auf fünf Jahre befristet. Nach Ablauf kann eine neue Pflegeerlaubnis beim Jugendamt beantragt werden.

 

Mit den wachsenden Bedarfen hinsichtlich der Betreuung für Kinder in Tagespflege hat die Zahl der Beratungen und Vermittlungen in Tagespflege erheblich zugenommen.

 

Anzahl der Tagespflegepersonen/Tagespflegeplätze von 2007 - 2014

2007

2008

2009

2010

2011

2012

2013

2014

42/98

44/150

53/148

58/166

73/168

73/179

71/188

70/194

 

Um der zunehmenden Nachfrage in bewährter Qualität gerecht werden zu können, war es aus Sicht der Verwaltung des Jugendamtes und des Freien Trägers erforderlich, neben der Erlaubniserteilung auch die Vermittlungs- und Beratungstätigkeiten im Jugendamt zu erledigen. Insbesondere sollte hierdurch eine verbesserte Erreichbarkeit und Handlungsfähigkeit in Vertretungssituationen erreicht werden. Daher werden die pädagogischen Aufgaben seit 2011 von Frau Losch-Engler (22 Std/Wo) als Mitarbeiterin des „Tagesmütter e.V.“ und von Frau Knechten (39 Std/Wo) als städtische Mitarbeiterin ausgeführt.

 

Entsprechend der Vereinbarung werden dem Träger die nachgewiesenen Personalkosten der Fachkraft zu 100% und die sonstigen Kosten mit einem Festbetrag von 8.500 € erstattet. Im Jahr 2014 wurde ein Gesamtzuschuss von 38.467 € ausgezahlt.

 

Wenngleich die Kooperation mit dem Tagesmütterverein in der Vergangenheit zu einem guten Arbeitsergebnis geführt hat, können wünschenswerte Synergien und Anforderungen an die Kindertagespflege in dieser Trägerkonstellation nur eingeschränkt realisiert werden.

 

Für eine künftige Vermittlung und Beratung aus einer Hand spricht aus Sicht der Verwaltung:

 

·         Die Eltern melden sich ohnehin im Jugendamt, wenn sie einen Betreuungsbedarf haben; damit ist der Erstkontakt hergestellt. Die Weitervermittlung an den freien Träger wird als eher kritisch empfunden.

·         Die von den Eltern gewünschte verbindliche ständige Erreichbarkeit wie in der Verwaltung kann der Verein ohne zusätzliches Personal nicht leisten, da die pädagogische Fachkraft überwiegend Termine außer Haus wahrnimmt und in diesen Zeiten i. d. R. das Büro nicht besetzt ist.

·         Der Austausch und die Absprachen zwischen den Fachkräften verlangt sehr hohen organisatorischen und zeitlichen Aufwand und wird dennoch häufig als unzureichend empfunden.

·         Die Fallbearbeitung im Jugendamt erfolgt softwareunterstützt. Die Nutzung gemeinsamer Daten auf den ITK Servern ist jedoch datenschutzrechtlich problematisch.

·         Die Vermittlung und Beratung verlangt vor dem Hintergrund eines einklagbaren Rechtsanspruchs immer häufiger einen nachweisbaren rechtssicheren Verwaltungsakt.

·         Die Absprachen pädagogischer Belange und wirtschaftlicher  Bearbeitung  durch kurze Wege oder informellen Austausch wären für alle Fälle möglich.

·         Die Eltern erwarten bei ihrer Anfrage auch die Übersicht über die Platzvergabe in den Kindertageseinrichtungen.

·         Die schnellere Anpassung der Bedarfe und Kontrolle durch interne Steuerung wäre möglich.

 

In den Jahren bis 2007 spielte die Kindertagespflege in der Realisierung von Betreuungsbedarfen eine sehr untergeordnete Rolle. Erst mit dem Ziel der Vereinbarkeit von Familie und Beruf und zuletzt mit den Rechtsansprüchen für Kinder unter drei Jahren, unabhängig von der Berufstätigkeit der Eltern, hat die Nachfrage und die Bedeutung erheblich zugenommen.

 

Der gegebene Vermittlungsdruck und der administrative Aufwand stellen immer höhere fachliche und personelle Anforderungen an die in diesen Bereich tätigen Akteure und Institutionen. Der Tagesmütterverein  kann nachvollziehbar nur im Rahmen seiner Möglichkeiten als sehr kleiner Träger auf neue Anforderungen reagieren. Den Anforderungen seitens des Jugendamtes in den dargestellten Punkten vermag der Träger nur nachzukommen, wenn zusätzliche Mittel der Stadt bereitgestellt werden. Sowohl die Vollfinanzierung der Personalkosten als auch die Sachkostenzuschüsse sind allerdings im Vergleich zu anderen, für die Stadt tätigen, freien Trägern schon jetzt hoch bemessen.

 

Am 26.11.2014 hatte der Verein die Verwaltung davon in Kenntnis gesetzt, dass die derzeitige Fachkraft voraussichtlich zum 30.06.2015 ausscheiden werde, über die weitere Vorgehensweise sollte eine Mitgliederversammlung entscheiden. Auf telefonische Nachfrage seitens der Verwaltung hat Frau Losch-Engler am 18.02.2015 für den Verein erklärt, dass sich die Mitgliederversammlung am 11.02.2015 für eine Fortsetzung der Kooperation mit der Stadt ausgesprochen habe. Der Verein ist über die kritische Sicht im Hinblick auf eine künftige Aufgabenübertragung informiert gewesen. In diesem Zusammenhang hat der Verein die Auffassung vertreten, den wachsenden Anforderungen nur mit zusätzlichen Ressourcen gerecht werden zu können. (siehe Anhang)

 

Verwaltungsseitig wird empfohlen, die Vermittlung der Tagespflegeverhältnisse als Kerngeschäft komplett im Jugendamt wahrzunehmen.

 

In der Vereinbarung besteht bei Ausscheiden der vom Verein gestellten pädagogischen Fachkraft ein außerordentliches Kündigungsrecht beider Vertragsparteien. Die Vereinbarung sollte aus Sicht der Verwaltung gekündigt werden.

 

Als Verwaltung würden wir uns freuen, den Verein als Interessenvertreter in der Tagespflege und im Rahmen der Qualifizierung der Tagespflegepersonen in Meerbusch als Partner zu behalten.