Erster Beigeordneter Maatz weist eingangs darauf hin, dass die unter TOP 5 zu beratende Beschlussvorlage hinsichtlich der verwaltungsseitig geplanten Vereinbarung mit dem Betreuungsverein Niederrhein e.V. über die Führung von Vormundschaften und Pflegschaften für Minderjährige in engem Zusammenhang stehe mit dem Bericht über die aktuelle Entwicklung beim Personenkreis der unbegleiteten minderjährigen Ausländer, kurz UMA genannt. TOP 4 und 5 sollten daher sinnvollerweise zusammen behandelt werden.

 

Eine Übersicht über die sich aus dem am 01.11.2015 in Kraft getretenen Gesetz zur Verbesserung der Unterbringung, Versorgung und Betreuung ausländischer Kinder und Jugendlicher ergebenden rechtlichen Grundlagen und Abläufe werde dem Protokoll beigefügt und daher nicht im Einzelnen vorgetragen.

 

Erster Beigeordneter Maatz führt weiter aus, dass die Situation um die unbegleiteten Minderjährigen der allgemeinen Entwicklung entspreche. Mit dem weiterhin andauernden Flüchtlingsstrom kämen auch viele junge Menschen ohne Begleitung durch Sorge- oder Erziehungsberechtigte, um in Deutschland Aufnahme und Schutz zu suchen. Bis 01.11.2015 war es insbesondere Aufgabe der erstaufnehmenden Jugendämter an den Einreiseknotenpunkten und in den Großstädten, sich entsprechend den gesetzlichen Vorgaben der UMA anzunehmen. Mit dem neuen Gesetz werde durch das veränderte Verfahren eine gerechtere bundesweite Lastenverteilung auf alle Jugendämter angestrebt. In der Folge habe sich nun auch Meerbusch zunehmend auf die Unterbringung, Versorgung und Betreuung ausländischer Kinder und Jugendlicher, aber auch junger Volljähriger im Rahmen von Anschlussmaßnahmen, einzustellen.

 

Fachbereichsleiter Annacker verweist ergänzend zunächst auf die ausführlichen Informationen in der vergangenen Sitzung zum Gesetz zur Verbesserung der Unterbringung, Versorgung und Betreuung ausländischer Kinder und Jugendlicher. Zwischenzeitlich liege auch der Referentenentwurf für das Ausführungsgesetz des Landes NRW vor. Dieser Entwurf sehe die Zuweisung von UMA in Relation zur Einwohnerzahl vor, wobei diese Quote keine feste Größe sein könne sondern immer in Abhängigkeit von der Zahl der Schutzsuchenden berechnet werde. Basierend auf erwarteten 800.000 Flüchtlingen in 2015 sei eine Quote von 1 UMA je 3.000 Einwohner entwickelt worden; ob diese Berechnung allerdings Bestand haben könne, sei offen.

 

Derzeit befänden sich bereits 14 UMA in Betreuung des Jugendamtes, teils in stationären Maßnahmen, teils mit ambulanter Betreuung noch in Sammelunterkünften, um eine Trennung von Verwandten (z.B. volljährige Geschwister, Onkel) oder sozialen Bezügen z.B. aus Fluchtgemeinschaften zu vermeiden. Sukzessive sei die Zuweisung weiterer UMA zu erwarten, so dass die Verwaltung intensiv auch in Gesprächen mit freien Trägern nach weiteren Unterbringungs- und Betreuungsmöglichkeiten suche. Eine Option sei die Unterbringung in Gastfamilien, deren Geeignetheit vor dem Hintergrund einer zeitlich begrenzten Aufnahme durch den Allgemeinen Sozialen Dienst der Stadt zu prüfen sei. In jedem Fall sei aufgrund der besonderen individuellen Problemlagen von einem erheblichen fachlichen Begleitungsbedarf der Gastfamilien auszugehen. So würden erlittene Traumata oftmals erst nach Monaten ihre Auswirkungen zeigen.

 

Die Zuweisung dieser UMA erfolge in NRW zentral durch die „Landesstelle für die Verteilung umA in NRW“ - angesiedelt beim LVR in Köln - und zwar spätestens innerhalb von 4 Wochen nach dessen Erstaufnahme. Innerhalb dieses Zeitraumes gebe das Gesetz verbindliche Fristen und Aufgaben vor:

-      Innerhalb von 2 Werktagen Mitteilung des Jugendamtes über die vorläufige Inobhutnahme an die Landesstelle NRW nach erfolgtem Erstscreening (insb. Feststellung der Minderjährigkeit, Prüfung von Kindeswohlgefährdung, erste Feststellung von Verteilungshemmnissen);

-      Innerhalb von 7 Werktagen Anmeldung des Jugendamtes zur Verteilung des UMA bzw. Mitteilung der Nichtverteilung an die Landesstelle NRW nach weiterer Prüfung;

-      Innerhalb von 3 Werktagen Mitteilung der Landesstelle NRW an die Bundesverteilstelle zur Bestimmung des aufnehmenden Bundeslandes;

-      Innerhalb von 2 Werktagen Mitteilung des Bundesverteilamtes an die zuständige Landesverteilstelle;

-      Innerhalb von 2 Werktagen Zuweisung des UMA durch die Landesverteilstelle an das zur Aufnahme verpflichtete Jugendamt.

Nach erfolgter Zuweisung sei kurzfristig die begleitete Übergabe des UMA durch das für die vorläufige Inobhutnahme zuständige Jugendamt sicher zu stellen. Das Zuweisungsjugendamt sei dann für alle weiteren Maßnahmen zuständig.

 

Zur Feststellung der Aufnahmequoten der Bundesländer erfolge werktäglich die Meldung der im Jugendamtsbezirk betreuten UMA an das Bundesverwaltungsamt.

 

Das Jugendamt sei für die Dauer der vorläufigen Inobhutnahme auch ohne Bestellung durch das Vormundschaftsgericht berechtigt und verpflichtet, erforderliche Rechtshandlungen zum Wohle des UMA vorzunehmen (z.B. bei ärztlichen Untersuchungen oder beim Verfahren der Alterseinschätzung), was zu einem zusätzlichen Arbeitsaufwand im Jugendamt führe. Zudem sei für jeden endgültig zugewiesenen UMA beim Familiengericht eine Vormundschaft zu beantragen.

 

Zum Ausgleich der erheblichen Mehraufwände im Bereich Amtvormundschaften/-pflegschaften, Wirtschaftliche Jugendhilfe und Allgemeiner Sozialer Dienst sehe der Referentenentwurf zum AG-KJHG die Erstattung einer Verwaltungskostenpauschale von 3.100 € je Fall und Jahr vor. Das weitere Gesetzgebungsverfahren bleibe abzuwarten.

 

Auf Nachfrage von Ratsherrn Berthold zur Altersverteilung der UMA erläutert Fachbereichsleiter Annacker, dass bis ca. 2014 der weit überwiegende Teil der unbegleiteten Minderjährigen 16 und 17 Jahre alt gewesen sei. Zwischenzeitlich sei jedoch eine deutliche Verjüngung bei den UMA festzustellen, zudem kämen vermehrt Mädchen und auch allein reisende Frauen und alleinerziehende Mütter sowie ganze Familien.

 

Erster Beigeordneter Maatz betont, dass die offiziellen Meldungen zu den erwarteten Flüchtlingszahlen oftmals mangels Aktualität nicht hilfreich seien. Die Verwaltung müsse sich daher auf die bereits anfallenden und mit steigenden Fallzahlen noch zunehmenden zusätzlichen Aufgaben einstellen. Er weise daher bereits jetzt darauf hin, dass im Haupt- und Finanzausschuss am 03.12.2015 im Rahmen des Stellenplanes 2016 sowohl für den Allgemeinen Sozialen Dienst als auch den Bereich Amtsvormundschaften/-pflegschaften jeweils eine halbe Planstelle beantragt werde. Die zweite Säule bilde die unter TOP 5 vorgeschlagene Kooperation mit dem Betreuungsverein Niederrhein. Das Verfahren sei in der Vorlage dezidiert dargelegt.

 

Ratsfrau Glasmacher bezieht sich auf die zu TOP 5 beigefügte Konzeption des Betreuungsverein Niederrhein. Hinsichtlich der dargestellten Problematik halte sie den vorgesehenen monatlichen Kontakt nicht für ausreichend. Fachbereichsleiter Annacker erläutert, dass hier der gesetzlich vorgegebene Mindeststandard abgebildet sei, der im Regelfall bei laufenden Erziehungshilfen ausreiche. Die Bedarfslage der UMA mache einen intensiveren Kontakt erforderlich.

 

Auf Nachfrage von Ratsherrn Neuhausen bestätigt Fachbereichsleiter Annacker, dass die Kosten des Vormundes bei Bestallung des Betreuungsvereins durch das allein zuständige Familiengericht weitgehend von der Justizkasse übernommen würden. Es sei zu hoffen, dass das Familiengericht entsprechenden Anträgen künftig folgen werde. Auf weitere Nachfrage ergänzt Fachbereichsleiter Annacker, dass die Überprüfung und Begleitung von Gastfamilien nach Rücksprache mit dem Rhein-Kreis Neuss als Kooperationspartner für das Pflegekinderwesen mangels personeller Ressourcen nicht im Rahmen dieser Vereinbarung geleistet werden könne. Er halte jedoch die Überprüfung und Begleitung durch den städtischen ASD aufgrund der bestehenden Vernetzungen innerhalb der Stadt Meerbusch insbesondere im Bereich der Flüchtlingshilfen ohnehin für zielführender, Synergien mit dem sonstigen Pflegekinderwesen seien hier nicht zu erwarten.

 

Im Anschluss erfolgt ohne weitere Beratung die Abstimmung zu TOP 5.

 

 

 

Ergänzung der Schriftführerin:

Der LVR teilte mit Schreiben vom 24.11.2015 den aktuellen Aufnahmeschlüssel für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge mit. Ausgehend von derzeit 9.917 UMA in NRW ergibt sich bei einer NRW-Einwohnerzahl von 17.638.098 ein landesweiter Aufnahmeschlüssel in Höhe von 1.779. Bei 55.847 Einwohnern (Stand 31.12.2014) errechnet sich für Meerbusch somit eine aktuelle Aufnahmeverpflichtung für 31 UMA.

Gleichzeitig wird für die weitere kommunale Planung darauf hingewiesen, dass aufgrund der bundesweiten Entwicklung mit einem weiteren Anstieg der Aufnahmepflicht zu rechnen sei.