Beschluss: zur Kenntnis genommen

 

 

 

 


Auf Bitte der Vorsitzenden gibt Fachbereichsleiter Annacker ergänzend zur Informationsvorlage einen Überblick über die aktuelle Situation und die derzeit absehbare Entwicklung hinsichtlich der mit der täglichen Flüchtlingsbewegung einhergehenden Zunahme der Unbegleiteten Minderjährigen Flüchtlinge (UMF).

 

So werde mit den beabsichtigten Änderungen im SGB VIII der Vorrang der Schutzbestimmungen in der Kinder- und Jugendhilfe vor den ausländerrechtlichen Belangen nochmals verdeutlicht. Zudem solle durch Neubestimmung der örtlichen Zuständigkeit eine gerechtere Kostenverteilung auf alle Jugendämter im Land erreicht werden. Sofern innerhalb eines Monats nach Einreise des UMF Jugendhilfe geleistet werde, z.B. durch Inobhutnahme, bestehe ein Kostenerstattungsanspruch gegen ein Land – hier voraussichtlich gegen den Landschaftsverband Rheinland als überörtlichen Träger der Jugendhilfe. Der Kostenerstattungspflicht unterlägen jedoch nicht die Personal- und Verwaltungskosten in den Jugendämtern.

 

Die Prognose der in Meerbusch zu erwartenden UMF schwanke je nach Berechnungsbasis zwischen 18 und 24 Personen. Bei jährlichen Aufwendungen für Inobhutnahme bzw. anschließender Unterbringung im Rahmen von Erziehungshilfe in Höhe von ca. 50.000 € sei 2016 mit einem Aufwand von ca. 1 Mio. € zu rechnen. Da im Regelfall von einer vollständigen Kostenerstattung ausgegangen werde, stünden diesen Sachkosten entsprechende Einnahmen entgegen, bedingt durch den Bearbeitungsablauf allerdings zeitversetzt.

 

18 bis 24 mögliche UMF würden für Meerbusch quasi eine Verdopplung der Zahl der Heimfälle mit entsprechendem personellen Aufwand bedeuten. Auch die Strukturen müssten erst noch geschaffen werden. Die u.a. von der Stadt Meerbusch belegte Pädagogische Ambulanz der Ev. Jugend- und Familienhilfe gGmbH in Kaarst sehe sich vor die Aufgabe gestellt, in absehbarer Zeit ca. 200 UMF in Obhut zu nehmen. Für Anschlussmaßnahmen müssten weitere Plätze in Wohngruppen vorgehalten werden. Derzeit werde allseits nach adäquaten Lösungen gesucht. Hier sei auch zu berücksichtigen, dass allein die Träger der freien Jugendhilfe das wirtschaftliche Risiko der investiven Kosten zu tragen hätten. Die Refinanzierung erfolge z. T. über die entsprechenden Tagessätze. Zudem sei aufgrund der besonderen Bedarfe und individuellen Problemlagen der UMF ein entsprechender Personalschlüssel vorgegeben. So kämen auf 10 UMF 4 sozialpädagogische Fachkräfte und bis zu 4 Ergänzungskräfte.

 

Auf Nachfrage von Ratsherrn Neuhausen hinsichtlich der Bedeutung der rechtlichen Vertretung der UMF ergänzt Fachbereichsleiter Annacker, dass das vorhandene Personal lediglich auf Basis der aktuellen Fallzahl bemessen sei. Die Führung einer Vormundschaft für einen UMF führe zudem aufgrund der umfangreichen ausländerrechtlichen Belange zu einem deutlich höheren Aufwand. Allerdings stelle sich die Frage, ob dieser Aufwand zwingend in den Kommunen geleistet werden müsse oder z.B. durch die Beauftragung von Betreuungsvereinen auch eine Bündelung der Fachkompetenzen erreicht werden könne. All diese Probleme seien zu lösen und die Kommunen befänden sich derzeit in Klärung und Findungsprozessen.

 

Im Übrigen berichtet Fachbereichsleiter Annacker kurz zur aktuellen Situation der dem Jugendamt bislang bekannten UMF.

 

Ratsfrau Glasmacher bittet um Auskunft, ob angesichts der ebenfalls steigenden Zahl schulpflichtiger Flüchtlingskinder auch mit Aufnahmeanfragen anderer Städte - insbesondere der Stadt Düsseldorf – zu rechnen sei. Fachbereichsleiter Annacker erläutert zunächst, dass es in diesem Bereich keinen Amtshilfeanspruch gebe; die jeweiligen Schulleiter seien in eigener Verantwortung zur Entscheidung über die Aufnahme einzelner Schüler befugt. Unter den in Meerbusch aktuell 380 zugewiesenen Flüchtlingen befänden sich 59 Minderjährige, von denen 35 Kinder der Schulpflicht entweder in Meerbusch oder in angrenzenden Förderschulen nachkämen. Die Unterbringung von Kindern und Jugendlichen in Notunterkünften wie der Turnhalle des Mataré-Gymnasiums löse keine Schulpflicht aus.

 

Erster Beigeordneter Maatz verweist ergänzend auf bereits bekannte Engpässe der Stadt Düsseldorf unabhängig von der aktuellen Flüchtlingssituation. Wenn bislang überwiegend alleinstehende junge Männer als Asylsuchende nach Deutschland kamen, so zeige die aktuelle Flüchtlingswelle eine absolute Durchmischung hinsichtlich Alter, Ethnien, Bildung, Erfahrungen. Auf die sich daraus ergebenden Herausforderungen gebe es noch keine abschließenden Antworten, zuallererst müsse Obdachlosigkeit vermieden werden. Alle Kommunen gelangten an ihre Kapazitätsgrenzen, so dass Kompromisse gefunden und auch ausgehalten werden müssten. Es gelte situativ zu reagieren und im Vertrauen auf die vorhandenen Ressourcen und Erfahrungen angemessene Lösungen unter Beachtung des Kinder- und Jugendschutzes zu erarbeiten. Insbesondere sei der Aufbau von Sprachkompetenz als zwingende Voraussetzung für Integration gefragt. Ein Teil dieses Prozesses werde auch die Schulentwicklungsplanung sein.

 

Auf weitere Nachfrage von Ratsherrn Neuhausen zur Möglichkeit, minderjährige Flüchtlinge, die sich in Begleitung von Verwandten (Geschwister, Onkel) in Flüchtlingsunterkünften aufhielten, in eigene Wohnungen zu vermitteln, erläutert Fachbereichsleiter Annacker, dass dieses Anliegen sich auf alle Flüchtlingsfamilien mit minderjährigen Kindern beziehen müsse, derartige Sonderlösungen jedoch nicht realisierbar seien. Mit den Möglichkeiten der Jugendhilfe sei dieses Dilemma nicht zu lösen.